Paketbomben-Prozess: Gutachter der Verteidigung entlastet Angeklagten
Im Prozess um explosive Postsendungen an süddeutsche Lebensmittelfirmen stand am Freitag eine aus Sicht der Verteidigung für den Angeklagten entlastende Expertise im Fokus. Durch eine der Bomben wurden auch drei Lidl-Mitarbeiter verletzt.
Ein 66 Jahre alter Rentner, der für explosive Postsendungen an mehrere Lebensmittelunternehmen verantwortlich sein soll, ist nach Auffassung eines Gutachters nicht die Person, die auf Aufnahmen in einer Poststelle in Ulm zu sehen ist. Beide seien höchstwahrscheinlich nicht identisch, schilderte der Sachverständige in der Gerichtsverhandlung am Freitag.
Zuletzt war der Angeklagte aus Ulm bereits entlastet worden, weil Sachverständige die Arbeit mit Spürhunden, die im Auftrag des Landeskriminalamts unterwegs waren, als mangelhaft und unglaubwürdig beschrieben hatten.
Wie berichtet, ist Klaus S. seit kurzer Zeit auf freiem Fuß. Das Landgericht Heidelberg sieht keinen dringenden Tatverdacht mehr als gegeben. Außerdem bestreitet Klaus S. die Tat.
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Professor Rösing (77) führte aus, dass sich der Mann im Überwachungsvideo und Klaus S. in der Breite unterschieden, in der Höhe des Gesichts und im Gang. Letztlich fand Rösing Unterschiede vor allem im Bereich der Ohren. Das Videomaterial, auf das er sich bezieht, zeigt den Täter bei der Paketaufgabe in Ulm. „Die Unterschiede kann man nicht einfach unter den Tisch kehren“, sagte Rösing. Auf kritische Nachfragen des Oberstaatsanwalts erwiderte er, man könne viele Bewegungen verstellen, aber die Ohrläppchen nicht. Aufgrund der schlechten Qualität des Videomaterials könne man aber nichts mit absoluter Sicherheit sagen, so der Gutachter. „Es sind alles Einschätzungen“, erklärte er das Vorgehen in Bezug auf das Erstellen von anthropologischen Gutachten. Rösing war im Auftrag der Verteidigung aktiv.
Die Staatsanwaltschaft brachte zwei weitere Sachverständigen-Berichte ins Verfahren ein, die die Einschätzungen von Rösing hinterfragen. Die Heilbronner Anwältin Anke Stiefel-Bechdolf fragte angriffslustig, auf welche Feststellung Rösings man überhaupt etwas geben könne – denn der Gutachter korrigierte sich vor Gericht insofern, dass er nun beim Anblick des Angeklagten erkenne, dass dieser doch einen kleinen Schmerbauch habe so wie auch der Mann auf dem Video. Stiefel-Bechdolf vertritt die geschädigten Lidl-Mitarbeiter als Nebenkläger.
Die Pakete waren im Februar verschickt worden. Zwei explodierten, eines wurde abgefangen. Bei dem Anschlag in einem Lidl-Verwaltungsgebäude in der Neckarsulmer Rötelstraße wurden drei Menschen verletzt. Eine Gerichtsmedizinerin berichtete am Freitag von Verletzungen. Ein Mann erlitt neben eines Knalltraumas und einer Augenverletzung Verbrennungen an den Oberschenkeln. Die Staatsanwaltschaft wird Klaus S. das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährliche und versuchte schwere Körperverletzung vor.