Verteidigerin im Heilbronner Raser-Prozess – bekannte Fälle von Anke Stiefel-Bechdolf
Bei Gerichtsfällen, die bundesweit für Aufsehen sorgen, taucht immer wieder ein Name auf: Anke Stiefel-Bechdolf. Die Anwältin aus Eppingen übernahm unter anderem die Verteidigung im Mordfall um den Bäcker von Siegelsbach.
Update vom 19.09.23, 20 Uhr: Der Bruder des Wollhausstraßen-Rasers wurde wegen eines illegalen Straßenrennens vom Gericht verurteilt.
Die Anwältin, die derzeit den Wollhausstraßen-Raser vor Gericht vertritt, ist keine Unbekannte. Anke Stiefel-Bechdolf (70) saß schon bei vielen aufsehenerregenden Fällen an der Seite der Angeklagten. Etwa bei der Bluttat auf einem Reiterhof in Güglingen, dem Kokain-Handel des Heilbronner Hells-Angels Chefs und dem Mordfall eines Siegelsbacher Bäckers, der deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Anke Stiefel-Bechdolf, Verteidigerin im Heilbronner Raserprozess – das sind ihre bekanntesten Fälle
Die bekannteste Verteidigerin der Region stammt aus Eppingen und ist Mutter zweier Töchter. Anke Stiefel-Bechdolf war eine erfolgreiche Leichtathletin, badische Schülermeisterin über 400, 600 und 800 Meter.
Eine Chronologie ihrer bekanntesten und brisantesten Fälle als Staatsanwältin oder Strafverteidigerin.
2023: Tödlicher Raser-Unfall in Heilbronner Wollhausstraße
Am 12. Februar 2023 soll der türkische Staatsbürger, der in Heilbronn geboren ist, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit in der Wollhausstraße einen Unfall verursacht haben, bei dem ein 42-jähriger Familienvater ums Leben kam. Die Ehefrau und zwei Kinder wurden verletzt, die Witwe des Verstorbenen bezeichnete den Unfall im Stimme-Interview als das "Ende einer fröhlichen Familie."
- Tatvorwurf: Totschlag und versuchter Totschlag, eventuell sogar Mord
- Urteil: Prozess läuft aktuell noch
2023: 200 Kilogramm Crystal-Meth-Fund in Heilbronn
Im Prozess um den spektakulären Fund der synthetischen Droge Crystal Meth im Oktober 2022 sind am 3. August 2023 vor der dritten Großen Strafkammer die Plädoyers gehalten worden. Dabei forderte die Staatsanwältin für den 34-jährigen Hauptangeklagten aus Heilbronn eine Gefängnisstrafe von elf Jahren. Unter anderem sah sie den Tatbestand des gemeinschaftlichen Handeltreibens von Betäubungsmittel sowie die Einfuhr nicht geringer Mengen an Drogen für erwiesen an.
Eindeutige Beweise gab es zwar nicht. Die Indizien sprachen laut Staatsanwaltschaft aber eine klare Sprache. Sie widerlegten nach Auffassung der Anklage die Einlassung des Beschuldigten. Der hatte angegeben, einem Freund einen Gefallen zu tun. Gegen die Bezahlung von 200.000 Euro habe er eine Unterstellmöglichkeit für eine große Hydraulikpresse organisiert, so der Angeklagte. Darin waren mehr als 200 Kilogramm Crystal Meth versteckt.
Für die Verteidigung hatte die Anklage jedoch weder Hand noch Fuß. „Glauben Sie selbst, was Sie erzählen?“, fragte Anke Stiefel-Bechdolf. Die Anschuldigung, ihr Mandant habe die 200 Kilogramm Crystal Meth bestellt und er wolle damit einen neuen Markt erschließen, hielt die Anwältin für absurd. In Wahrheit gebe es „keinen einzigen Hinweis“.
- Tatvorwürfe: Zweifacher Handel mit Marihuana, Fälschen von Bankauszügen, Geldwäsche bzw. Beihilfe zur Einfuhr und zum Handeltreiben der Droge
- Urteile: Hauptangeklagter: acht Jahre und neun Monate Haft; Mitangeklagter: zwei Jahre und acht Monate Haft
2022: Neugeborenes in Wanne im Waldrand bei Schwäbisch Hall ausgesetzt
Im September 2021 hat eine 22-Jährige ihr neugeborenes Baby nachmittags an einem Waldrand bei Schwäbisch Hall-Hessental in einer Wanne ausgesetzt. Von ihrer Schwangerschaft habe sie bis zur Geburt nichts gemerkt. Wäre das Kind nicht gefunden worden, hätte es die Nacht nicht überlebt.
Die Erste Staatsanwältin Sara Oeß warf ihr versuchten Totschlag vor. In ihrem Plädoyer forderte die Anklägerin deshalb eine Gefängnisstrafe von vier Jahren und drei Monaten.
Bei Rechtsanwältin Anke Stiefel-Bechdolf löste das "blankes Entsetzen" aus. Zwar habe eine Gefahr bestanden, dass sich der Gesundheitszustand des Babys hätte verschlechtern können. Und ihre Mandantin hätte dies wissen müssen. "Aber eine Tötungsabsicht ist weit und breit nicht zu erkennen", sagte die Verteidigerin. Sie plädierte für eine Haftstrafe auf Bewährung.
- Tatvorwurf: Säugling ausgesetzt
- Urteil: drei Jahre Haft
2021: Paketbomben-Prozess in Lidl-Zentrale
Ein 66 Jahre alter Rentner, der für explosive Postsendungen an mehrere Lebensmittelunternehmen verantwortlich sein soll, war nach Auffassung eines Gutachters nicht die Person, die auf Aufnahmen in einer Poststelle in Ulm zu sehen war. Beide seien höchstwahrscheinlich nicht identisch, schilderte der Sachverständige in der Gerichtsverhandlung.
Zuletzt war der Angeklagte aus Ulm bereits entlastet worden, weil Sachverständige die Arbeit mit Spürhunden, die im Auftrag des Landeskriminalamts unterwegs waren, als mangelhaft und unglaubwürdig beschrieben hatten.
Stiefel-Bechdolf vertrat die geschädigten Lidl-Mitarbeiter als Nebenkläger – und zweifelte die Aussagen des Sachverständigen stark an.
- Tatvorwurf: Briefbomben verschickt zu haben
- Urteil: Freispruch
2020: Tödlicher Messerangriff auf Reiterhof Güglingen
Bei dem Prozess zur Bluttat auf einem Reiterhof in Güglingen vertrat Stiefel-Bechdolf einen 17-Jährigen, der 2020 in der Nacht am 25. Januar seinem 15 Jahre alten Bruder mit einem Messer zehn Stichverletzungen zugefügt hatte. Das Opfer erlag seinen Verletzungen. Auch den Vater verletzte der 17-Jährige mit 29 Messerstichen schwer. Dieser überlebte nach intensivmedizinischer Behandlung.
Der Angeklagte wurde nach zahlreichen Gerichtsterminen und einer umfassenden Beweisaufnahme wegen Totschlags sowie versuchten Totschlags zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte auf Mord sowie versuchten Mord plädiert und eine Jugendstrafe von zehn Jahren beantragt. Die Verteidigung sah wegen der psychischen Verfassung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt lediglich einen Totschlag sowie einen versuchten Totschlag als gegeben an.
- Tatvorwurf: Mord sowie versuchter Mord
- Urteil: acht Jahre Jugendstrafe
2019: Pflegeoma tötet Siebenjährigen – "Fall Ole"
Der Fall Ole erregte bundesweit Aufsehen. Am Morgen des 28. April 2019 fanden die Eltern den siebenjährigen Jungen leblos in der Badewanne im Haus der Pflege-Oma in Künzelsau. Von ihr fehlte jede Spur. Die 70-Jährige war verschwunden. Sie tauchte erst einen Tag später wieder auf. Bis zur Verhandlung saß sie in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd und stand in Heilbronn vor Gericht. Ihr wurde vorgeworfen, den kleinen Jungen getötet zu haben. Aus Verlustangst, sagt der Staatsanwalt.
Ob das stimmt, weiß nur die Pflege-Oma. Auf Anraten ihrer Verteidigerin Anke Stiefel-Bechdolf sagte die Seniorin dazu nichts. Die Mutter des kleinen Ole flehte die Angeklagte unter Tränen an, ihr Schweigen zu brechen, eine Erklärung zu liefern. Doch das tat sie in den 17 Prozesstagen nicht.
- Tatvorwurf: Totschlag
- Urteil: 10,5 Jahre Haft
2014: Korruption eines Heilbronner Bauunternehmers
Im Korruptionsfall um einen Heilbronner Bauunternehmer 2014 hatte Anke Stiefel-Bechdolf ebenfalls die Verteidigung übernommen. Der Bauunternehmer räumte später im Prozess ein, Mitarbeiter von Energieversorgern wie der Heilbronner ZEAG Energie AG und der Stadt Heilbronn mit Geschenken und Geld bestochen zu haben, um an Aufträge zu kommen.
Bei den damals 59 Tatvorwürfen, die ihm zur Last gelegt wurden, gingen die Ermittler von einer mehrjährigen Haftstrafe aus. Letztendlich wurde der Bauunternehmer zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 600.000 Euro verurteilt.
„Es ist ein guter Tag für ihn“, zeigte sich Anke Stiefel-Bechdolf nach dem Urteil im Februar 2015 zufrieden. „Er bleibt in Freiheit, und das war das Ziel der Verteidigung.“
- Tatvorwurf: Korruption mit 59 Tatvorwürfen
- Urteil: zwei Jahre auf Bewährung, Geldstrafe und 600.000 Euro
2011: Kokain-Handel des Heilbronner Hells-Angels-Chef
Auch der damalige Heilbronner Hells-Angels-Chef, der sich wegen bandenmäßigem Drogenhandel vor Gericht verantworten musste, war Anke Stiefel-Bechdolfs Mandant. Er hatte Kokain an Kunden aus dem Umfeld der Rockergruppe verkauft. Vor dem Heilbronner Landgericht wurde er im März 2011 zu acht Jahren Gefängnis wegen Rauschgifthandels verurteilt.
- Tatvorwurf: Handel mit Kokain
- Urteil: acht Jahre Haftstrafe wegen Rauschgifthandel
2004: Mordfall um Bäcker von Siegelsbach
Bei einem brutalen Banküberfall am 7. Oktober 2004 hatte ein Siegelsbacher Bäcker eine Frau getötet und zwei Menschen schwer verletzt. Der Freispruch im April 2006 war vor allem Anke Stiefel-Bechdolfs Erfolg, dann folgte jedoch der Schuldspruch in zweiter Instanz.
- Tatvorwurf: Tötung einer Frau, zwei Menschen schwer verletzt
- Urteil: Freispruch, in zweiter Instanz dann Schuldspruch