Bremen: Zweigeteilter Stadtstaat mit Meerzugang
Der Hafen beeinflusst die Entwicklung der Schwesterstädte Bremen und Bremerhaven seit Jahrhunderten.

Drei Stadtstaaten hat Deutschland: Berlin, Hamburg und Bremen. Letzteres ist mit gut 410 Quadratkilometern das kleinste Bundesland und bildet gemeinsam mit der Stadt Bremerhaven den einzigen Zwei-Städte-Staat der Republik. Die Verbindung der Schwesterstädte, die durch etwa 60 Kilometer Niedersachsen von einander getrennt sind, reicht bis ins Jahr 1827 zurück. Weil die Bremer Kaufleute ihren direkten Zugang zur Nordsee erhalten wollten, die Weser aber zunehmend versandete, kaufte Bremen dem Haus Hannover ein Stück Land an der Geestemündung ab. Wo der Fluss Geeste in die Weser fließt, entstand zunächst ein Seehafen und schließlich dann die Stadt Bremerhaven.
Jeder kennt die Bremer Stadtmusikanten

Wofür steht Bremen? Von den Bremer Stadtmusikanten aus dem Volksmärchen der Gebrüder Grimm dürfte beinahe jeder schon einmal gehört haben. Seit 1953 huldigt eine Bronzeplastik des Bauhaus-Künstlers Gerhard Marcks an der Stirnseite des Rathauses den vier berühmten Tieren.
Die Verschuldung des Stadtstaates ist ebenfalls fast legendär. Laut Statistischem Bundesamt liegen die Bremer bei der bundesweiten Pro-Kopf-Verschuldung deutlich an der Spitze - mit einem Wert von 57 823 Euro für 2020. Auch Armut ist ein Thema, mit dem das Land seit Jahrzehnten zu kämpfen hat, vor allem in Ortsteilen wie Gröpelingen, die als klassische Quartiere für Werftarbeiter galten und die seit den 1980er-Jahren stark vom Strukturwandel betroffen sind.
Die Kinderarmut in Bremerhaven ist die höchste der Republik

Bremerhaven mit seinen 113 000 Einwohnern hat die höchste Kinderarmut in ganz Deutschland. Mehr als 14 Prozent der Menschen hier sind arbeitslos. Besonders prekär ist die Situation im Stadtteil Lehe: Hier ist jeder Dritte ohne Arbeit, jedes zweite Kind wächst in Armut auf. Lehe machte in der Vergangenheit Schlagzeilen als "Deutschlands ärmster Stadtteil", doch inzwischen hat auch hier eine vorsichtige Gentrifizierung begonnen. Künstler und junge Menschen ziehen in das Viertel, Gründerzeitbauten erstrahlen in neuem Glanz.
Die Daten sind eher ernüchternd. Und sie stehen in starkem Kontrast zu dem touristischen Bild, das die beiden Städte abgeben. Die Bremer Innenstadt mit ihrem Unesco-Welterbe Rathaus und Roland, dem majestätischen St. Petri Dom und den eindrucksvollen Bürgerhäusern rund um den Markplatz legt heute noch Zeugnis ab vom Einfluss und der wirtschaftlichen Stärke, die die Hansestadt einst besessen haben muss. Entspanntes maritimes Flair gibt es dagegen im Viertel um den Neuen Hafen in Bremerhaven. Bei den "Maritimen Tagen" im August waren hier prächtige Segelschiffe aus aller Welt zu bewundern.
Außergewöhnliche Dichte an Top-Museen mit grandioser Architektur

Was beide Städte verbindet, ist die Dichte an Top-Museen mit außergewöhnlicher Architektur und modernen, interaktiven Konzepten. Bremerhaven schmückt sich mit dem Klimahaus, dessen Anblick an ein Boot erinnert. Entlang des 8. Längengrades gehen Besucher darin auf virtuelle Weltreise und erleben die Klimazonen der Erde beim Durchqueren von fünf Kontinente und neun Orte. Nicht minder beeindruckend ist das in direkter Nachbarschaft gelegene Deutsche Auswandererhaus.
Die Seestadt war einer der größten Auswanderungshäfen des 19. und 20. Jahrhunderts. Mehr als 7,2 Millionen Menschen starteten von hier aus ihre Reise in neue Welten. Das preisgekrönte Erlebnismuseum erzählt reale Geschichten von Auswanderern. Dieses Eintauchen in die Leben der Migranten macht den Besuch im Auswandererhaus so fesselnd. Mit den beiden Museen sind die Ausflugsziele lange nicht erschöpft. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum oder der Zoo am Meer ergänzen die Liste.
Der Universum Science Center ist ein Erlebnismuseeum ähnlich der Heilbronner Experimenta

In Bremen ist ein Besuch des Universum Science Center Pflicht, ein naturwissenschaftliches Erlebnismuseum ähnlich der Heilbronner Experimenta. Schon die äußere Form ist ein absoluter Hingucker. Je nach Standort und Wetter erinnert das silbrig glänzende Etwas an einen Wal oder eine leicht geöffnete Muschel. Die Entwürfe für Klimahaus und Science Center stammen beide vom Bremer Architekt Thomas Klumpp.
Die Gegensätze und Brüche machen die Städte so spannend
Was bleibt vom Stadtstaat Bremen? Der Eindruck zweier Städte, deren wechselvolle Geschichte man ihnen deutlich ansieht. Die gerade wegen ihrer Gegensätze und Brüche so spannend sind. Mit "gediegener Weltoffenheit" umschreibt ein Stadtführer die Mentalität der Bremer. Eine Haltung, die man auch als Touristin noch heute spürt.
Zur Autorin
Für Valerie Blass war es die erste Begegnung mit Bremen. Die Serie "Unser Land" zu den deutschen Bundesländern endet mit dem heutigen 16. Teil.
Serie "Unser Land"
BTW21: Serie "Unser Land"
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Berlin: Pralles Leben, trotz der Narben
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Sachsen: Goldriesling, Neinerlaa & Pfefferkuchen
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Rheinland-Pfalz: Zwischen Mosel und Rhein fließt der Wein
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Baden-Württemberg: Der Neckar verbindet das Land
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Thüringen: Zwischen Geschichtsbewustsein und Naturverbundenheit
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Hessen: Mittendrin in den Gegensätzen
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Bayern: Wenn das Klischee zur Wirklichkeit wird
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NRW: Mehr als Karneval und Industrie
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Hamburg: Die Perle im hohen Norden
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Saarland: Das Herzstück Europas
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Niedersachsen: Küste, Heide, Moor und mehr
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Brandenburg: Grün, wasserreich und voller Kulturschätze
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Mecklenburg-Vorpommern: Mehr als nur die Ostseeküste
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Schleswig-Holstein: Der Norden bietet für jeden etwas
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