Hamburg: Die Perle im hohen Norden
In der Serie "Unser Land" stellen wir Hamburg vor. Die Hanseaten lieben das Understatement und ihr Tor zur Welt an der Elbe.

Die schönste Stadt der Welt? Was ist das überhaupt für eine Frage, denkt sich der Hamburger und schüttelt irritiert den Kopf. Schon im Kindergarten lernt der Nachwuchs, dass natürlich Hamburg "die schönste Stadt der Welt" ist. Über alle Musikgenres und Jahrhunderte hinweg wurde die Hansestadt beispielsweise via Seemanns-Chor bis Hip-Hop als die einzige wahre Stadt besungen. Nirgendwo sonst gibt es so viele Lieder, die die Schönheit oder sonstigen Vorteile wie bei der Metropole im Norden emotional anpreisen. Und seltsamerweise scheint sich dieser Hamburg-Stolz auch auf die Zugezogenen, die sogenannten Quiddjes, zu übertragen. "Hier ist es einfach gut", sagt Gastronom Thomas Nast, der vor 21 Jahren vom Main in Frankfurt an die Alster zog. "Anders als in Berlin, wo die Schwaben Schwaben bleiben, assimiliert man sich in Hamburg schnell."

Allerdings erkennt der Hesse, der in den Stadtteilen Eimsbüttel und Ottensen die Literaturcafés und Bars "Mathilde" führt, auch klare Wesensmerkmale der Hamburger: "Nach einer Lesung mit 100 Besuchern, bei der geklatscht und gejubelt wurde, steht in der Pause doch jeder für sich an der Theke", stellt Nast fest. "Nicht aus Unhöflichkeit, ganz im Gegenteil." Es handele sich mehr um eine höfliche Distanziertheit. Und ja, manchmal trifft auch die den Norddeutschen allgemein unterstellte Kühle zu. Zutreffender ist aber, dass die Hamburger Mentalität vielseitig, bunt und lebensbejahend ist und somit den kosmopolitischen, liberalen Vibe unterstreicht, der die Stadt auszeichnet.
Die Elbe als pulsierende Ader Hamburgs ist wirtschaftlicher Hotspot und Urlaubsort zugleich. Besucher der Strandperle, eines kleinen Terrassenlokals direkt am Övelgönner Strand, lieben die Hafenromantik. Immerhin nimmt der Hafen auch fast ein Zehntel des gesamten Stadtgebiets ein. Die Kräne am Containerterminal ragen höher in den Himmel als der Michel. So wird die St.-Michaelis-Kirche, die auch gerne mal als der schönste barocke Kirchenbau des Nordens bezeichnet wird und ein echtes Wahrzeichen der Stadt ist, liebevoll genannt.
Liebe zum Heimathafen

Hamburg ohne Hafen ist so unvorstellbar wie Berlin ohne das Brandenburger Tor. Der Hafen gilt als "Tor zur Welt". Mehr als 20.000 Schiffe laufen pro Jahr Hamburg an – über die 104 Kilometer lange Verbindung vom offenen Meer. Die asiatischen Länder sind die wichtigsten Handelspartner der Hansestadt, allen voran China, Singapur, Japan und Südkorea. Dass diese Umstände die Stadt und die Menschen geprägt haben, ist für den Historiker Gerrit Menzel vom Internationalen Maritimen Museum ganz unbestritten. Das 2008 eröffnete Schifffahrtsmuseum befindet sich übrigens im historischen Kaispeicher B in der Speicherstadt. "Was heute die Faszination Weltraum ausmacht, war früher die Seefahrerei", erklärt Gerrit Menzel. Und mag auch die Liebe zum Heimathafen Hamburg groß sein, so verspürt man bis heute beim Blick auf die Elbe den Drang danach, einfach auf eines der dröhnenden Schiffe aufzuspringen und fortzuschippern.
Auch wenn die Hamburger für ihr Understatement bekannt sind, ein paar Superlative dürfen nicht fehlen: 2500 Brücken überspannen die Hamburger Flüsse und Kanäle. Mehr als alle Brücken von Amsterdam und Venedig zusammen. HH, wie das Autokennzeichen von Hamburg lautet, ist die zweitgrößte Metropole Deutschlands. Mehr als 100 Märkte gibt es wöchentlich. Darunter auch den längsten Markt Europas, den Isemarkt. Mit der Davidwache auf St. Pauli gibt es hier die älteste noch aktive Polizeiwache der Welt – gegründet 1840. Hamburg war und ist ein guter Ort für Musik. Bach, Mendelssohn Bartholdy, Brahms und Mahler agierten an der Elbe. Die Beatles starteten ihre Weltkarriere auf St. Pauli und nach New York und London ist Hamburg weltweit die wichtigste Musicalmetropole, mit jährlich Millionen von Besuchern. Mit einem Durchschnittsalter von 42,3 Jahren (2015) ist die Hansestadt die jüngste im Lande. Und doch voller Traditionen. Weshalb auch Einrichtungen wie das Ohnsorg-Theater mit Stücken auf Plattdeutsch bis heute bestehen. Und wie sang die Volksschauspielerin Heidi Kabel so schön? "In Hamburg sagt man Tschüss – das heißt auf Wiedersehen!" Und so kehren alle immer wieder gerne in die schönste Stadt der Welt zurück.
Zur Autorin
Milva-Katharina Klöppel ist eine richtige Hamburger Deern. Unverständlich ist bis heute für viele ihrer Freunde, wie sie ihren Heimathafen jemals verlassen konnte. Wer ihr Herz erobern möchte, bringt ihr übrigens ein Franzbrötchen mit.
Serie "Unser Land"
BTW21: Serie "Unser Land"
-
Berlin: Pralles Leben, trotz der Narben
-
Sachsen: Goldriesling, Neinerlaa & Pfefferkuchen
-
Rheinland-Pfalz: Zwischen Mosel und Rhein fließt der Wein
-
Baden-Württemberg: Der Neckar verbindet das Land
-
Thüringen: Zwischen Geschichtsbewustsein und Naturverbundenheit
-
Hessen: Mittendrin in den Gegensätzen
-
Bayern: Wenn das Klischee zur Wirklichkeit wird
-
NRW: Mehr als Karneval und Industrie
-
Hamburg: Die Perle im hohen Norden
-
Saarland: Das Herzstück Europas
-
Niedersachsen: Küste, Heide, Moor und mehr
-
Brandenburg: Grün, wasserreich und voller Kulturschätze
-
Mecklenburg-Vorpommern: Mehr als nur die Ostseeküste
-
Schleswig-Holstein: Der Norden bietet für jeden etwas
-
Bremen: Zweigeteilter Stadtstaat mit Meerzugang