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Wie gefräßige Insekten machen Mähdrescher alles nieder

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Viele PS und tonnenweise Korn im Tank: Bei einem Mähdrescher ist alles eine Nummer größer. Aber wie funktioniert er eigentlich? Das haben wir Nick Weinert aus Untergruppenbach-Oberheinriet gefragt und ihn bei der Getreideernte begleitet.

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Etwa fünf Meter breit ist das Schneidwerk des Mähdreschers. Mit fünf bis acht Stundenkilometern fährt der New Holland über den Acker bei Oberheinriet. Foto: Christiana Kunz
Etwa fünf Meter breit ist das Schneidwerk des Mähdreschers. Mit fünf bis acht Stundenkilometern fährt der New Holland über den Acker bei Oberheinriet. Foto: Christiana Kunz  Foto: Kunz, Christiana

Wer nicht in der Stadt wohnt, hört ihr sonores Brummen bis tief in die Nacht. Bei Tag sieht man, was sie hinter sich lassen: enorme Staubwolken. Wie riesengroße, gefräßige Insekten machen sie alles nieder, was ihnen vor den Schlund kommt: Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer. Dieser Tage fallen die Mähdrescher über die Felder her. Zum Beispiel in Untergruppenbach-Oberheinriet.

Bei Nick Weinert piept's. Durchdringend. Der Bauch ist voll. Locker 4000 Kilo Dinkelkörner sind im Speicher des 240 PS starken New Holland L524. Zeit, das rotbraune Ungetüm an den Hänger zu rangieren, der auf dem Feldweg abgestellt ist. Mit erfahrenem Blick und geübten Handgriffen fährt Nick Weinert vorwärts und rückwärts, bis es passt. Er drückt einen Kippschalter. Das lange Rohr fährt zur Seite aus. Der 30-Jährige zieht mit der linken Hand einen Hebel: "Damit wird der Riemen gespannt, der die Schnecke im Rohr antreibt."

Klimaanlage und Kabinenfilter helfen

Jetzt die Tür aufzumachen wäre keine gute Idee. Mit Wucht schießt der Dinkel aus dem Rohr in den Hänger; eine gelbbraune Wolke aus Getreidestaub, Spreu und Spelzen vernebelt den Blick.

Bei Nick Weinert kommt davon zum Glück nichts an - der Klimaanlage und dem Kabinenfilter sei's gedankt. "Bis vor ein paar Jahren hatten wir einen Cabrio-Mähdrescher. Das war eine sehr staubige Angelegenheit." Inzwischen leihen sich Nick Weinert und Vater Andreas den Mähdrescher von Rainer Riedel aus Lehrensteinsfeld aus. In die Quere kommen sich die beiden Landwirts- und Wengerterfamilien nicht: "Rainer Riedel hat viel Wintergerste, wir haben Dinkel, vor allem Weizen, etwas Braugerste und Hafer." Die Wintergerste ist eher reif.

Messer hat Ähnlichkeit mit Haifischzähnen

Jetzt hält der gelernte Land- und Baumaschinenmechaniker wieder auf den Acker zu. Weinert arbeitet in der Industriemontage bei einer Firma in Ilsfeld. Aber oft hilft er auf dem Hof der Eltern. Den Mähdrescher steuert immer er. "Es macht mir Spaß, so eine große Maschine zu fahren."

Nick Weinert ist vom Mähdrescher ab- und auf den Hänger aufgestiegen und prüft die Qualität des Dinkels, den er gerade gedroschen hat. Foto: Christiana Kunz
Nick Weinert ist vom Mähdrescher ab- und auf den Hänger aufgestiegen und prüft die Qualität des Dinkels, den er gerade gedroschen hat. Foto: Christiana Kunz  Foto: Kunz, Christiana

Nick Weinert lässt das fünf Meter breite Schneidwerk mit den spitz zulaufenden Halmteilern links und rechts ab. Mit dem Gashebel gibt er Stoff, fünf bis acht Stundenkilometer ist er schnell; der Motor dröhnt. Die Haspel am Schneidwerk dreht sich und zieht die Ähren zum Messer hin. Eigentlich sind es viele kleine Messer. Die Zacken sehen aus wie die Zähne eines Haifischs.

Rattattattatt: Das Messer schneidet die Halme ab. Mit Hilfe einer Schnecke wird der Dinkel zum Schrägförderer transportiert. Dann landet er im Dreschkorb. "Das Wesentliche passiert unsichtbar", sagt der junge Mann mit der schwarzen Basecap. In der Dreschtrommel wird das Korn schließlich durch eine Art Reibevorgang ausgedroschen. "Es wird gesiebt und kommt dann über den Kornelevator in den Korntank."

Was übrig bleibt bläst der Mähdrescher nach hinten weg. Nick Weinert könnte es auch als Schwaden rauslassen und später zu Ballen pressen. Da die Weinerts kein Vieh haben, brauchen sie das Stroh nicht.

Gefahren wird bis Mitternacht

Per Kippschalter wird das Rohr ausgefahren, aus dem der Dinkel in den Anhänger schießt. Vier bis fünf Tonnen Getreide passen in den Korntank des Mähdreschers. Foto: Christiana Kunz
Per Kippschalter wird das Rohr ausgefahren, aus dem der Dinkel in den Anhänger schießt. Vier bis fünf Tonnen Getreide passen in den Korntank des Mähdreschers. Foto: Christiana Kunz  Foto: Kunz, Christiana

Wenn die Luft morgens trocken genug ist, gegen 10, 11 Uhr, kann der Oberheinrieter loslegen. Gefahren wird, bis die Luft wieder so feucht ist, dass das Stroh anfängt, am Mähdrescher zu kleben. Das ist oft bis gegen Mitternacht der Fall. "Ich bin aber auch schon bis um 4 Uhr gefahren."

Außerdem darf das Getreide nicht mehr als 14,5 Prozent Feuchtigkeit haben. "Sonst gibt es Abzug für Trocknungsgebühren." Auf 40 von insgesamt 80 Hektar bauen die Weinerts Getreide an und beliefern die BayWa in Heilbronn.

Eine Tankfüllung reicht für eineinhalb Tage

Solange das Wetter gut ist, wird jede Minute ausgenutzt. Kurz zum Essen heimfahren geht mit einem zwölf bis 15 Tonnen schweren Gefährt nicht, dessen fünf Meter breites Schneidwerk für die Fahrt auf der Straße hinten angehängt werden muss. Die Mutter oder die Freundin bringen Nick Weinert ein Vesper vorbei. Morgens einfach losfahren funktioniert auch nicht. "Man muss den Mähdrescher jeden Tag abschmieren und den Luftfilter ausblasen." Und betanken. "400, 500 Liter Diesel passen rein." Eine Füllung reicht für eineinhalb Tage.

Nick Weinert beugt sich nach vorne. Er hat die Halmteiler im Blick. "Man muss schauen, dass man die volle Maschinenbreite ausnutzt." Die Fahrer neuerer Modelle haben es leichter. "Diese Mähdrescher laufen GPS-gesteuert." Nick Weinert gibt geduldig Auskunft. Aber irgendwann ist dann auch mal alles gesagt übers Mähdreschen, und er muss Gas geben: Jede Minute mit dem Riesen-Insekt zählt.

 

In unserer neuen Serie "So funktioniert das" laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein, einen Blick hinter die Kulissen von Alltagsdingen zu werfen. Jeder weiß, was eine Mühle ist - aber wie genau wird Korn zu Mehl? Wir gehen gerne ins Freibad - aber wie wird das Wasser sauber gehalten? Wie wird aus Wasser Sprudel? Wie werden Glocken gesteuert? Solche Fragen wollen wir beantworten.


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