Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen Merken

Warum die Planung von Ampel-Schaltungen so kompliziert ist

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Hinter einer programmierten Ampelkreuzung stecken viele Plandetails. Der Standard-Umlauf kommt immer wieder aus dem Takt. Überraschend ist: Wenn Heilbronn alle 168 Kreuzungsknoten neu planen möchte, würde das mindestens drei Jahre dauern.

von Carsten Friese
   | 
Lesezeit  2 Min
Fingerzeig in Richtung einer hier funktionierenden grünen Welle: Jens Boysen vom Amt für Straßenwesen an der Kreuzung Oststraße/Moltkestraße.
Fotos: Ralf Seidel
Fingerzeig in Richtung einer hier funktionierenden grünen Welle: Jens Boysen vom Amt für Straßenwesen an der Kreuzung Oststraße/Moltkestraße. Fotos: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Es ist ein System, das Verkehrsteilnehmer manchmal in Rage bringt, wenn die Rotphase scheinbar ewig lange dauert. Ampelsysteme in Heilbronn sind individuell an jedem Knotenpunkt geschaltet, werden durch bestimmte Anlässe aber oft aus dem Takt gebracht. Zum Beispiel, wenn die Stadtbahn oder Busse kommen und freie Fahrt anfordern.

An der Kreuzung Oststraße/Moltkestraße erläutern Jens Boysen und Marie-Luise Bertsch vom Amt für Straßenwesen das Ampelsystem in einem Verkehrsknoten. 18 verschiedene Signalgeber (Einzel-Ampeln) sind in acht Gruppen eingeteilt, die dann die gleichen Signale (Rot-Gelb-Grün) zeigen. Dazu kommen 20 Einzel-Ampeln für Fußgänger in alle Richtungen. Zwei weitere Ampelmasten gibt es für die Stadtbahn S4. Alle Leitungen laufen in zwei Kästen am Straßenrand zusammen, in denen die Steuergeräte eingebaut sind. Eine Kreuzung kann eigenständig laufen. Damit Ampelschaltungen aber mit den benachbarten Kreuzungen harmonieren und einen möglichst guten Verkehrsfluss ergeben, wird alles über einen zentralen, großen Verkehrsrechner gesteuert - quasi das Herz der Verkehrszentrale in der Stadt.

Vorrangroute hat 37 Sekunden Grün, die anderen Richtungen sieben Sekunden

Vier Verkehrszeiten programmieren die Planer an einem Werktag, den Morgen und den Nachmittag mit den Stoßzeiten, die Mittagszeit und die Nacht. Für jede Zeit wird eine Umlaufdauer festgelegt, in der jeder reihum mindestens ein Mal Grün hat. Zudem wird eine Hauptrichtung mit dem stärksten Verkehrsstrom definiert - dieser Ast erhält die längste Grünphase.

"Wir überlegen, wer als Erstes, Zweites, Drittes, Viertes dran sein soll, definieren Zwischenzeiten, damit es beim Einfahren in die Kreuzung keine Zusammenstöße gibt", erklärt Jens Boysen. So entwickele man Phase um Phase und lege die einzelnen Grünzeiten in Sekunden fest. 90 Sekunden dauert an diesem Knoten zu fast allen Zeiten ein Ampelumlauf. Die Oststraße hat Vorrang und im Normalfall 37 Sekunden Grün, Autos aus der Moltkestraße und Fußgänger mindestens sieben Sekunden.

Die Stadtbahn ist bevorrechtigt, sie darf rasch passieren

Wenn eine Stadtbahn an einer Kreuzung ankommt, meldet sie eine "Anforderung" (Buchstabe A) an das Steuergerät, um ein Signal für freie Fahrt zu erhalten.
Wenn eine Stadtbahn an einer Kreuzung ankommt, meldet sie eine "Anforderung" (Buchstabe A) an das Steuergerät, um ein Signal für freie Fahrt zu erhalten.  Foto: Seidel, Ralf

Starr ist das System nicht. Im Straßenasphalt sind Messfühler eingebaut, die merken, wenn es sich in der Nebenstraße stark staut. Das Steuergerät reagiert, Grünzeiten werden verändert, um den Verkehr abfließen zu lassen. Kommt die Stadtbahn an und sendet eine Anforderung zum Queren, bricht der normale Umlauf ab. "Die Stadtbahn ist stark bevorrechtigt", erklärt Boysen. Sie darf passieren, dann geht es mit der nächsten Phase weiter. Bei Fußgängern gibt es zwei Varianten. Parallele Routen zum Verkehr der Oststraße sind zeitgleich auf Grün geschaltet. Wer die Hauptstraße queren will, muss den Ampelknopf drücken. Ist das geplante Zeitfenster für Fußgänger erreicht und kein Auto kreuzt, erhält der Passant Grün. Bis zu 90 Sekunden kann die Wartezeit dauern.

Nachts gilt ein anderes System. Hier ist die Umlaufzeit bei weniger Verkehr auf 72 Sekunden verkürzt. Dadurch kommen alle Verkehrsteilnehmer schneller an die Reihe.

Die häufigsten Ausfälle entstehen, wenn Ampelmasten umgefahren werden

Wo die komplexesten Ampelsysteme in der Stadt stehen? Die Verkehrsexperten nennen die Kreuzung Kaiserstraße/Allee mit zwei Stadtbahnrouten und vielen Bussen, die kreuzen. Und die Kreuzung Allee/Weinsberger Straße, wo die Stadtbahn in einer langen S-Kurve über zwei Autofahrspuren fährt.

Der häufigste Defekt im System tritt auf, wenn Autofahrer Ampelmasten umfahren. Bei einer Störung geht ein Alarm an, ein Lichtsignaltechniker hat immer Bereitschaft. Kreuzung sichern, defekten Mast beseitigen, Ersatzmast anschließen, heißt es dann. Insgesamt stuft Jens Boysen das Verkehrssystem in der Stadt als gut ein, ohne extreme Auswirkungen im normalen Verkehr. Verbessern könne man immer etwas. Wenn sich aber mehrere Hauptstraßen kreuzen, "kann man es nicht jedem recht machen".

Riesiger Aufwand

168 Knotenpunkte mit Ampelkreuzungen gibt es in Heilbronn. Wie lange das Planen eines abgeänderten Ampelsystems dauert? Sachgebietsleiterin Marie-Luise Bertsch zeigt den technischen Ablaufplan für die Kreuzung Ost-/Moltkestraße mit 52 Seiten. Die reine Planungszeit schätzt sie auf ein bis zwei Wochen. Das heißt: Das gesamte System mit den 168 Verkehrsknoten neu zu planen, würde drei bis vier Jahre veranschlagen.


Mehr zum Thema

Wer hat Vorrang? An der Allee sind Fußgängerampeln oft versetzt geschaltet, weil Busse und Stadtbahnen queren. Fußgänger warten öfter in der Mitte.
Fotos: Mugler/Friese
Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen

Verdruss an Fußgängerampeln in Heilbronn


Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung

Wolfgang Zeiner am 24.08.2020 22:49 Uhr

Gibt es hier kein Ansatz eine Art künstlicje Intelligenz einzubringen?
Also so das das System dazulernen?

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
  Nach oben