Tennis-Center Talheim: Wo der Geist der legendären Heilbronn Open weiterlebt
Tausende Menschen aus der Region strömten einst ins Tennis-Center Talheim, um bei den Heilbronn Open Weltklassetennis zu schauen und zu tanzen. Jetzt geht es hier gespenstisch zu.

Es knackt und knistert gespenstisch. Es muss die Sonne sein, die das Hallendach über den beiden Tennisplätzen wärmt und so für Spannung(en) sorgt. Oder es sind die Erinnerungen. An tosenden Applaus von 2000 Zuschauern. An spektakuläre Ballwechsel. An sensationelle Siege und krachende Niederlagen. Vor allem die Werbetafeln mit weißer beziehungsweise blauer Aufschrift erinnern an die glorreichen Zeiten des Tennis-Centers Talheim, auch der Schiedsrichterstuhl.

Hier hieß es zuletzt am 26. Januar 2014 "Spiel, Satz und Sieg": Peter Gojowczyk ging als letzter Sieger der Heilbronn Open in die Geschichte ein. Die 1988 mit dem ersten Turnier begann. Und im Laufe der Jahre von Tausenden Menschen aus der Region begleitet wurde. Sie kamen zum Tennis schauen. Und zum Tanzen auf den legendären Partys und Konzerten.
Auf den ersten Blick erinnert nichts an die großen Zeiten

An die großen Zeiten erinnert am Rauhen Stich in Talheim auf den ersten Blick nichts. Eine große Zeltlandschaft ist Jahr für Jahr vor der Halle für das Challenger-Turnier aufgebaut worden, den eigentlichen Eingang hat deshalb kaum jemand wahrgenommen. "Herzlich Willkommen im Tennis Center Talheim" steht über der Tür, auf ihrer Scheibe ist zu lesen: "Ab dem 1. März 2022 ist die Tennishalle geschlossen." Das Aus für die Hobbyspieler ist acht Jahre nach dem Aus für die Profis gekommen. Marga und Uli Eimüllner, die Eigentümer der Anlage und Macher der Heilbronn Open, öffnen an einem heißen Juni-Tag die Tür zur glorreichen Vergangenheit.

Bekannte Gesichter grüßen von den Wänden, Fotos von Größen wie Albert Costa, Stefan Edberg, Goran Ivanisevic, Henri Leconte und Carl-Uwe Steeb begleiten durch die Gänge. Es sind größtenteils Fotos des Stimme-Fotografen Andreas Veigel - der auch diesmal die Fotos machen soll und andächtig in die (persönliche) Vergangenheit schaut.
Alles ist so vertraut - und jetzt so: leer
Es bedarf nur weniger Blicke, schon werden die Fotos, die Erinnerungen lebendig. Alles ist so vertraut. Und jetzt: so leer. Bis zu 15.000 Menschen drängten sich hier in der Turnierwoche. "Wenn eine Dame ein neues Kettchen hatte, wurde das hier erstmals vorgeführt", sagt Uli Eimüllner und lacht. "Es gibt viele Ehen, die durch die Heilbronn Open entstanden sind." Genau hier, im Village.

Gestapelte Stühle stehen vor der Wand, hinter dem Podium sind die Wörter "Game", "Set", "Match", "Spiel", "Satz" und "Sieg" auf der Wand verteilt. In der hinteren Ecke lagern Tische, Taschen, Umzugskartons. An der Wand lehnen Foto-Collagen. Auch aus dem Jahr 1999. Ein Bild zeigt einen 17-jährigen Buben mit umgedrehter weißer Baseball-Mütze: Roger Federer.
Gespannte Schnüre eines Geschicklichkeitsparcours

Im oberen Teil des Village zeugen zu einem Geschicklichkeitsparcours gespannte Schnüre von der Geburtstagsfeier des jüngsten Enkelkindes der Eimüllners. "Dein 70. Geburtstag war das letzte große Fest hier drin", sagt Marga Eimüllner zu ihrem nun 73 Jahre alten Mann. Der schaut sich um und sagt: "Ich meine, dass wir die Anlage 2001/2002 um das Village erweitert haben." Sportler und Prominente gingen hier ein und aus, unter anderem immer wieder Karlheinz Förster, Ralf Rangnick und Hartmut Engler von der Band Pur. Jetzt bröckelt der Putz von der Decke.
Vor vier Jahren haben die Eimüllners die Toiletten, Duschen und Umkleiden erneuert. Aber das Dach ist undicht. Ränder auf dem Untergrund des Allerheiligsten, der Tennishalle mit dem ehemaligen Center Court, dokumentieren, dass hier und da das Wasser stand.
Kommt das gespenstische Knistern von den Tennisbällen?

Es riecht nach Turnhalle, nach Sport. Überall liegen gelbe Flusen - stumme Erinnerungen an die letzten Bälle, die Ende Februar von Hobbyspielern geschlagen worden sein müssen. Hier und da stecken gelbe Bälle in den Lamellen der Beleuchtung und in Winkeln der Dachkonstruktion. Wenn die reden könnten. Oder tun sie das, kommt das gespenstische Knistern von ihnen?
Mittlerweile hat die Familie Eimüllner die Anlage verkauft. Was nun mit dem Tennis-Center Talheim wird, liegt nicht mehr in ihren Händen. Sicher ist: Der Geist der Heilbronn Open lebt weiter.
Serie Lost Places
In loser Folge stellt die Redaktion vergessene Orte in der Region und darüber hinaus vor. Und sie geht der Frage nach, wie aus "Lost Places" mit Mut und Kreativität Neues entstehen kann.
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