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Traditionslokal in Heilbronn geschlossen: Als in der Schlachthof-Gaststätte die Küche kalt blieb

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Ende 2010 gingen in der Heilbronner Schlachthof-Gaststätte für immer die Lichter aus. Fast vier Jahrzehnte lang hatte die Gastronomie-Familie Altmannshofer hier Gäste bedient. Warum nicht noch länger?

Die Schlachthof-Gaststätte in Heilbronn anno 1986 (links) und heute.
Die Schlachthof-Gaststätte in Heilbronn anno 1986 (links) und heute.  Foto: Stadtarchiv Heilbronn (links), HSt-Archiv (rechts), Montage: Stimme.de

Mit dem Verkauf der Schlachthof-Gaststätte auf dem Heilbronner Schlachthof-Areal in der Frankfurter Straße zwischen Theresienwiese und dem Alten Milchhof verschwand 2010 auch ein Stück Heilbronner Gastro-Geschichte, die ab der Nachkriegszeit von der Familie Altmannshofer mitgeschrieben wurde. 

Gertrud Altmannshofer hatte 1950 das einst legendäre Lokal "Zur Theresienwiese" neben dem Theresienturm (früher General-Wever-Turm) eröffnet. 1965 pachtete sie die einen Steinwurf entfernte städtische Gaststätte Schlachthof. Das Lokal wurde von 1945 bis 1959 von Christian Schaich und von 1960 bis 1965 von Luise und Karl Schaich geführt. 1971 erwarben Max und Gertrud Altmannshofer die heute zum Teil unter Denkmalschutz stehende Immobilie, in dem sich neben der Speisegaststätte auch Hotelzimmer befanden.


Schlachthof-Gaststätte in Heilbronn mit treuen Stammgästen

Im Laufe der Jahre etablierte sich das Lokal in der Bahnhofsvorstadt zu einer beliebten Adresse und zog ein treues Stammpublikum an. In den Gasträumen trafen sich auch regelmäßig Vereine, Verbände und Stammtische, angefangen von den VfR-Altenkameraden, den Horten-Pensionären, der Bundesbahn, dem Fischereiverein, den Pommern bis hin zum Schnauzerclub. Aber auch Verkaufs- und Infoveranstaltungen diverser Unternehmen wurden in den Gasträumen abgehalten, wie ein Blick ins Stimme-Archiv zeigt.

Trotzdem hatte sich Oliver Altmannshofer, der das Lokal in dritter Generation führte, "schweren Herzens" für einen Verkauf der Gaststätte entschieden. Als im Jahr 2007 beschlossen wurde, auf dem Schlachthof-Areal eine Privatschule zu integrieren, sah er keine Zukunft mehr für einen Weiterbetrieb. "Man sieht das Lokal dann doch gar nicht mehr", gab er im Jahr 2010 Stimme-Redakteur Joachim Friedl zu verstehen.

Schlachthof-Gaststätte in Heilbronn: Heute ein Lernort für Realschüler

Das 5550 Quadratmeter große Schlachthof-Areal war 2008 von der Stadt an die Akademie für Kommunikation (AfK) verkauft worden. 2012 startete der Schulbetrieb – zunächst in zwei Altbauten sowie in einem Neubau, ab 2018 zusätzlich in der ehemaligen Schlachthof-Gaststätte. Wo früher Gäste bedient wurden und Hotelgäste untergebracht waren, befinden sich seitdem Klassenräume der Monte Sole Realschule.

Einen Bezug zur Gastronomie gibt es aber noch heute: Im Erdgeschoss – hier waren früher Gasträume, Theke und Küche untergebracht – befindet sich heute die Schulmensa. Und an die einstige Nutzung erinnert noch ein steinerner Ochsenkopf am Giebel des kernsanierten Gebäudes. 


Kulturdenkmal Heilbronner Schlachthof

Der Schlachthof wurde ab 1880 in mehreren Abschnitten nach Entwürfen des städtischen Hochbauamtes errichtet. Schon während der Bauzeit sorgte er in Fachblättern überregional für Aufsehen. Laut Denkmalamt stellt er ein „selten gewordenes Dokument einer kommunalen Fleischverarbeitungseinrichtung des späten 19. Jahrhunderts dar“. 

1993 wurden in den alten Hallen die letzten Rinder zur Schlachtbank geführt. Danach fanden in den Räumen Partys, Flohmärkte und regionale Bauernmärkte statt. Ab 2002 ließ die Stadt den Großteil der Hallen abreißen, auch der 48 Meter hohe Schornstein verschwand aus dem Stadtbild. Lediglich drei als Kulturdenkmal ausgewiesene Gebäude an der Frankfurter Straße 83 und 85 blieben vom Abriss verschont: die Gaststätte, die Großviehschlachthalle sowie ein Büro- und Wohngebäude, in dem vor der Umwidmung das Veterinäramt untergebracht war.

Auch wenn das Gebäude nicht mehr als Schlachthof-Gaststätte genutzt wird, zählt es zu einem der am besten erhaltenen Gebäude dieser Art aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Der Außenbau wird wirkungsvoll gegliedert mit Sandsteinverblendungen, der Bauschmuck zeigt Formen der Neorenaissance. Weitere bedeutende historische Schlachthaus-Gaststätten gibt es unter anderem in Karlsruhe (1885) und in Stuttgart-Gablenberg (1902). 


Serie "Wisst ihr noch?"

In unserer Serie "Wisst ihr noch?" werfen wir einen Blick zurück auf ehemalige Heilbronner Kult-Lokale. Weitere Serienteile folgen in unregelmäßigen Abständen. 


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Kommentare

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Thomas Künzel am 13.03.2024 12:35 Uhr

In der Frankfurter Straße 85 bin ich Jahrgan 1960 aufgewachsen. Wir haben bei Altmannshofer viele schöne Familienfeste gefeiert. Mit den "kleinen" Altmannshofer sind wir aufgewachsen. Es gibt einige Annekdoten zum Hotel. Auch der Bayernverein hatte sich in den Räumen getroffen. Auch deren Feste waren legendär. War eine schöne Zeit. Leider ist sie vorbei. Wäre schön wenn es irgend eine Möglichkeit gäbe dort wieder ein Lokal zu etablieren.
Thomas Künzel

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