Gastro-Sterben in Heilbronn: Diese beliebten Lokale sind verschwunden
Nicht nur im ländlichen Raum ist ein Kneipensterben zu beobachten. Auch in Heilbronn haben in den vergangenen Jahren Lokale, Kult-Kneipen und Cafés geschlossen. Ein Blick zurück mit Wehmut.

Im Juni 2021 eröffnete „Ins Spätzle" in der Lohtorstraße. In wenigen Wochen schließt die Gaststätte für immer. Viel Frust hat sich angehäuft – auch gegenüber Stadtverwaltung und der Heilbronn Marketing Gesellschaft.
Doch nicht nur die Corona-Pandemie und andere Faktoren haben für Umbrüche in der Heilbronner Gastro-Szene gesorgt, wie ein Blick auf vergangene Schließungen zeigt.
2023: Beichtstuhl

Für viele Heilbronner war er eine Institution: der Beichtstuhl in der Fischergasse 9. Im Herbst 2023 gingen im Feinschmecker-Lokal für immer die Lichter aus. Koch und Geschäftsführer Fabian Lidak hatte den Pachtvertrag gekündigt und sich beruflich neu orientiert.
Lidak, der zuvor Sous-Chef im Wald und Schlosshotel Friedrichsruhe war, hatte das Lokal nach zweieinhalb Jahren Leerstand Ende 2018 neu eröffnet. Zuvor hatte Koch Rainer Liebe den Beichtstuhl von 2010 bis 2016 geführt. Nach längerem Leerstand ist in der Räumlichkeiten zwischen Stadtgalerie und Oberer Neckarstraße wieder Leben eingezogen. Anfang Juni öffnete die Knödelstube mit böhmisch-tschechischer Küche und besonderer Bierkultur. Betrieben wird das neue Lokal von Irena und Zdenek Prokop, die in Heilbronn bereits das Craftelicious führen.“
2023: Café Roth schließt – Heilbronn verliert nächste traditionsreiche Konditorei

Nicht nur Speiselokale, sondern auch Cafés sind in den vergangenen Jahren aus dem Stadtbild verschwunden. Seit 1919 gehörte die Konditorei Roth mit Café in der Lohtorstraße zur Stadt. Im Sommer 2023 endete die Ära. Lisa Kühner, hatte das renommierte Café in der Lohtorstraße im Mai 2020 inmitten der Corona-Pandemie von den langjährigen Betreibern Wolfgang und Elke Roth übernommen. Doch Kühner hat sich inzwischen gastronomisch umorientiert.
Heilbronn hatte einst eine hohe Café- und Konditoreien-Dichte, in den 1990er Jahren gab es pro 11.000 Einwohner ein Café, der übliche Durchschnitt lag damals bei 16.000 Einwohnern. Zu den ältesten Konditoreien Deutschlands gehörte das Romann. Der Betrieb wurde 1696 gegründet, bestand bis in die neunte Generation und wurde 2014 geschlossen.
Viele weitere bekannte Namen von Cafés und Konditoreien sind aus der Heilbronner Innenstadt verschwunden, etwa Noller, Herrenbauer, Janssen, Reinecker, Krauss, Blum, Kienle, Gerock oder Gussmann. Zu den klassischen Konditoreien in der Innenstadt zählt heute noch das Kaffeehaus Excellent im Käthchenhof (früher Maitre Münch).
2022: Piccolo Mondo in Sontheim sagt Ciao
Das Piccolo Mondo sagte nach 43 Jahren leise Ciao – so titelte die Heilbronner Stimme am 1. März 2022 über die Schließung des italienischen Restaurants. Luigi Rapisarda, Koch aus Leidenschaft, und seine Frau verabschiedeten sich im Februar 2022 in den Ruhestand.
Der Sizilianer kam 1971 nach Deutschland, eröffnete 1979 in Sontheim das Piccolo Mondo und machte damit gehobene italienische Küche in Heilbronn bekannt. Neben Klassikern wie Pizza und Lasagne bot er edle Fischgerichte, Risottos und ausgefallene Pastavariationen an – stets mit saisonalen Produkten.
Großen Wert legte Rapisarda auch auf Wein: 2010 absolvierte er eine Sommelier-Ausbildung und lagerte edle Tropfen im eigenen Weinkeller. Über vier Jahrzehnte hinweg entstand so ein treues Stammpublikum, das die Qualität, das stilvolle Ambiente und den aufmerksamen Service schätzte. Einen Nachfolger suchten die Rapisardas nicht – das Gebäude bewohnen sie selbst.
2022: Weinstube Braun im Heilbronner Osten

Die Traditionsgaststätte Braun in der Einsteinstraße hatte im März 2022 ein letztes Mal geöffnet – nach 70 Jahren. Ein Weiterbetrieb war an städtischen Auflagen gescheitert.
Die Weinstube im Heilbronner Osten, in der unter anderem schon der erste Bundespräsident Theodor Heuss zu Gast war und sogar Elvis mal gerüchteweise gastiert hatte, sowie die angrenzenden alten Gebäude des Weingutes Braun wurden abgebrochen und durch einen Kita-Neubau ersetzt.
Die beliebten Speisen – sowohl schwäbische als auch thailändische – gibt es aber weiterhin in der Stadt. Wirtin Lamduan Bokkaew hatte nach dem Abschied die Weinstube Weingand in der Weinsberger Straße übernommen.
2020: Les Trois Sardines – Gourmet-Gaststätte in der Mönchseestraße

Wieder geht ein Kapitel Heilbronner Lokal-Historie zu Ende – so titelte die Heilbronner Stimme am 24. September 2020 über die Schließung des Gourmetlokal Les Trois Sardines in der Heilbronner Mönchseestraße. Ein Projektentwickler hatte die Immobilie an der Mönchseestraße 57 gekauft.
Das ehemalige Traditionslokal Silberne Kanne, 1894 gegründet, bot ab 1998 als Les Trois Sardines feine französische Küche. Daniela Schick, Hotelfachfrau, Köchin, Hotelmeisterin und Hotelbetriebswirtin hatte das Lokal nach ihren Wanderjahren durch die Top-Gastronomie und -Hotellerie 1998 als 31-Jährige übernommen und zu einer Adresse für Freunde der gehobenen südfranzösischen Küche umgewandelt.
2018: Kernerhöhe (Hessersbeck) – Kult-Lokal am Friedhof

Der überraschende Tod des beliebten Wirts Lothar Hesser hatte zur Schließung der Kernerhöhe geführt. Das Lokal, das im Heilbronner Volksmund "Hessersbeck" genannt wurde, war der Gegenentwurf zur Systemgastronomie, ein Relikt aus einer scheinbar vergangenen Zeit. Hier trafen sich Menschen aus allen Schichten auf ein Viertele, Bier oder Tellerschnitzel. Lothar Hesser war ein Wirt vom alten Schlag und trotz – oder gerade wegen seiner launigen, teils auch sehr höflichen Art – sehr beliebt.
In Besitz der Familie Hesser war das Lokal 1919 durch Lothars Hessers Großeltern Karl und Lydia gekommen. Der gastronomische Ehrentitel Beck rührte aus den Tagen, als in dem Haus noch eine Bäckerei angesiedelt war.
Da aus dem Kreis der Angehörigen niemand das Lokal weiterführen wollte, war das endgültige Aus besiegelt. Auf dem Grundstück an der Wollhausstraße in Heilbronn ist nach dem Abriss im Herbst 2020 ein neues Mehrfamilienhaus entstanden.
2016: Spazz – Nach 16 Jahren in der Sülmer-City ist Schluss

Im November 2016 gingen im Heilbronner Lokal Spazz in der Sülmer City die Lichter aus. Das Spazz war seit 2000 von der Barfüßer Gastronomie-Betriebs GmbH mit Sitz in Ulm betrieben worden. Wirtschaftliche Gründe hatten zu der Entscheidung geführt.
Nach der Schließung hatte die Enchilada-Gruppe die Räumlichkeiten übernommen und das Lokal „Wilma Wunder“ in Heilbronn eröffnet. Nach nur dreieinhalb Jahren war im Juli 2020 schon wieder Schluss. Die Entscheidung sei bereits vor der Corona-Krise gefallen, teilte die Enchilada Franchise GmbH damals mit.
Inzwischen betreibt der Heilbronner Gastronom Babak "Babi" Samangi sein Lokal Blackbones Steakhouse & Bar in der Immobilie neben dem Hafenmarktturm.
2014: Haus des Handwerks

Mit dem Umbau der Handwerkskammer Heilbronn-Franken (HWK) im Jahr 2015 war auch das Ende der Heilbronner Traditionsgaststätte Haus des Handwerks besiegelt. Die Gaststätte wurde nach der Eröffnung des Kammergebäudes 1950 eröffnet.
Die Brandschutzmaßnahmen, die beim Umbau des Kammergebäudes an der Allee 76 umgesetzt werden müssten, seien derart umfangreich und teuer, dass sich ein Erhalt der Gaststätte nicht lohne, begründete die HWK den Schritt. Zudem sei es nicht gelungen, das Restaurant kostendeckend zu führen, hieß es.
Ende 2014 endete der Pachtvertrag mit Küchenmeister Klaus Möhle, der das Restaurant zuvor acht Jahre geführt hatte.
2014: Gaststätte Kircher

Die urige Gaststätte Kircher, neben der Kernerhöhe und der Weinstube Braun eine beliebte Adresse im Heilbronner Osten, befand sich bis Herbst 2014 in der Jägerhausstraße.
Die Familie Stiefel hatte in den Nachkriegsjahren ein Gebäude mit einem Lebensmittelladen und einem Getränkeausschank errichtet. Ende der 1950er Jahre wurde aus dem Getränkeausschank eine richtige Gaststätte. Ende der 1960er Jahre übernimmt Manfred Kircher, von Beruf Koch, das Haus und führt das Lebensmittelgeschäft und die Gaststätte weiter. Die Schließung des Jägerhaus-Krankenhauses – und damit eine fehlende Kundschaft – läutete das langsame Sterben des Ladens ein. Aber die Gaststätte mit dem kleinen Biergarten blühte auf und mauserte sich zu einer In-Kneipe mit schwäbischer Küche.
Inzwischen befinden sich an der Stelle des ehemaligen Lokals sowie auf benachbarten Flächen sechs Wohnhäuser.
2010: Schlachthof-Gaststätte in Heilbronn: Vom Traditionslokal zur Schule
Mit dem Verkauf der Schlachthof-Gaststätte im Jahr 2010 endete nach sechs Jahrzehnten ein Stück Heilbronner Gastronomiegeschichte. Das Lokal in der Frankfurter Straße (beim Hauptbahnhof) wurde 1950 von Gertrud Altmannshofer gegründet, 1971 von ihr und ihrem Mann Max übernommen und entwickelte sich zu einer beliebten Adresse für Vereine und Stammtische.
2008 ging das 5550 Quadratmeter große Schlachthof-Areal an die Akademie für Kommunikation, 2012 zog dort die Monte Sole Realschule ein. Seit 2018 nutzt sie auch die ehemaligen Gasträume – heute als Klassenräume und Mensa. Erhalten blieb der steinerne Ochsenkopf am Giebel als Erinnerung an die frühere Nutzung.

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