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Thüringen
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Thüringen: Zwischen Geschichtsbewusstsein und Naturverbundenheit

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Aus unserer Serie: "Unser Land": Das Land Thüringen war die erste demokratische Neugründung in der deutschen Geschichte. Heute punktet der Freistaat mit zahlreichen Weltkulturerbestätten, seinen touristischen Angeboten und einer großen Gastfreundlichkeit.

Grün soweit das Auge reicht. Wer auf dem Baumkronenpfad im Naturpark Hainich hoch in den Wipfeln steht, genießt einen einzigartigen Blick über einen urtümlichen Buchenwald. Unweit der geografischen Mitte Deutschlands präsentiert sich das beinahe unberührte Unesco-Weltnaturerbe als atemberaubende Flora und Fauna, die im Schatten der Teilung Deutschlands entstanden ist. Denn der Wald südlich von Mühlhausen im Nordenosten des Freistaates Thüringen war jahrzehntelang militärisches Sperrgebiet nahe der hessischen Grenze. Seit 1997 ist der Hainich Nationalpark.

Die besondere Verbindung von Naturverbundenheit und Geschichtsbewusstsein ist den Thüringern eigen. Das zeigt sich derzeit auf der Bundesgartenschau, die bis Oktober in der Landeshauptstadt Erfurt gefeiert wird. In einem Park, in dem 1865 die Ur-Bundesgartenschau stattfand und in dem vor 60 Jahren sozialistische Länder ihre eigene Gartenbauausstellung organisierten. Hallen, Beete und Pavillons zeugen von DDR-Vergangenheit und gleichzeitig von weltoffener Gastfreundlichkeit.

Die Bundesgartenschau findet derzeit in Erfurt statt. Foto: Ochs
Die Bundesgartenschau findet derzeit in Erfurt statt. Foto: Ochs  Foto: Ochs, Tanja

Mindestens elf Kuchen zum Familienfest

Denn die sagt man den Thüringern ebenso nach wie eine ausgeprägte Heimatverbundenheit. Wer zwischen Eisenach und Altenburg, Nordhausen und Sonneberg einkehrt, kann von Klößen und deftigen Fleischgerichten berichten oder aber von köstlichen Blechkuchen in schier unendlicher Zahl. Nur eine Sorte kommt der Thüringer Hausfrau nicht auf den Tisch. Mindestens elf Sorten muss sie backen können, heißt es - wer bei Familienfesten weniger auftischt, gilt als geizig. Dabei werden die Rezepte gerne variiert - ein Überbleibsel jener Zeit, als Zutaten nicht immer verfügbar waren und man verbackte, was es eben in der Kaufhalle gab.

Thüringen, das 1920 als erste demokratische Landesneugründung der deutschen Geschichte aus sieben kleinen Republiken entstanden ist, wurde in der DDR in die drei Bezirke Gera, Erfurt und Suhl aufgeteilt. Nach der Wende 1990 gründete sich das Bundesland erneut, mit dem stolzen Begriff Freistaat im Namen als Reminiszenz an seine freien Bürger.

Geschichte ist überall präsent

Deutsche Geschichte ist auch sonst überall präsent, die Kulturstätten sind in Thüringen dicht gesät. Vom monumentalen Dom zu Erfurt über das Kyffhäuserdenkmal bis zum Bauhaus in Weimar. Allein dort, wo Denker wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller lebten, zählen 16 Objekte zum Welterbe. Das bekannteste jedoch thront weiter östlich hoch über Eisenach: Die Wartburg, Zuhause der Heiligen Elisabeth und Schauplatz des sagenhaften Sängerkriegs, schaffte es als erste deutsche Burg auf die Unesco-Liste.

 Foto: privat

Vom Burgfried schweift der Blick weit ins Grün, über die Höhen des Thüringer Waldes, hinab zum ältesten und meistbegangenen Weitwanderweg Deutschlands, dem Rennsteig. Unten in der Stadt wurde Johann Sebastian Bach geboren, sein Geburtshaus ist noch immer zu besichtigen. Eisenach erinnert auch an politische Geschichte wie das Burschenschaftstreffen oder die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im 19. Jahrhundert.

Vorbild für Neuschwanstein

Aber vor allem ist die Stadt berühmt für Junker Jörg. So nannte sich Martin Luther, als er sich neun Monate in der Burg versteckte und dort die Bibel übersetzte. Die Wartburg erzählt von 1000 Jahren deutscher Geschichte. Märchenkönig Ludwig II. wählte sie als Vorbild für sein Neuschwanstein aus und baute den Festsaal originalgetreu nach. Im Eisenacher Palas verabschiedete der Thüringer Landtag 1993 feierlich die Verfassung des Freistaats.

Erster Linker-Ministerpräsident

Damals unter einem CDU-Ministerpräsidenten. Bis 2014 stellte die Partei die Mehrheit im Parlament, regierte zunächst mit der FDP, später mit der SPD. Seit 2014 sitzt in der Erfurter Staatskanzlei der erste Ministerpräsident der Partei Die Linke als Chef einer Minderheitsregierung. Im Februar 2020 verlor er vorübergehend das Amt, als FDP-Landeschef Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Nach bundesweiten Protesten trat er zurück, Ramelow wurde wieder gewählt. Vorgezogene Landtagswahlen sind im September geplant, am 19. Juli soll über den Antrag zur Selbstauflösung des Parlaments entschieden werden. Sicher ist dabei nur eins: Thüringen bleibt grün - ganz unpolitisch betrachtet - soweit das Auge reicht.

Zur Autorin

Tanja Ochs ist in Thüringen aufgewachsen und verbindet mit ihrer Heimat Familie, Natur und Bratwurst. 1993 war sie als Abiturientin dabei, als auf der Wartburg die Verfassung des Freistaates verabschiedet wurde.

 

 
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