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Heilbronn setzt demonstrativ aufs Rad

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Die Stadt Heilbronn möchte Freiburg und Co. folgen und sich als "Fahrradfreundliche Kommune" zertifizieren lassen. Mit dem Logo sollen Bürger und Besucher angesprochen werden.

Von Christian Gleichauf
Das Fahrrad soll im Verkehrsmix der Stadt eine immer wichtigere Rolle spielen. Dazu möchte sich das Rathaus nun auch öffentlich bekennen.
Foto: Archiv/Berger
Das Fahrrad soll im Verkehrsmix der Stadt eine immer wichtigere Rolle spielen. Dazu möchte sich das Rathaus nun auch öffentlich bekennen. Foto: Archiv/Berger  Foto: Berger

Den wichtigsten Punkt nimmt der Radverkehrsbeauftragte der Stadt gleich vorweg: "Heilbronn ist keine typische Fahrradfahrerstadt", sagt Stefan Muth. Aber: Sie soll eine werden, und das soll auch öffentlichkeitswirksam dokumentiert werden. Der Bauausschuss des Gemeinderats beschloss am Dienstag einstimmig, dass sich Heilbronn um das Zertifikat "Fahrradfreundliche Kommune" bewirbt.

Motto: "Keine Gnade für die Wade"

Getan hat sich einiges in der Stadt in den vergangenen Jahren. Auf den großen Durchgangsstraßen in Frankenbach und Böckingen wurden Schutzstreifen für Radfahrer markiert, Radrouten wie die nach Süden über den Rathenau-Platz wurden eingerichtet, Baubürgermeister Wilfried Hajek hat am Götzenturm schon mehrfach persönlich die Radfahrer überrascht und ermutigt, dieses Verkehrsmittel weiter zu nutzen.

Und natürlich gab es in den vergangenen Jahren mehrere Aktionen, mit denen Pendler zum Umsteigen motiviert werden sollten, an vorderster Stelle das "Stadtradeln", das in Heilbronn in diesem Jahr vom 6. bis 27. Juli stattfindet. Das Motto hat Muth bereits ausgegeben: "Keine Gnade für die Wade!"

Prüfkommission kommt nach Heilbronn

Zur Grundvoraussetzung für eine Zertifizierung gehört, dass die Stadt den Anteil des Radverkehrs deutlich steigern muss. Dazu braucht es ein Konzept, das überprüft wird. Die Sicherheit spielt eine wichtige Rolle. Und nicht zuletzt die Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern. Hier spielen das Fahrradparkhaus und das geplante Radverleihsystem eine wichtige Rolle. Heilbronn hatte bereits das Stuttgarter System übernehmen wollen, muss nach Beschwerden anderer Anbieter aber selbst ausschreiben. Dies ist in Vorbereitung. Der Landkreis und die Stadt Neckarsulm wollen gemeinsame Sache mit Heilbronn machen.

Für den Vorstoß gab es Lob von allen Fraktionen. Für den Radtourismus, von dem die Stadt profitiere, biete das Zertifikat einen spürbaren Mehrwert, erklärte Tanja Sagasser-Beil (SPD). Gespannt sei sie auf die Anregungen, die von der Prüfkommission zu erwarten sind. Thomas Randecker (CDU) begrüßte das Logo als sichtbares Zeichen dafür, dass Heilbronn in diesem Bereich schon viel investiert habe. Aufpassen müsse man, dass solche Auszeichnungen nicht inflationär benutzt werden. Für Eva Luderer (Grüne) gibt es in der Stadt noch viel zu tun. Sie hoffe, "dass Heilbronn wirklich fahrradfreundlich wird".

Mehr zum Thema: Obwohl der Neckartalradweg vor dem Marrahaus und in Richtung Bollwerksturm vorbeiführt, müssen Zweiradfahrer künftig Schrittgeschwindigkeit fahren

 

Das Gegeneinander auf den Straßen wird thematisiert

Gottfried Friz (FDP) wie auch Wolfgang Palm (CDU) oder Fritz Kropp (FWV) wünschten sich klarere Hinweise der Stadt für die Verkehrsteilnehmer. So wüssten viele Autofahrer nicht, dass Schutzstreifen am Fahrbahnrand nur bei Bedarf überfahren werden dürfen, so Kropp. In der Fußgängerzone halte sich wiederum kein Radfahrer an die Schrittgeschwindigkeit, bemängelte Friz. Die Stadt könne für solche Regeln Infomaterial anbieten. "Fahrradfahrer sind nicht die Heiligen", betonte Palm.

Hajek reagierte auf die Krittelei unwirsch: "Ich weiß gar nicht, was das jetzt soll. Wir sollten doch versuchen, das Ganze positiv darzustellen."

Ein Logo als Auszeichnung

Einen Automatismus, dass dieses Zertifikat auch verliehen wird, gibt es nicht. Das Landesverkehrsministerium schickt dazu eine Prüfkommission für eine ganztägige Begutachtung nach Heilbronn. Vertreten sind in dieser Kommission etwa das Regierungspräsidium Stuttgart und der Fahrradclub ADFC. Nach einem positiven Votum verleiht der Verkehrsminister den Titel.

Als "Fahrradfreundliche Stadt" sind bisher ausgezeichnet: Freiburg, Karlsruhe, Offenburg (alle 2011), Heidelberg, Kirchheim u. T. (beide 2012), Tübingen (2014), Lörrach (2015) und Mannheim (2017). Das Zertifikat wird für fünf Jahre vergeben, dann kann eine Rezertifizierung erfolgen.

Bewerben können sich nur Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) in Baden-Württemberg. Heilbronn ist hier Gründungsmitglied, seit 2010 dabei. Verbunden mit dem Zertifikat ist die Berechtigung, das Logo für die Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden. Als Sachpreis gibt es eine Fahrradzählsäule. Sie liefert täglich Daten zum Radverkehr, die etwa in die Verkehrsplanung einfließen können. 

 

 

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Kommentare

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Gerd Hofmann am 05.04.2019 12:01 Uhr

... und wandelt daher demonstrativ einen Teil der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung zur Fußgängerzone um.
Ob das verlogen und heuchlerisch ist, muss jeder selber entscheiden. Eines steht jedoch fest: Das Wohl weniger Gastronomen ist der Stadt wichtiger als eine durchgängige und schnelle Radverbindung. Hajek & Co. zeigen ihr wahres Gesicht.

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Willi Ziffus am 05.04.2019 10:08 Uhr

Statt sich den Problemen zu stellen und sich um Ursachenlösungen zu bemühen, mal wieder seitens der Verantwortlichen im Rathaus, selbstherrlich ignorantes Anspruchsdenken an den Bürger, "man solle einfach alles positiv sehen."
So eine augenwischerische Einstellung trägt ganz sicher nicht mit dazu bei, dass Heilbronn wirklich eine fahrradfreundliche Stadt werden könnte, im Gegenteil, damit bewirkt man nur, dass sich die nicht fahrradfahrenden Bürger gegenüber Fahrradfahren die sich nicht an Regeln halten, immer unfreundlicher verhalten müssen und werden.
Obwohl das Fahrradfahren in Fussgängerzonen generell nur in Schrittempo erlaubt ist - so gut wie kein Fahrradfahrer hält sich daran. Fahrradfahrer auf reinen Fusswegen, die nur für Fussgänger erlaubt ist? In Heilbronn normale Realität.
Die Bürger sollten erwarten können, dass sie an die Vernunft der Verantwortlichen in der Stadtverwaltung apellieren und darauf vertrauen können. Zu Recht vorgebrachte Kritikpunkte aus der Bevölkerung aber einfach abschmettern, mit dem "Argument" dass man doch alles positiv sehen solle" ist an Unvernunft kaum noch zu überbieten.

Heilbronn könnte durchaus eine fahrradfreundliche Stadt werden, dazu bedarf es aber der Vernunft aller und allen voran eine Stadtverwaltung die sich kümmert und ihre Aufgabe nicht nur darin sieht "Fahrradspurlinien" auf Straßen aufmalen zu lassen.
Es bedarf Information und Aufklärung aller, aber auch Kontrollen und Information zu Regeln und dass man vertrauen kann, dass solche auch gelten, im Sinne aller für ein mögliches Miteinander.

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