Stimme+
Niedersachsen
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Niedersachsen: Küste, Heide, Moor und mehr

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Zwischen Nordsee und Mittelgebirge lebt ein besonderer Menschenschlag. Was ist typisch niedersächsisch? Unser Portrait über das Bundesland zeigt, es gibt in diesem Facettenreichtum nur wenige Gemeinsamkeiten.

Der Pilsumer Leuchtturm direkt am Nordseedeich wurde durch die „Otto“-Filme bekannt. Foto: dpa
Der Pilsumer Leuchtturm direkt am Nordseedeich wurde durch die „Otto“-Filme bekannt. Foto: dpa  Foto: Ingo_Wagner

Es ist gar nicht so einfach, etwas Typisches für ganz Niedersachsen auszumachen. Zu groß sind doch die Unterschiede, was Landschaft und Leute angeht.

Ganz im Norden, wo die Nordsee heranbrandet, Inseln und Wattenmeer alljährlich zigtausende Touristen anziehen, lebt mit den Ostfriesen schon mal ein ganz besonderer Menschenschlag. Hier sind die Ortsschilder manchmal zweisprachig, und auf den kleineren Landstraßen wird schon mal vor Boßeln gewarnt – einer Art rustikales Freiluft-Boccia. Und hier wird Schwarzer Tee getrunken, nach einer festen Zeremonie, nur echt mit Kluntjes und Wölkje.

Moore, Wiesen, Weiden, aber keine hohen Berge

Im Westen prägen Moorlandschaften, Wiesen und Weiden die Regionen. Rund um Cloppenburg und Vechta befindet sich einer der landwirtschaftlichen Schwerpunkte Deutschlands. Nicht umsonst hat der Mähdrescher-Hersteller Class hier seinen Firmensitz. In Richtung Hannover wird es hinter dem Urstromtal von Weser und Aller hingegen sandig, hügelig und bewaldet – auf den Kuppen der Lüneburger Heide ziehen Schafe ihre Bahn, rund um Soltau-Fallingbostel prägt Militär die dünn besiedelte Gegend. Kein Wunder, dass hier das Deutsche Panzermuseum steht. Unweit davon können auch Flachlandtiroler Ski fahren – in Bispingen steht eine Ski-Halle direkt an der Autobahn. Hohe Berge sind im Norden schließlich Mangelware.

In der Lüneburger Heide werden auch heute noch die Heidschnucken zur Landschaftspflege eingesetzt. Foto: dpa
In der Lüneburger Heide werden auch heute noch die Heidschnucken zur Landschaftspflege eingesetzt. Foto: dpa  Foto: Ingo_Wagner

Südlich von Hannover wachsen immerhin Mittelgebirge empor, gekrönt vom Harz, jener historischen Bergbauregion, die mit dem Rammelsberg eines der ältesten Weltkulturerbe Deutschlands aufzuweisen hat. Wobei inzwischen auch das "Oberharzer Wasserregal", eine geniale Entwässerungseinrichtung der Bergleute, in die Liste aufgenommen worden ist.

Verschiedene Landschaften bringen unterschiedliche Charaktere hervor

Zwangsläufig hat dieses Bundesland mit derart unterschiedlichen Landschaften auch ganz unterschiedliche Charaktere hervorgebracht. Die Braunschweiger bewahrten sich lange ihre Selbstständigkeit als Herzogtum und Freistaat, die Oldenburger blieben als friesische Sturköppe ebenso lange unabhängig als Großherzogtum und Freistaat, während Hannover erstmals 1814 einen König bestellen durfte – heute säße der schlagfertige Welfe Ernst August auf diesem Thron –, ehe die Preußen den Staat 1866 annektierten.

Das Bergwerk Rammelsberg gehört zum Weltkulturerbe. Foto: Fritze
Das Bergwerk Rammelsberg gehört zum Weltkulturerbe. Foto: Fritze  Foto: Fritze

Direkte Folge dieser unterschiedlichen Wurzeln ist auch eine Vielfalt an Landesmuseen: Oldenburg hat eins, Hannover hat eins und Braunschweig gleich drei. Hinzu kommt noch ein Landesmuseum in Emden, das diesen Titel aber vor allem trägt, weil es am übergreifendsten die Geschichte und Kultur von Ostfriesland behandelt.

Reiten hat eine lange Tradition

Was also ist typisch niedersächsisch? Vielleicht die Pferde: Reiten hat eine große Tradition, das typische Niedersachsenhaus trägt an den Enden der gekreuzten Giebelbalken Pferdeköpfe – und im Landeswappen springt das weiße Sachsenross auf rotem Grund. Annika Beckmann, Sprecherin der Braunschweiger Landesmuseen, könnte sich am ehesten noch den Grünkohl als einigende Klammer vorstellen. "Man nennt ihn zwar je nach Landschaft anders, aber man isst ihn überall", sagt sie. "In Oldenburg ist er ein Muss." Dort wird er mit Pinkel serviert, einer groben Grützwurst, weiter im Südosten mit Bregenwurst. Vielerorts wird jedes Jahr der Kohlkönig gekrönt – das Szepter ist ein Strunk Grünkohl.

Der Stahlkocher Salzgitter ist einer der großen Konzerne des Landes. Foto: dpa  Foto: Ingo_Wagner

Ansonsten wird es aber schwierig mit den Gemeinsamkeiten. "Zwischen Küste und Harz liegt einiges", meint Annika Beckmann. Schützenfeste vielleicht: Das weltgrößte wird in Hannover gefeiert, aber auch viele kleinere Orte haben solch einen Traditionstermin im Kalender.

Otto Waalkes und die Ostfriesenwitze

Immerhin – regionale Animositäten bestehen nicht. "Höchstens wird die Nachbarstadt argwöhnisch beäugt", erzählt Annika Beckmann. Da bezeichnen die Braunschweiger Hannover auch schon mal despektierlich als Peine-West, die Hannoveraner Braunschweig als Peine-Ost. Aber auch wenn die Ostfriesenwitze legendär sind – mit Otto Waalkes hat es einer von ihnen zur Kultfigur und Pionier der deutschen Comedy gebracht. Sein "Otto Hus" in Emden ist eines der wenigen Museen, die einem Künstler schon zu Lebzeiten gewidmet sind. Und so schaut der Ottifant aus der Fassade am Kai der nordwestlichsten deutschen Hafenstadt, rollen die Boßel-Kugeln über Straßen und Feldwege und fressen sich Schafe über die Hügel der Heide.

Zum Autor

Heiko Fritze ist jedes Jahr in Niedersachsen. Seine Eltern wuchsen in Einbeck auf, Verwandtschaft lebt quer über das Bundesland verstreut – und einmal im Jahr Urlaub in Ostfriesland ist Pflicht. Klar, dass er lieber Tee als Kaffee trinkt. Nächster Serienteil von "Unser Land": Brandenburg

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben