Heilbronner Waldschänke verfällt immer mehr
Lost Place in Heilbronn: Die Waldschänke, einstiges Ausflugslokal im Köpfertal, verfällt zusehends. Gibt es doch noch Hoffnung für einen Neustart?

Die Waldschänke, einstmals traditionsreiches Ausflugslokal am Rande des Heilbronner Ehrenfriedhofs, verfällt immer mehr. Von der Gebäudewand blättert die Farbe ab, die Scheibe der Eingangstür zur einstigen Gaststube ist zersplittert. Die Fenster sind mit Span- und Metallplatten verschlossen. Das silberfarbene zweiflügelige Tor aus Metall, früher Zugang zur Außenterrasse, ist mit einer Kette verschlossen. Darüber hängt, von Grünspan überzogen, unscheinbar das Schild "Biergarten Waldschänke".

Wer den vorbeiführenden Köpferweg nutzt, sieht vom ehemals idyllischen Biergarten nichts mehr. Haselnuss, Ahorn, Primelweide, Buche und Esche verdecken den Blick. Wer den von Brombeeren und Brennnesseln überwucherten kleinen Trampelpfad wählt, steht vor dem Nichts. Die vormals gemütlichen Hütten sind verschwunden. Sie sind eingestürzt. Der Müll ist hinter dem Haus zu einem kleinen Berg aufgeschüttet. Nur zwei, drei gedrechselte Stützen aus braunem Holz liegen auf dem Boden. An bessere Zeiten erinnern eine Sat-Fernsehschüssel und eine TV-Antenne auf dem vermoosten Dach.
Geschichte der Waldschänke im Köpfertal
Die Geschichte der Waldschänke im Köpfertal reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Bald nach der Eröffnung der Militärschießbahnen im Gewann "Hörnlis" 1896 hatte ein namentlich nicht bekannter Wirt die Erlaubnis erhalten, dort einen Ausschank zu betreiben. Ob dort nur Soldaten oder auch Wanderer bedient wurden, ist nicht überliefert.

Die Wirtsleute vor 1945 waren Karl und Rosa Häberle. Bis zum Jahr 1975 wird die ehemalige Soldatenkantine von Karl Häberle als gefragte Vesper- und Weinstube geführt. 1975/76 übernimmt Gisela Hipp das bis heute in städtischem Eigentum befindliche urige Lokal. In jenem Jahr wird die neben der Kantine liegende Baracke, ehemals Waffenkammer und Pferdestall, zur neuen Waldschänke ausgebaut. Die 90 Quadratmeter bieten Platz für etwa 70 Gäste. Außerdem wird das wenig einladende Freiluft-WC durch eine neue Toilettenanlage ersetzt.
Damit wird ein Beschluss des Gemeinderats aus dem Jahre 1971 umgesetzt. Der damalige Oberforstrat Rolf Rau hatte sich dafür ausgesprochen, die "unschöne" Waldschänke hinter dem Ehrenfriedhof so umzugestalten, dass "sie einen Anziehungspunkt für die Bevölkerung darstellt".
2009 übernimmt Bertram Mielert die Waldschänke. Er hatte lange Jahre das "Caipirinha" und kurzzeitig das "Mielert"s" in der Heilbronner Innenstadt. Negativschlagzeilen macht das Lokal 2011. Wegen Streit ums Trinkwasser - der über 100 Jahre alte Brunnen war wegen Verunreinigungen geschlossen worden - treffen sich Mielert und der Bevollmächtigte von Hauptpächterin Gisela Hipp vor Gericht. Hipp lebt zwischenzeitlich in einem Heim.

Bis zur Urteilsverkündung behilft sich Mielert mit einem Wassertankwagen. Später urteilt das Gericht: Der Generalpächter muss die kostenlose Wasserversorgung wieder herstellen. In einer Nacht- und Nebelaktion wird die zum Vereinsheim der Kreisjägerschaft führende Wasserleitung der Stadtwerke Heilbronn widerrechtlich angezapft. Es kommt zum Zwist. Der Hahn wird wieder zugedreht. Noch heute sieht man die mehr oder weniger provisorisch zugeschüttete Leitungstrasse.
Rettungsaktion und Hilfsangebot verliefen im Sand
Seit dieser Zeit verfällt die Waldschänke. Eine Rettungsaktion des heutigen Heilbronner CDU-Bundestagsabgeordneten Alexander Throm verläuft ebenso im Sand wie ein Hilfsangebot der Gustav-Werner-Schule. Bei einer HSt-Umfrage sprechen sich 58 Prozent der 766 Teilnehmer dagegen aus, die Waldschänke mit Steuergeld zu erhalten.

Im Sommer 2017 tritt der Pforzheimer Unternehmer Wolfgang Scheidtweiler auf den Plan. Der Hotel- und Brauereibesitzer - unter anderem Palmbräu - zeigt Interesse, will aber erst sein Parkhotel-Projekt im Stadtgarten zu Ende bringen. Heute sagt er: "Ich habe dem OB bei der Einweihung des Hotels im Mai gesagt, die Stadt möge in die Pötte kommen. Sie muss sagen, was sie sich vorstellt." Der ehemalige Leiter des Liegenschaftsamts, Helmut Semenass, habe ihm 2019 die Waldschänke für einen Euro in Erbpacht angeboten: "Das war eine gute Lösung."
Eine Sanierung im jetzigen Zustand schließt Scheidtweiler aus: "Der Point of no Return ist überschritten." Vorstellen kann er sich aber, dass die Waldschänke "Wand für Wand und 1:1 erneuert wird und auch einzelne Elemente übernommen werden". Als Vorbild dient ihm das Blockhaus in Bad Teinach, das von ihm ebenfalls wieder zu blühendem Leben erweckt wurde. Über sein Engagement sagt er: "Ich finde den Ort schön."
OB: Für alles offen
„Wir sind im Gespräch“, sagt Oberbürgermeister Harry Mergel zu den Zukunftsplänen der Waldschänke. Er weiß aber auch um die Tatsache, dass das ehemalige Ausflugslokal in einem Naturschutzgebiet liegt und die baulichen Nutzungen deshalb eingeschränkt sind. Auch sei die
Ver- und Entsorgung nicht gesichert. Als ein weiteres mögliches Problem sieht er die Konkurrenzsituation mit den Biergärten beim Trappensee und beim Jägerhaus sowie mit dem Licht-Luft-Bad und der Gastronomie beim TC Heilbronn.
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