Emil Beutinger: Großer Architekt und aufrechter OB
Der Planer des Heilbronner Schwabenhauses und anderer stilbildender Gebäude wurde vor 100 Jahren zum Oberbürgermeister gewählt: Emil Beutinger.

Württembergs erstes Krematorium auf dem Heilbronner Hauptfriedhof, die Lauffener Portland-Zementwerk-Verwaltung, die Böckinger Grünewaldschule, etliche Villen, Mehrfamilienhäuser und Kaufhäuser: Der vor genau 100 Jahren zum Heilbronner Oberbürgermeister gewählte und spätere Ehrenbürger Emil Beutinger (1875-1957) sowie sein Kollege Adolf Steiner (1888-1944) haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts etliche, teils stilprägende Gebäude gebaut.
In Heilbronn sind neben Schwabenhaus, Grünewaldschule und Krematorium nur wenige Wohn- und Geschäftshäuser erhalten: Böckinger Straße 98, Wilhelmstraße 17, Werderstraße 138, Südstraße 80/82 und Rosskampffstraße 4, wobei hier kurioserweise nur die Jugendstil-Fassade von Beutinger stammt, ursprünglich stand die Vorderfront nämlich an der Kaiserstraße 46.
Hoch gelobter Architekt
Seine Projekte wurden vielfach publiziert, sie galten als mustergültig. Die Fachzeitschrift "Der Profanbau" stellt 1907 eine größere Auswahl des in Heilbronn und Darmstadt angesiedelten Büros Beutinger und Steiner vor. Das Blatt lobt die Architekten "für die liebevolle Durcharbeitung aller Einzelheiten, für die Auswahl der Materialien, für die Zusammenstimmung in Form und Farbe mit der Umgebung, mit dem eigenen Gelände und Garten wie mit der Nachbarschaft".
Gebürtiger Heilbronner Vordenker
Der Sohn eines Graveurs der Silberwarenfabrik Bruckmann lernte zunächst Steinmetz, um danach in Darmstadt und Berlin Architektur zu studieren. Bald verfasste Beutinger selbst Bücher über Bauplanung und Baukalkulation und wurde Herausgeber der Zeitschrift "Der Industriebau". Mit anderen Vordenkern aus Heilbronn war er auch Mitglied in dem von Peter Bruckmann gegründeten, zeitweise von Theodor Heuss als Geschäftsführer geleiteten, Deutschen Werkbund sowie von 1913 bis 1921 Direktor der Kunstgewerbeschule Wiesbaden. Am 17. Juli 1921 wurde der parteilose, aber von der SPD unterstützte Architekturprofessor, der sich selbst einen "Demokraten aus Überzeugung" nannte, mit 72 Prozent der Stimmen zum OB seiner Heimatstadt gewählt und 1931 sogar mit 85 Prozent wiedergewählt.
Von Nazis als OB abgesetzt
In seiner Amtszeit widmete sich OB Beutinger besonders der städtebaulichen Entwicklung und dem Ausbau von Durchgangsstraßen. Großprojekte waren etwa der Baustart am Kanalhafen, Straßenbahn, Schlachthof, Milchversorgung und das stadtgeschichtliche Museum. 1933 drängten ihn die Nazis aus dem Amt Braune Schläger attackierten sein Wohnhaus.
Erster OB nach dem Krieg
1945 wurde der 69-Jährige von der US-Militärregierung wieder zum OB bestellt, kurzzeitig auch zum Landrat. Emil Beutinger setzte bis 1946 Impulse zum Wiederaufbau und engagierte zwei Bürgermeister: Paul Meyle, der als Prokurist bei Knorr tätig war und 1948 nach Paul Metz selbst OB wurde, sowie den ehemaligen KZ-Häftling und Kommunisten Walter Vielhauer.

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