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Wo es für Radfahrer in Heilbronn gefährlich wird

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Radrouten gibt es in Heilbronn viele. Doch nicht alle sind ungefährlich und bequem für Radfahrer. Wir sind mit dem Heilbronner Volker Geis vom Fahrradclub ADFC durch die Stadt gefahren und haben neuralgische Punkte aufgespürt.

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Mit dem Fahrrad ist Volker Geis, 57 Jahre, fast jeden Tag unterwegs. "Das Fahrrad muss als gleichwertiges und ernstzunehmendes Verkehrsmittel wahrgenommen werden", sagt er. Foto: Donauer
Mit dem Fahrrad ist Volker Geis, 57 Jahre, fast jeden Tag unterwegs. "Das Fahrrad muss als gleichwertiges und ernstzunehmendes Verkehrsmittel wahrgenommen werden", sagt er. Foto: Donauer  Foto: Christoph Donauer

"Eigentlich sind wir hier schon mittendrin", sagt Volker Geis, während der Feierabendverkehr über die Heilbronner Allee röhrt. Geis ist Sprecher des Radverkehrsclubs ADFC beim Kreisverband Heilbronn und soll uns bei einer Stadttour gefährliche Stellen für Radfahrer zeigen.

Jetzt blickt er die Allee hinunter, auf vier Fahrspuren und breite Fußwege. Die Fahrradfahrer habe man beim Umbau vor neun Jahren vergessen. "Sie müssen sich als Radfahrer irgendwie durchmogeln." Zwar dürfe man auf dem Gehweg radeln, das provoziere jedoch Konflikte mit Fußgängern. "Fußgänger und Radfahrer werden gerne gegeneinander ausgespielt", sagt Geis. "Weil man sich nicht traut, dem Autoverkehr Platz wegzunehmen."

Dass sich auf der Allee, einer der Hauptverkehrsachsen Heilbronns, etwas ändert, glaubt er nicht. "Ideal wäre eine kombinierte Bus- und Radspur. Oder man führt Tempo 30 ein, dann braucht man keine Radspur."

Für die nächste Station fahren wir auf den Schutzstreifen am Wollhaus und am Amtsgericht vorbei Richtung Südbahnhof. Auf der Wilhelmstraße müssen Rechtsabbieger über den rot markierten Radstreifen fahren. Nicht ganz ungefährlich, doch inzwischen stehen hier Warnmarkierungen. "Das ist eine Stelle, die beobachtet und entschärft wurde", merkt Geis an.

"Der Radfahrer sucht sich seinen Weg"

Rathenauplatz: Hier kommt der Gegenverkehr für Radfahrer auf der rechten Seite. Für Volker Geis eine eher verwirrende Verkehrsführung. Foto: Donauer
Rathenauplatz: Hier kommt der Gegenverkehr für Radfahrer auf der rechten Seite. Für Volker Geis eine eher verwirrende Verkehrsführung. Foto: Donauer  Foto: Christoph Donauer

In der Charlottenstraße steigt er von seinem gelben Fahrrad ab und zeigt auf die Fahrradstreifen vor dem Edeka-Markt. Der linke führt entlang der Fahrbahn den Hang hinunter. Kurios findet er den rechten Streifen, auf dem Radfahrer den Berg hochfahren sollen. "Damit rechnen Sie nicht", erklärt Geis. Die Verkehrsführung findet er wenig gelungen und nimmt selbst immer eine Abkürzung zwischen den Häusern, wie er zugibt.

Auch die geschwungenen Markierungen zum Linksabbiegen, wie es sich die Planer vorgestellt haben, nutzt an diesem Tag niemand. Stattdessen prüfen zwei Radfahrer, ob die Fahrbahn frei ist und lassen sich über eine Verkehrsinsel auf die gegenüberliegende Straßenseite rollen.

Geis muss lächeln. "Der Radverkehr sucht sich immer seinen Weg." Früher verlief der Radstreifen mal auf dem Bereich des Gehwegs. Damals sei die Ausfahrt beim Edeka ein Unfallschwerpunkt gewesen. "Das hat man zum Glück geändert."

Viel diskutierter Schutzstreifen an der Karlstraße

Gymnasiumstraße: Wenn Autofahrer unachtsam ihre Tür öffnen, drohen schwere Unfälle für Radfahrer, die Richtung Kreissparkasse fahren. Aus der Gegenrichtung rät Geis, Blickkontakt mit Fahrern zu suchen. Foto: Donauer
Gymnasiumstraße: Wenn Autofahrer unachtsam ihre Tür öffnen, drohen schwere Unfälle für Radfahrer, die Richtung Kreissparkasse fahren. Aus der Gegenrichtung rät Geis, Blickkontakt mit Fahrern zu suchen. Foto: Donauer  Foto: Christoph Donauer

Vom Rathenauplatz geht es stadteinwärts, vorbei an der Kreissparkasse, wo neue Pfeiler das Parken von Autos auf dem Schutzstreifen verhindern. In der Gymnasiumstraße findet Geis den Radstreifen nicht optimal, da unachtsame Fahrer beim Öffnen ihrer Tür vorbeifahrende Radler gefährden könnten. "Man hat aber in der Regel Sichtkontakt, dann ist es kein allzu großes Problem."

Deshalb geht es weiter Richtung Karlstraße. Bisher verlief der Radweg hier abseits der Straße, vorbei an den Motorhauben der parkenden Autos. Bis die Stadt die neuen Schutzstreifen markierte, die nun auf der Straße vor den Parkplätzen vorbeiführen. Die Verschiebung hatte bei Stimme-Lesern für Kritik gesorgt.

"Der Grundsatz ist: Radfahrer sollen ins Sichtfeld des Verkehrs. Das soll sicherer sein", erklärt Geis. Besonders an den Einmündungen sei der frühere Schutzstreifen zu weit hinten verlaufen, Autofahrer sahen vorbeifahrende Fahrräder womöglich zu spät. Die neuen Streifen verlaufen entlang des Bordsteins, wodurch für Autofahrer mehr Zeit bleibt, den Radler zu sehen. "Grundsätzlich ist das eine gute Sache."

Wenn das Heck im Weg ist

Ganz zufrieden ist der Radfahrer-Fürsprecher jedoch nicht: "Die Parkplätze sind hier das Problem. Man fährt direkt dahinter vorbei. Wenn ein Radfahrer schnell fährt, ist es kaum möglich, ihn zu sehen." Gravierender ist das Problem noch im Bereich der östlichen Karlstraße: Hier verdunkelt der Schatten zahlreicher Bäume die Sicht.

Östliche Karlstraße: Weil lange Autos, Lieferwagen und Anhängerkupplungen den Schutzstreifen blockieren, sollten Radfahrer in der Mitte des Schutzstreifens fahren, rät Volker Geis. So sei man auch sichtbarer für Fahrer, die ausparken. Foto: Donauer
Östliche Karlstraße: Weil lange Autos, Lieferwagen und Anhängerkupplungen den Schutzstreifen blockieren, sollten Radfahrer in der Mitte des Schutzstreifens fahren, rät Volker Geis. So sei man auch sichtbarer für Fahrer, die ausparken. Foto: Donauer  Foto: Christoph Donauer

Der ADFC hatte deshalb darauf gedrängt, dass Autos nur noch längs parken dürfen, wodurch Parkplätze weggefallen wären. Die Stadt hatte als Kompromiss die Bordsteine abgefräst, damit Autos weiter vorne parken. Besonders gut klappt das nicht, mehrere Autos ragen an diesem Tag mit ihrem Heck auf den Streifen, ein Radfahrer mit Gepäcktaschen weicht durch einen Schlenker aus. "Kommt noch eine Anhängerkupplung dazu, wird das gefährlich", sagt Geis. Er rät: "Fahren Sie in der Mitte des Streifens. Sie werden besser gesehen und Autofahrer werden nicht zum Überholen verleitet."

Daneben benehmen sich alle

Als Beweis dient für ihn die Moltkestraße. Dort sei die Fahrbahn zwischen Gehweg und Stadtbahn viel zu schmal, um Radfahrer mit dem vorgegebenen Mindestabstand von 1,50 Metern zu Überholen. "Es passiert natürlich trotzdem", sagt Geis. Für ihn ein generelles Problem: "Alle Verkehrsteilnehmer benehmen sich daneben. Bei Autofahrern nehmen wir es aber hin, statt uns darüber aufzuregen."

Oft erlebt der 57-Jährige, dass er angehupt wird, wenn er auf der Straße fährt. Dabei muss ein Radweg nur dann genutzt werden, wenn er mit einem blauen Schild als benutzungspflichtig gekennzeichnet wird. "Bei vielen Radfahrern fällt mir auf, dass sie ängstlich sind und zur Seite springen. Das erwarten die Autofahrer dann irgendwann von ihnen." Auch hier empfiehlt Geis, in der Mitte der Fahrbahn zu fahren. "Fahren Sie sichtbar und fahren Sie selbstbewusst!"

Entlang der Kaiserstraße will Volker Geis zum Bahnhof fahren. Wie man dorthin kommt, ist ab der Kreuzung an der Gerberstraße beim Käthchenhof nicht ganz klar: Auf der Straße? Auf dem Gehweg? Oder lieber durch eine Seitenstraße? Wir entscheiden uns für die Straße, passieren das Experimenta-Parkhaus und weichen dann nach rechts aus. "Hier ist wenig Platz, den Sie sich mit den Fußgängern teilen müssen. Das ist nicht optimal." 

Engstelle an der Neckarmeile

Als Ausweichroute für die schwer befahrbare Neckarmeile taugt die Badstraße laut Geis nicht. Unter anderem wegen solcher Engstellen wie hier beim Lehnerts, wo neben Radfahrern in beiden Richtungen noch Fußgänger unterwegs sind.
Als Ausweichroute für die schwer befahrbare Neckarmeile taugt die Badstraße laut Geis nicht. Unter anderem wegen solcher Engstellen wie hier beim Lehnerts, wo neben Radfahrern in beiden Richtungen noch Fußgänger unterwegs sind.  Foto: Christoph Donauer

Am Bahnhof angekommen geht es zurück bis zum Neckarturm. Wir steigen ab und werfen den Blick auf die Neckarmeile, die am frühen Nachmittag von Restaurantbesuchern bevölkert ist. Eigentlich verläuft dort ein Landesradweg, doch zwischen Radfahrern, Restaurantgängern und Gastronomie-Personal kommt es immer wieder zu Konflikten.

Volker Geis fährt dort inzwischen nicht mehr entlang, obwohl es der direkte Weg zu seiner Arbeitsstelle in der Experimenta wäre. "Die Ausweichroute ist keine Alternative", sagt er und schüttelt den Kopf. Die Stadtverwaltung lotst die Radfahrer seit Jahresbeginn nämlich über Götzenturmbrücke und Badstraße, vorbei an Neckarturm und Experimenta Richtung Bundesgartenschaugelände.

Doch die Route sei an mehreren Stellen zu eng, sagt Geis, etwa an den Neckarstufen beim Lehners Wirtshaus. "Zum anderen muss ich einen großen Umweg fahren, wenn ich zum Soleo will." Die Experimentabrücke sei für mehr Radfahrer und solche mit Anhänger nicht ausgelegt. Und eine Trasse am Neckar, wie sie diskutiert wurde, sei nicht bezahlbar. "Das ist absurd. Außerdem wären dort natürlich auch Fußgänger unterwegs."

Komplett fahrradfreundlich ist Heilbronn noch nicht

Volker Geis fährt auf dem Weg zur Arbeit inzwischen nicht mehr über die Untere Neckarstraße. Sein Vorschlag: Eine Alternativroute über die Fischergasse und die Gerberstraße.
Volker Geis fährt auf dem Weg zur Arbeit inzwischen nicht mehr über die Untere Neckarstraße. Sein Vorschlag: Eine Alternativroute über die Fischergasse und die Gerberstraße.  Foto: Christoph Donauer

Aus seiner Sicht wäre ein Umweg über die Fischergasse und die Gerberstraße die beste Lösung gewesen, wenn die Gerberstraße zur Einbahnstraße gemacht worden wäre. "Es bleibt aber ein Gegurke", sagt Geis. "Es gibt immer noch die Idee, die Gastronomie wieder auf eine Seite zu begrenzen." Ein Vorschlag, der sich jedoch kaum durchsetzen ließe, gibt er zu. "Die Gastronomie hat kein Interesse daran, dass dort ein Radweg entlangführt."

Am Ende der Tour stellt sich die Frage, ob Heilbronn eine Fahrradstadt ist – schließlich hat sie vergangenes Jahr die Auszeichnung "Fahrradfreundliche Kommune" erhalten. "Nein", sagt Geis trocken. "Sie ist auf dem Weg dahin."

Er wünscht sich den Mut, dem Rad mehr Platz als dem Auto einzuräumen. Die Denkweise, dass eine Stadt autogerecht sein müsse, sei nicht mehr zeitgemäß. Vor allem aber brauche es gegenseitigen Respekt, findet Geis: "Wir brauchen die Akzeptanz in der Bevölkerung, dass das Fahrrad ein gleichwertiges und ernstzunehmendes Verkehrsmittel ist."

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