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Die Heilbronner Rathausuhr ist nicht nur optisch eine Meisterleistung

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In unserer Serie "So funktioniert das" blicken wir hinter die Kulissen der Heilbronner Rathausuhr. Sie gehört zu den am meisten bestaunten und fotografierten Sehenswürdigkeiten. Allerdings geht die Anzeige der Tierkreiszeichen seit geraumer Zeit nicht ganz richtig.

von Helmut Buchholz
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Claudia Küpper zeigt auf das Herzstück: Das Uhrwerk mit seinen zig Zahnrädchen steht auf dem Rathaus-Dachboden. Fotos: Ralf Seidel
Claudia Küpper zeigt auf das Herzstück: Das Uhrwerk mit seinen zig Zahnrädchen steht auf dem Rathaus-Dachboden. Fotos: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Wer hat an der Uhr gedreht? Claudia Küpper steht ein Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Die Rathaus-Sprecherin ist auch Stadtführerin und Spezialistin für eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt: die Rathausuhr. Sie steht auf dem Marktplatz und schaut etwas ungläubig auf die astronomische Uhr an der Fassade der Verwaltungszentrale. Ein Zeiger mit einer kleinen goldenen Sonne an der Spitze zeigt auf das Tierkreiszeichen Jungfrau. "Der Zeiger geht ein bisschen vor, in der Regel stimmt das", erklärt Claudia Küpper.

Kleiner Schönheitsfehler seit fast 450 Jahren

Gravierender ist der Fauxpas des Zeigers, der auf den Stand des Mondes in den Tierkreiszeichen hinweist. Er müsste auf Jungfrau stehen, zeigt aber auf die Waage. Ein Fehler, den sich die Fachfrauch auch nicht so recht erklären kann. "Die Rathausuhr gibt bis heute Rätsel auf", sagt sie. Der Grund dafür liegt im Alter der Uhr: Sie wurde um 1579/80 von Habrecht fertiggestellt, im Jahr 1582 sind zehn Tage einfach weggefallen. Papst Gregor XIII. korrigierte damit einen Fehler des Julianischen Kalenders – so brachte er Mond und Datum in Einklang. Am Rathaus jedoch lief die besondere Kunstuhr nicht mehr korrekt und die Umstellung der Zeiger hätte noch mehr Chaos verursacht. Als die Rathausuhr restauriert wurde, hätte man den Fehler zwar beheben können - aber der Gemeinderat entschied sich dagegen.

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Ein vergoldeter Hahn kräht alle vier Stunden

Die kleine Nachlässigkeit sei dem Prachtstück der Uhrmacherkunst, das Issak Habrecht 1579/80 schuf, verziehen. Wer so lange so imposant Uhrzeit und Mondphasen ansagt, darf auch mal ein bisschen daneben liegen. Das trübt den großen Eindruck, den das Wahrzeichen bei den Betrachtern hinterlässt, kein bisschen. Wenn Claudia Küpper als Fremdenführerin einer Gruppe die Uhr vorführt, erntet sie oft viele bewundernde "Ahs" und "Ohs" der Besucher. Kein Wunder. Die Rathausuhr zeigt nicht nur die Zeit an. Sie tut es mit einer durchchoreografierten Inszenierung von mehreren Figuren. Da gibt es zwei Engel, die in eine Trompete tröten, mit einem Zepter die Stunden zählen und eine Sanduhr umdrehen. Ein vergoldeter Hahn kräht alle vier Stunden und hebt dabei seine kleinen Flügel etwas an. Schließlich schlagen auch noch zwei vergoldete Widder ihre Hörner aneinander. Wer will noch mehr Action an einer Rathausuhr haben?


Tatsächlich galt die Uhr schon zur Zeit ihrer Entstehung vor 441 Jahren als technisches Meisterwerk. Die prachtvolle Zeitmaschine war Ausdruck des Bürgerstolzes in der freien Reichsstadt Heilbronn. Kein Einzelfall, fast schon Mode: Einige Städte leisteten sich diesen Luxus, der auch den Reichtum des Ortes und ihrer Einwohner dokumentierte. Nur war die Technik vor mehr als 400 Jahren eben noch nicht so weit wie heute. Das Krähen des Hahns musste mechanisch mit Blasebalg erzeugt werden. Heute kommt es vom Band. Die Uhr musste auch alle paar Stunden von Hand aufgezogen werden. Das ist nicht mehr nötig. Heute ersetzt die Elektrik vieles. Aber nicht alles. Denn im Inneren der Uhr erinnert noch viel an ihre alten Baumeister.

Die Figuren hängen wie Marionetten an Seilzügen

Der Hahn und die Widder machen die Uhr besonders.
Der Hahn und die Widder machen die Uhr besonders.  Foto: Seidel, Ralf

Das Uhrwerk wurde beim verheerenden Bombenangriff am 4. Dezember 1944 zerstört und 1953 wieder rekonstruiert. Den Auftrag bekam die Ulmer Firma Philipp Hörz, die die Uhr schon einmal um 1900 erneuert hatte. Die alte Pläne blieben erhalten, was ein Glück war. Das Herzstück der Sehenswürdigkeit - das Uhrwerk - befindet sich unter dem Dach des Rathauses. Ein Ort, den die Touristen nicht zu sehen bekommen und der an viele Bühnen im Oberstübchen von Häusern erinnern würde (nur einige Nummern größer), wenn da nicht dieser Schrank mit seinen unzähligen kleinen Zahnrädchen, Gewichten und Gestängen im Schlummerlicht von ein paar wenigen Neonröhren stehen würde.

Seilzüge führen aus diesem Kasten hinaus. Das sind sozusagen die Fäden, an denen die Engel wie Marionetten hängen und mit Trompete, Sanduhr und Zepter samt Widder bewegt werden. Eine altersschwache Ölkanne liegt griffbereit neben dem Herzstück der Rathausuhr. Wer zum Zifferblatt vorrücken will, muss sich flach machen und auf einer Art hölzerner Pritsche gen Uhr robben. Eine alte dünne Matratze erleichtert den Weg.

Elektrische Impulse schubsen das filigrane Getriebe der Uhr an. Gewichte an Seilzügen halten sie am Laufen. Sogar die Sommer- und Winterzeit wird automatisch umgestellt. Falls die Uhr mal stehen bleibt, was vorkommt, oder sonst irgendwie bockt, sind Mitarbeiter des Hochbauamts zur Stelle. Sie warten und reparieren eines der bekanntesten Stücke Heilbronns, das es gibt.


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