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Heilbronn, eine Fahrradstadt?

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Ist Heilbronn ein gutes und sicheres Pflaster für Radfahrer? Da gehen die Meinungen auseinander. Unbestritten ist, dass die Stadt kräftig in die Radinfrastruktur investiert. Doch nicht jedem gefallen etwa die Schutzstreifen für Radler.

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Christiane Ehrhardt, Leiterin des Amts für Straßenwesen, und der städtische Radverkehrsbeauftragte Stefan Muth sprechen im Stimme.de-Interview über Erreichtes und Ziele.

Die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke sagte jüngst im Stimme-Interview, bei der Fahrradinfrastruktur sieht sie Deutschland international im unteren Mittelfeld. Wo verorten Sie Heilbronn im Bundesvergleich?

Christiane Ehrhardt: Heilbronn hat unheimlich aufgeholt und war vor 20 Jahren überhaupt keine Fahrradstadt und sehr automobilorientiert. Wir sagen selbstbewusst: Vorderes Mittelfeld.

Stefan Muth: Da kann ich so mitgehen. Der Radverkehr hat sich enorm entwickelt.

 

Christiane Ehrhardt leitet in Heilbronn das Amt für Straßenwesen
Christiane Ehrhardt leitet in Heilbronn das Amt für Straßenwesen

Wo sehen Sie die wesentlichen Verbesserungen der vergangenen Jahre?

Ehrhardt: Wichtig ist die Umsetzung des Radroutenkonzepts, das einem konsequenten Plan folgt und die Stadtteile erschließt anstatt auf punktuelle Verbesserungen zu setzen. Es wurde auch viel getan, um das sichere Abstellen von Rädern zu ermöglichen. Der Bau des Fahrradparkhauses am Hauptbahnhof ist ein zentrales Projekt für Pendler.

Muth: Die Radroute Süd ist fast fertig, bei der Radroute Nord ist der erste Bauabschnitt realisiert. Die Fahrradzone auf dem Buga-Gelände ist ein großes Thema. An der Route Ost gehen wir den zweiten Bauabschnitt an, der Radweg durchs Südbahnhofareal gehört ebenso zu den zentralen Verbesserungen wie Schutzstreifen an vielen Stellen in der Stadt.


Wo sehen Sie noch Lücken im Konzept?

Muth: Im Moment sind wir dabei, die westlichen Stadtteile Biberach, Frankenbach und Kirchhausen mit zu erschließen. Die Radroute Nordwest ist in Planung. Wir haben aber auch viele kleinere Lückenschlüsse, etwa die Hahnenäckerstraße in Biberach, die mit einem Schutzstreifen ausgestattet werden soll.


Sinnvolle Raumaufteilung oder trügerische Sicherheit: Was taugen die viel kritisierten Schutzstreifen am Straßenrand, etwa in der Wollhausstraße?

Ehrhardt: Wir schauen uns jedes Jahr die Unfallstatistik an. Da stellen wir fest: Dort, wo wir diese Schutzstreifen haben, gehen die Unfallzahlen zurück.

Stefan Muth, Heilbronns Radverkehrsbeauftragter.
Stefan Muth, Heilbronns Radverkehrsbeauftragter.

Muth: Forschungsberichte zeigen, dass gerade in Einmündungsbereichen der Schutzstreifen wesentlich sicherer ist. Wir arbeiten im Bestand und können keine Häuserfronten wegnehmen. Wenn wir keinen eigenständigen Radweg oder Radfahrstreifen unterbringen, realisieren wir lieber den Schutzstreifen als gar keine Radinfrastruktur, da letzterer für den Autofahrer wenigstens eine Signalwirkung besitzt. Der Schutzstreifen macht zudem die Fahrbahn optisch schmaler, dadurch fahren die Autofahrer nachgewiesenermaßen langsamer.

 

Was ist mit den Fahrradstraßen wie in der Badstraße? Hat sich das bewährt?

Muth: Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Sie werden immer besser angenommen. Aber klar, viele, die da mit dem Auto durchfahren, sind keine Anlieger. Da sind wir ein Stück weit machtlos. Wir sind aber dabei, die Fahrradstraßen noch deutlicher kenntlich zu machen. Außerdem wollen wir Schleichverkehr verhindern. Nach dem Umbau des Knotens Bismarck- und Oststraße wird man aus der Bismarckstraße nur noch hinausfahren können. So verringern wir den Abkürzungsverkehr zwischen Ost- und Wollhausstraße.

 

Trotzdem scheren sich viele Autofahrer nicht um Fahrradstraßen. Was kann man da tun?

Muth: Das ist auch eine Frage der Öffentlichkeitsarbeit. Niemand würde mehrere Hundert Meter mit dem Auto über einen Gehweg fahren. Genau das tut man, wenn man in einer Fahrradstraße fährt, das ist eigentlich ein Exklusivraum für Radler. Da müssen wir das Bewusstsein schärfen.

Ehrhardt: Die Novelle der Straßenverkehrsordnung hilft auch. Das Parken auf Radfahrstreifen ist richtig teuer geworden. Wir müssen das entsprechend kontrollieren und sanktionieren.

 

Die Novelle bedeutet auch: Eineinhalb Meter Abstand sind beim Überholen von Radfahrern Pflicht. In der eng bebauten Stadt heißt das …

Ehrhardt: ... genau, dass man eben nicht überholen darf und dahinter bleiben muss.

Muth: Gefühlt ist der Abstand beim Überholen schon größer geworden. Die Diskussion um die Straßenverkehrsordnung hat ihre Wirkung nicht verfehlt.

Ehrhardt: Grundsätzlich ist es ja auch so, dass durch bessere Angebote die Fahrräder präsenter werden. Dadurch steigt auch die Aufmerksamkeit. Es gibt Fahrradfahrer, die aggressiv einfordern, was sie für ihr Recht halten. Aber das sind ganz wenige und wird oft verallgemeinert.

 

Die große Feindseligkeit zwischen Autofahrern und Radlern gibt es aus Ihrer Sicht nicht?

Ehrhardt: Nein. Um die Konflikte zu entschärfen, arbeiten wir an der Infrastruktur. Dass man keine Häuser abreißen kann, um Radwege zu bauen, ist klar. Aber man muss dem Fußgänger und Radfahrer mehr Platz einräumen. Das hat auch mit Lebensqualität in der Stadt zu tun.

 

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