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Heilbronn
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Wieder geht ein Kapitel Heilbronner Lokal-Historie zu Ende

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Das 1894 gegründete Heilbronner Traditionslokal Silberne Kanne bot zuletzt als Les Trois Sardines feine französische Küche. Nun schließt das Restaurant. Ein Kapitel Lokal-Historie endet.

Das Lokal Silberne Kanne wurde wie die benachbarte Silberwarenfabrik Bruckmann 1894 gebaut. 1944 zerstört, feierte man 1948 die Wiedereröffnung.
Fotos: privat
Das Lokal Silberne Kanne wurde wie die benachbarte Silberwarenfabrik Bruckmann 1894 gebaut. 1944 zerstört, feierte man 1948 die Wiedereröffnung. Fotos: privat  Foto: Krauth, Kilian

Der große antiquierte Wandspiegel wirkt wie ein Fenster in die Vergangenheit. Das Nebenzimmer der ehemaligen Traditionsgaststätte Silberne Kanne, die 1894 gegründet und vor 22 Jahren zum französischen Gourmetlokal Les Trois Sardines verfeinert worden war, gleicht einem Flohmarkt. In der Ecke Kartons mit Weingläsern, auf den Tischen Karaffen, Teller, Platten, Salzstreuer, Besteck, alles, was zu einer gehobenen Gastronomie dazugehört, aber auch Exotisches und Erklärungsbedürftiges.

"Das ist Spezialkreide, die staubt nicht, für die Tafel an der Kegelbahn", weiß Daniela Schick. Dann deutet sie auf eine exotische Kiste mit Elefantenmotiv. "Die kommt aus Indien und wurde zum Beistelltisch umfunktioniert", erklärt die 52-Jährige und knipst das eingebaute Lichtlein an.

Daniela Schick und ihre Mutter Sonja Schoch schreiten durch die menschenleeren Gasträume. "Ja, ein bisschen hat man schon ein komisches Gefühl", sagt die Mutter. Senior Eberhard Schoch (79) sitzt an einem großen runden Tisch, streift über die Tischdecke und nippt an einem Fläschchen alkoholfreiem Bier. Er wirkt traurig. Neben ihm steht ein Rollator. Nach einer Herz-OP hat für ihn ein neuer Lebensabschnitt begonnen.

Neue Heimat Bahnhofsvorstadt

Eberhard Schoch eröffnete an der Mönchseestraße 57 im Jahr 1977 das erste privat betriebene Hallenbad Heilbronns. Schon 1965 gingen zwei Kegelbahnen in Betrieb.
Eberhard Schoch eröffnete an der Mönchseestraße 57 im Jahr 1977 das erste privat betriebene Hallenbad Heilbronns. Schon 1965 gingen zwei Kegelbahnen in Betrieb.  Foto: Krauth, Kilian

"Wir schauten uns nach einer betreuten Wohnung um und sind in der Bahnhofsvorstadt fündig geworden", berichtet Ehefrau Sonja (77). Dabei sei man mit dem Projektentwickler, der Betz Baupartner GmbH aus Asperg, ins Gespräch gekommen. Er machte der Familie das Angebot, ihre Gaststätte an der Mönchseestraße 57 und weitere fünf Häuser auf dem 38 Ar großen Areal zu kaufen. Was er daraus macht, sei völlig offen.

Tochter Daniela Schick und Ehemann Andreas ziehen in ein von der Uroma geerbtes historisches Jahrhundertwende-Gebäude, ebenfalls in der Bahnhofsvorstadt. Während ihr Mann sowieso einem anderen Hauptberuf nachgeht, konzentriert sich Daniela Schick künftig auf ihre halbe Stelle im Bürgerhaus Böckingen, bietet ihre Kochkünste aber weiterhin als Caterer an.

Top-Adresse für französische Küche

Die Tochter des Hauses, Daniela Schick, machte aus der schwäbischen Wirtschaft 1998 das französische Feinschmecker-Lokal Les Trois Sardines.
Foto: Archiv/Veigel
Die Tochter des Hauses, Daniela Schick, machte aus der schwäbischen Wirtschaft 1998 das französische Feinschmecker-Lokal Les Trois Sardines. Foto: Archiv/Veigel  Foto: Veigel

Die Hotelfachfrau, Köchin, Hotelmeisterin und Hotelbetriebswirtin hatte das Lokal nach ihren Wanderjahren durch die Top-Gastronomie und -Hotellerie 1998 als 31-Jährige übernommen und zu einer Adresse für Freunde der gehobenen südfranzösischen Küche umgewandelt. "Für Stammgäste und Vereine war das natürlich ein harter Schnitt", berichtet sie. Doch bald wussten immer mehr Gourmets die feine Küche zu schätzen, die zuletzt noch punktuell an bestimmten Tagen besondere Menüs anbot.

Stammgästen der neuen Generation, wie etwa Gerhard Schmidberger, blutet das Herz. Als Trostpflaster haben sich Daniela und Andreas Schick von ihnen an drei Abenden verabschiedet. Dabei hatten die treuen Kunden auch Zugriff auf ausgediente Gastro-Utensilien, wobei das meiste vom 1. bis 4. Oktober, 15 bis 19 Uhr, bei einem kleinen Flohmarkt vor Ort öffentlich zum Verkauf angeboten wird. Womöglich findet sich darunter noch Silberbesteck, das wenige Meter vom Lokal entfernt gefertigt worden war?

Anne Schoch in der Bruckmann-Kantine

Daniela Schick schließt ihr Top-Restaurant, das zuvor die Eltern Sonja und Eberhard Schoch in zweiter Generation mit viel Herzblut geführt hatten.
Foto: Mario Berger
Daniela Schick schließt ihr Top-Restaurant, das zuvor die Eltern Sonja und Eberhard Schoch in zweiter Generation mit viel Herzblut geführt hatten. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Die Gaststätte Silberne Kanne wurde 1894 tatsächlich zeitgleich mit der Silberwarenfabrik Bruckmann gebaut, die damals von der Altstadt heraus in die prosperierende Gegend im Bereich Lerchenstraße/Mönchseestraße aussiedelte, dorthin, wo heute das Landratsamt steht. Eberhard Schoch erinnert sich, wie seine Mutter Anne in der Bruckmann-Kantine als Köchin angestellt war. Vater Karl hatte das Lokal 1938 als gelernter Konditor übernommen. Der Name Silberne Kanne spielte wie das benachbarte Lokal Silbersee auf die Silberfabrik an. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört. Karl Schoch fiel in Stalingrad. Doch schon 1948 konnte seine damals 37-jährige Ehefrau Anne mit Unterstützung von Freunden das Lokal nach dem Wiederaufbau neu öffnen. 1958, nach der Lehre in Frieder und Marianne Webers "Kronprinz" am Bahnhofsvorplatz, stieg Sohn Eberhard ein.

Das erste private öffentliche Hallenbad

Das typisch schwäbische Wirtshaus florierte. "Damals trank mancher noch zehn Viertele", berichtet Schoch. Bald kaufte er ein Nachbarhaus, baute alles komplett um, installierte 1965 zwei Kegelbahnen und 1977 das erste privat betriebene Hallenbad Heilbronns, plus Sauna und Solarium. "Da schlafe ich derzeit", lässt Daniela Schick einfließen, wohl bis Ende 2020, dann kommen die Möbelpacker.

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