Wasserschloss Menzingen: Durch ein Feuer in den Dornröschenschlaf versetzt
Die Zukunft des Wasserschlosses Menzingen im Kraichtal bleibt bis heute ungewiss. Die Ruine ist zu einem märchenhaften Ort verfallen. Das Bauwerk wieder nutzbar zu machen erscheint beinahe unmöglich.

Einst war es eines der am besten erhaltenen Wasserschlösser in ganz Baden, heute ist es nur noch eine von wucherndem Grün umgebene Ruine - die Rede ist vom Wasserschloss Menzingen. Am Rande der Kraichtal-Gemeinde Menzingen gelegen, etwa 40 Autominuten von Heilbronn entfernt, fasziniert die Ruine seit vielen Jahren Passanten, Wanderer und Fahrradfahrer gleichermaßen. Diese Anziehungskraft ist zweifelsohne auch der sagenumwobenen Aura geschuldet, welche die Ruine und seine Besucher umgibt.
Von einem Wassergraben umschlossen, etwas versteckt und an manchen Stellen zugewachsen, fügt sich das alte Gemäuer eher unauffällig in die malerische Natur ein. Beinahe könnte man meinen, die Ruine sei eine Kulisse aus Tolkiens Roman "Der Herr der Ringe", in welchem ähnlich verfallene Turmbauten aus lang vergessenen Zeiten beschrieben werden.
Renaissance

Die Geschichte des Wasserschlosses reicht bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurück. Wie der gotische Urbau allerdings genau ausgesehen hat, ist nicht belegt. Dieser wird jedoch von aufständischen Bauern im Jahr 1525 eingenommen und niedergebrannt. Erst der Reichsritter Peter von Mentzingen haucht diesem "Lost Place" wieder neues Leben ein, indem er das Wasserschloss in den Jahren 1529 bis 1539 als mehrstöckige Anlage im Renaissancestil wieder aufbauen lässt. Den Familienbesitz belegt der über dem Haupteingang angebrachte Wappenstein. Bis heute befindet sich die Ruine im Besitz der Freiherren von und zu Mentzingen, die seit vielen Generationen die Ländereien um das Wasserschloss verwalten.
Die einstige Pracht des Wasserschlosses kann man heute nur noch auf alten Bildern und Fotos erahnen. Vier Ecktürme begrenzten den Bau in U-Form mit drei Flügeln. Über die Jahrhunderte wurde das Wasserschloss immer wieder baulich verändert und erweitert, zum Beispiel auch die hölzerne Zugbrücke durch einen festen Brückenzugang aus Stein ersetzt. Im Inneren des Schlosses befand sich ein nach Osten offener Hof, an der Südseite führte dann die Steinbrücke über den Wassergraben zum Eingangsportal.

Die imposante bauliche Gestaltung konnte jedoch nicht verhindern, dass das Wasserschloss im 18. Jahrhundert erneut zu einem "Lost Place" wurde, denn die Familie von Mentzingen hat ihren Familiensitz bis 1790 im südwestlich von Menzingen gelegenen Gondelsheim, so dass das Schloss über mehrere Jahrzehnte von der Familie unbewohnt bleibt. Mit der Verlegung des Familiensitzes nach Menzingen wird dann das Schloss ausgebaut und auch im Südflügel um ein weiteres, zweites Obergeschoss erweitert.
Feuer
Am 2. April 1945 kommt es im Schloss schließlich zur Katastrophe. Bei einem Fliegerangriff auf Menzingen, der zahlreiche Menschenleben fordert, wird auch der Westflügel des Schlosses von einer Bombe getroffen. Der Schaden ist zunächst begrenzt, jedoch gerät ein Küchenfeuer außer Kontrolle und setzt das gesamte Gebäude in Brand. Innerhalb von zwei Wochen brennt das Gebäude fast vollständig aus.

Ironischerweise wurde während des Zweiten Weltkrieges aus Sicherheitsgründen eine wertvolle Uhren- und Münzsammlung aus dem kurpfälzischen Museum Heidelberg sowie Teile der Universitätsbibliothek in das unterkellerte Wasserschloss verbracht. Während Heidelberg unzerstört bleibt, geht das Schloss in Flammen auf. Nur die Münzsammlung kann in den 1970er Jahren fast vollständig ausgegraben werden.
In den folgenden Jahrzehnten bleibt die aufgrund der Schuttmassen unzugängliche Ruine unberührt und wird erneut zum "Lost Place". Der Einfluss von Witterung und Natur setzt dem Gemäuer weiter zu. Erst zu Beginn der 1990er Jahre unternimmt der heutige Besitzer des Schlosses, Dominicus Freiherr von und zu Mentzingen, zusammen mit dem Heimat- und Museumsverein Kraichtal, Anstrengungen zur Stabilisierung und Sicherung der Ruine. Mehr als eine halbe Million Euro, 4500 Arbeitsstunden von zum Teil ehrenamtlichen Helfern und mehrere meterlange Spannanker waren nötig, um das mürbe Sandsteinmauerwerk vor Einstürzen zu bewahren.
Erhaltungsmaßnahmen

"Um solch ein Gebäude wieder nutzbar zu machen, benötigt man ungeheure Geldsummen", sagt Dominicus Freiherr von und zu Mentzingen der Heilbronner Stimme. Das größte Problem sei jedoch, dass bis heute nur die Hälfte der Ruine gegen Einsturz gesichert ist, denn auch die Westfassade sei einsturzgefährdet.
So musste die Schlossruine ganz für die Öffentlichkeit gesperrt werden, obwohl bis in die 2010er-Jahre mit regelmäßigen kulturellen Veranstaltungen im Innenhof unter freiem Himmel eine Neubelebung versucht wurde. "Über 30 Jahre ist an der Ruine nichts mehr gemacht worden. Weitere Instandsetzungen sind kompliziert, müssten vorfinanziert und von Fachfirmen ausgeführt werden. Hierfür sind gewaltige Beträge notwendig, die augenblicklich niemand aufbringen kann," erklärt der Freiherr von und zu Mentzingen. So bleibt die Zukunft des Wasserschlosses zunächst ungewiss. Sicher ist nur, dass die Ruine weiter in ihrem Dornröschenschlaf verharren und Besucher verzaubern wird.
Denkmalschutz
Als Wasserburg oder -schloss werden Bauwerke bezeichnet, die auf allen Seiten von künstlichen Wassergräben oder natürlichen Gewässern umgeben sind. Meist handelt es sich um sogenannte Niederungs- oder Tiefburgen, da diese sich im Flachland befinden. Im Laufe der Zeit wurden viele Wasserschlösser zu reinen Repräsentationsgebäuden umfunktioniert. Viele Wassergräben wurden zugeschüttet, da für die heutigen Besitzer, auch im Rahmen des Denkmalschutzes, hohe Instandhaltungskosten entstehen.
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