Bayern: Wenn das Klischee zur Wirklichkeit wird
In der Serie unser Land stellen wir Bayern vor. Der Freistaat verbindet Wirtschaftsstärke mit Traditions- und Brauchtumspflege. Der Spruch von "Laptop und Lederhose" wird hier sehr erfolgreich gelebt.

Das Klischee lebt: Beim Stichwort Bayern denken die meisten Menschen an prachtvolle Berge, idyllische Seen und gut gelaunte Menschen in Tracht, die Bier trinken und Weißwurst zuzeln. Das typische Bayern-Bild entstand freilich schon Mitte des 19. Jahrhunderts, als König Maximilian II. das Land regierte. Dass dieses Bild mit der Realität in Würzburg, Bamberg oder Nürnberg nur wenig gemein hat, stört offenbar nicht. "Der Mythos Bayern wurde ganz bewusst geschaffen, um das heterogene Land zusammenzuführen", sagt Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte.
Das bekannte Bayern-Bild wurde bewusst geschaffen

Bayern als Klischeeprodukt, mit dem sich auch die Franken, Schwaben und Oberpfälzer identifizieren können, auch wenn sie im Land eine gewisse Rivalität zu den dominierenden Oberbayern pflegen. Diese Klischees, die von der traumhaften Landschaft und den Märchenschlössern Ludwigs II. mit reichlich Leben gefüllt werden, haben Bayern weltweit berühmt gemacht und locken Jahr für Jahr Millionen in- und ausländische Touristen in das südöstliche Bundesland.
Für Geschichtsexperte Wolf ist dieser Mythos einer der Hauptgründe für das "sehr starke bayerische Sonderbewusstsein", das er dem Land attestiert. Der zweite Grund ist staatlich-politischer Natur. Bayern ist deutlich älter als die Bundesrepublik Deutschland, entsprechend ausgeprägt ist der Stolz auf Geschichte und Traditionen. Schon im Königreich Bayern (1806 bis 1918) sei es durch eine effektive Verwaltung gelungen, die unterschiedlichen Regionen zu einer Einheit zu formen, erläutert Wolf. Auch die Tatsache, dass Bayern schon immer ein Verfassungsstaat war, hat ihm zufolge dazu geführt, dass die Menschen diesen Staat angenommen und sich mit ihm identifiziert haben.
Entwicklung vom Agrarstaat zum modernen Industrieland

Erleichtert wurde ihnen diese Identifikation freilich vom wirtschaftlichen Aufschwung, den das Land bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte. "Bayern wandelte sich von einem Agrarstaat zu einem modernen Industriestaat und verband dies mit Traditions- und Brauchtumspflege", sagt der Historiker. Dieses Erfolgsrezept goss der damalige Bundespräsident Roman Herzog 1998 in die berühmte Formel "Laptop und Lederhose".
In vielen Bereichen steht der Freistaat an der Spitze in Deutschland
Die Erfolge des Freistaats sind unbestritten. Seit Bayern 1987 vom Nehmerland zum Geberland geworden ist, zahlt es am meisten in den Länderfinanzausgleich ein - 2020 waren es 7,77 Milliarden Euro. Ob Arbeitslosigkeit, Bruttoinlandsprodukt, Tourismus, Pro-Kopf-Einkommen oder Bildungsniveau - stets ist Bayern in der Spitzengruppe zu finden. Das gilt erst recht für den Fußball, wo der FC Bayern seit Jahrzehnten die Bundesliga fast nach Belieben dominiert.

Diese vom Rest der Republik oft als Arroganz ausgelegte "Mia san mia"-Mentalität des erfolgreichsten deutschen Fußballvereins gilt auch für die CSU. In Bayern haben die Christsozialen quasi ein Abo auf das Ministerpräsidentenamt - seit 1957 stellt die Partei ununterbrochen den Regierungschef. Von 1962 bis 2008 und von 2013 bis 2018 regierte die CSU mit absoluter Mehrheit, die Markus Söder jedoch verlor und sich die Macht nun mit den Freien Wählern teilen muss.
Die CSU als letzte wirkliche Volkspartei
Dennoch gilt vielen die CSU als letzte echte Volkspartei, die es schafft, ein weites Meinungsspektrum abzudecken und im Bierzelt genauso zu Hause ist wie in der Bayerischen Staatskanzlei. Gemäß der Vorgabe des damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß von 1986 - "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben" - ist es den Christsozialen gelungen, rechtspopulistische Parteien wie die Republikaner in den 1980er Jahren oder nun die AfD klein zu halten.
Für das Kanzleramt reicht es (noch) nicht

Die machtbewusste CSU traut es sich seit jeher zu, nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland zu regieren. Daran ändern die Niederlagen von Franz-Josef Strauß bei der Bundestagswahl 1980 und Edmund Stoiber 2002 nichts.
Markus Söder suchte in diesem Frühjahr den offenen Wettkampf mit CDU-Chef Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur - und musste trotz guter Umfragewerte zurückziehen. In der Heimat ist der Franke dennoch oder gerade wegen seines Verbleibs in Bayern beliebt. Zumal Söder es geschafft hat, die bayerische Erfolgsformel "Wirtschaftskraft und Traditionspflege" um das aktuelle Gewinnerthema Klimaschutz zu erweitern.
Zum Autor
Jürgen Paul macht seit seiner Kindheit immer wieder Urlaub in Bayern. Die besondere Kombination aus Bergen und Wäldern, Seen und Flüssen, Kultur und Lebensart sorgen dafür, dass Bayern mit seinen unterschiedlichen Regionen nie langweilig wird. Nächster Serienteil von "Unser Land": Nordrhein-Westfalen
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