Von Hohenlohe bis Bottwartal: So steht es um die Bahnprojekte in der Region
Es ist Bewegung in der Diskussion um Ausbau und Reaktivierung von Bahnstrecken in der Region. Wie stehen konkret die Chancen? Wir geben den Überblick über fünf Projekte.

Jahrzehntelang wurden bei der Bahn Strecken stillgelegt. Mittlerweile hat sich der Wind gedreht und es wird über Reaktivierungen diskutiert. In der Region könnten vier ehemalige Trassen eine Renaissance erleben, bei der Hohenlohebahn geht es um Elektrifizierung im Bestand. Zuletzt hat sich einiges getan, für Zabergäu- und Bottwartalbahn gab es aktuelle Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Wir geben einen Überblick über den Stand der Dinge und eine Einordnung, wie realistisch eine Umsetzung der Projekte derzeit ist.
Elektrifizierung Hohenlohebahn: Große Einigkeit, absehbare Umsetzung
So umstritten und fraglich die Reaktivierung der Kochertalbahn zwischen Künzelsau und Waldenburg ist, so unstrittig und fast schon absehbar ist die Elektrifizierung der Hohenlohebahn zwischen Cappel und Hessental. Auch die näher zu untersuchende Variante steht bereits fest: Die Stadtbahn S4 soll von Öhringen kommend verlängert werden mit fünf zusätzlichen Haltepunkten, wovon vier im Hohenlohekreis liegen und einer im Kreis Schwäbisch Hall.
Dies sind Eckartsweiler/Limespark, Neuenstein Stadthalle, Waldenburg Gewerbepark, Kupfer/Neu-Kupfer und Gailenkirchen. Die Basis-Studie sagt: Das Projekt ist sehr wirtschaftlich. Jetzt geht es in die vertiefte Analyse. Sie wird schneller fertig sein als bei der Kochertalbahn, weil die 32-Kilometer-Strecke nicht neu gebaut werden muss. Schon in fünf Jahre könnten die Oberleitungen stehen und in zehn bis 15 Jahren die Stadtbahn-Qualität mit allen neuen Haltepunkte hergestellt sein.
90 Prozent der Investitionskosten könnten vom Bund kommen
Wenn die Standardisierte Bewertung den Daumen hebt, wovon alle ausgehen, kann der Förderantrag raus. Auch hier könnten bis zu 90 Prozent der Investitionskosten von Bund und Land übernommen werden. Diese liegen mit aktuell geschätzten 125,9 Millionen Euro weitaus niedriger als bei der Kochertalbahn. Auch der kommunale Eigenanteil fällt mit 11,1 Millionen Euro viel geringer aus als bei der Kochertalbahn, wo derzeit 24, 9 Millionen Euro im Raum stehen.
Außerdem teilen sich bei der Hohenlohebahn zwei Landkreise die Kosten mit nicht nur drei, sondern gleich fünf Städten und Gemeinden. Die Elektrifizierungslücke zwischen Heilbronn und Crailsheim soll schon länger geschlossen werden. Dies ist die Bedingung für eine Reaktivierung der Kochertalbahn. 2012 hatte man beide Vorhaben ad acta gelegt, nachdem erste Studien sie als unwirtschaftlich erachtet hatten. Nun haben bessere Bewertungskriterien und Förderbedingungen einen Umschwung ermöglicht.
Ausbau Krebsbachtalbahn: Gute Aussichten im Kraichgau

Ein zentraler Punkt unterscheidet die Krebsbachtalbahn im Kraichgau von den Reaktivierungsprojekten in Zabergäu, Bottwar- und Kochertal: Zwischen Hüffenhardt und Neckarbischofsheim liegen Gleise, und die Strecke wird benutzt – wenn auch nur gelegentlich im Ausflugsverkehr mit historischen Fahrzeugen.
Jetzt ist geplant, hier wieder einen regulären Personenverkehr zu ermöglichen und die isolierte Strecke in das Heilbronner Stadtbahnnetz einzubinden. Dafür muss die bestehende Strecke mit einer Oberleitung elektrifiziert werden, die Gleise können bleiben. Außerdem ist der Neubau einer drei Kilometer langen Spange zwischen den Bad Rappenauer Teilorten Obergimpern und Babstadt geplant. So wird der Anschluss zum bestehenden Nordast des Heilbronner Stadtbahnnetzes hergestellt. Stadtbahnzüge können dann hier abzweigen und nach Neckarbischofsheim fahren. Hüffenhardt ist bislang außen vor, Siegelsbach wäre Endstation. Es gibt aber auch Experten, die es für möglich halten, Hüffenhardt sinnvoll einzubinden.
Zuletzt gab es eine wichtige Entwicklung: Die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG), die Stadtbahnlinien in der Region betreibt, hat die Krebsbachtalbahn von der Erms-Neckar-Bahn AG (Enag) übernommen. Jetzt soll die AVG gemeinsam mit den Kommunen das aussichtsreiche Projekt vorantreiben. Dass es kein Selbstläufer ist, zeigte sich in Bad Rappenau. Dort lehnte der Gemeinderat die Reaktivierung und den städtischen Anteil zunächst ab. Das Projekt schien schon gescheitert. In einem zweiten Anlauf stimmte das Gremium doch zu. Die geschätzten Kosten von 51 Millionen Euro übernimmt größtenteils das Land. Aber auch Kreise und Städte müssen einen Beitrag leisten. Bad Rappenau wird etwa drei Millionen Euro beisteuern müssen.
Zabergäubahn: Gute Noten, geteiltes Echo

Mit Spannung wurde die Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Zabergäubahn erwartet, nun liegen die Ergebnisse vor – und die stellen dem Vorhaben Top-Noten aus. Würde der Betrieb auf der stillgelegten Strecke zwischen Lauffen und Zaberfeld realisiert, so zeigt die sogenannte standardisierte Bewertung, würde der Nutzen die zu erwartenden Kosten deutlich übersteigen. Vor fünf Jahren war die Zabergäubahn noch durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung gefallen. Seither wurden Kriterien, etwa zum Umweltschutz, geändert.
Die Reaktivierung der Strecke erreicht je nach Variante einen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,42 oder sogar 1,94. Das sind überragende Werte, die dem Projekt Rückenwind geben sollten. Wie vergleichbare Vorhaben profitiert die Zabergäubahn vom neuen Ansatz der standardisierten Bewertung. Hier spielen Klimaschutz und Nachhaltigkeit jetzt eine größere Rolle.
Trotzdem ist es bis zu einer Umsetzung noch ein weitere Weg. So äußerten sich Kommunen entlang der Strecke zunächst zurückhaltend zu den Plänen. Hier ist die Finanzierung die zentrale Frage. So hätte das kleine Pfaffenhofen mit dem längsten Streckenanteil einen relativ großen Beitrag zu leisten. Auch die rage der flankierenden Busverkehre ist zentral. Viele Kunden im Zabergäu sind zufrieden mit der Busanbindung und fürchten Verschlechterungen, wenn sie irgendwann auf die Bahn umsteigen müssen. Trotzdem stehen die Chancen wohl so gut wie nie.
Ein Knackpunkt war zuletzt das Stellwerk in Lauffen, das digitalisiert werden muss. Hier war die Sorge, dieser Punkt würde zum Mühlstein am Hals des Projekts werden, wenn man die Kosten von 25 Millionen Euro noch draufschlägt. Jetzt geht man davon aus, dass dieser Posten über das Programm „Digitale Schiene Deutschland“ vom Bund finanziert wird.
Bottwartalbahn: Trassendebatte in vollem Gange

Vier gewinnt: Bei der kürzlich vorgestellten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die Wiederbelebung der Bottwartalbahn schaffte es ein Quartett über den Zielstrich. Während der Verlauf der möglichen Strecke zwischen Marbach und Heilbronn im Landkreis Ludwigsburg weitgehend unstrittig ist, gibt es im Raum Heilbronn eben diese vier Möglichkeiten – alle sind grundsätzlich möglich, aber mit unterschiedlichen Vorzeichen. Demnach erreicht jene Trasse die besten Werte, die im Landkreis Heilbronn weitgehend dem historischen Verlauf der seit den 70er Jahren schrittweise stillgelegten Bahn folgt und über Talheim und Schozach führt. Hier kommen die Prüfer zu einem Wert 1,9. Der errechnete volkswirtschaftliche Nutzen wäre also fast doppelt so hoch wie die Kosten. Auf dem zweiten Platz landet die Variante über Abstatt und Untergruppenbach, die auch den Bosch-Standort mit seinen rund 6000 Beschäftigten anbindet.
Es folgt eine ähnliche Trasse ohne den Bosch-Halt und auf dem letzten Platz die östliche Route über Untergruppenbach, die nach Donnbronn abzweigt und auch noch Flein mitnimmt. Sie schafft einen Kosten-Nutzen-Faktor von 1,54. Jetzt muss sich die Region auf eine Trasse einigen. In den Gemeinden gibt es dazu Informationsveranstaltungen, so an diesem Donnerstag, 14. September, ab 17.30 Uhr in der Fleiner Kulturhalle Flina.
Obwohl es in der Region viel Zustimmung zu dem Projekt gibt, ist kaum absehbar, wie es um die Realisierungschancen steht. Wie die Bahn im Heilbronner Stadtgebiet eingefädelt würde, ist unklar. Die ehemalige Trasse ist dort zugebaut, die Schienen könnten nur im Straßenraum geführt werden, wie das etwa an der Allee und in der Kaiserstraße der Fall ist. In jedem Fall ist noch viel Planung und Vorarbeit nötig.
Kochertalbahn: Heftig umstritten und mit Tunnel sehr teuer
So viel ist auf jeden Fall jetzt schon sicher: Sollte die Kochertalbahn zwischen Künzelsau und Waldenburg tatsächlich reaktiviert werden, wird es noch lange dauern, bis auf dieser Strecke wirklich eine Stadtbahn fahren wird. Die einen rechnen frühestens 2038 damit, andere sagen sogar, es könnte bis zu zwanzig Jahre dauern: also bis 2043. Der gesamte Prozess von der Prüfung bis zum Bau ist enorm aufwendig und wird bei der Kochertalbahn zusätzlich erschwert, weil die Investitionskosten für die favorisierte und zwölf Kilometer lange Tunnel-Variante laut aktueller Schätzung mit 274,1 Millionen Euro sehr hoch liegen. Ohne Tunnel wären 194,5 Millionen Euro fällig – wobei diese Beträge in 15 oder 20 Jahren noch deutlich gestiegen sein werden.
In den nächsten Wochen wollen sich der Kreis und das Land auf eine konkrete Trassenvariante einigen. Experten betonen, dass eigentlich nur ein Tunnel infrage kommt, weil dadurch die Fahrtzeit viel kürzer und der Wageneinsatz viel effizienter wäre. Die erste Studie hatte der Kochertalbahn für beide Varianten eine positive Wirtschaftlichkeit bescheinigt. Diese muss nun durch eine tiefere Infrastrukturplanung bestätigt werden, an deren Ende die „Standardisierte Bewertung“ steht. Allein diese Prüfung könnte bis zu drei Jahre dauern. Ende Juli hatte der Kreistag den Weg dafür freigemacht, obwohl das Projekt heftig umstritten ist. Geben die Fachleute wieder grünes Licht, steht einer Förderung der Baukosten von Bund und Land nichts im Wege. Diese könnte bis zu 90 Prozent betragen, den Rest müssten sich der Kreis sowie Künzelsau, Kupferzell und Waldenburg teilen.
Viel wichtiger aber ist, dass der Betrieb dauerhaft finanziert wird. Das Land bezahlt nur den Ein-Stunden-Takt, und diesen nur für 100 Kilometer. Es wollen aber 30 Strecken zum Zuge kommen, die 460 Kilometer messen. Und wer am schnellsten ist, hat die größten Chancen.