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Kochendorfer Doppelmordprozess: Gut zehn Monate nach den Schüssen fällt das Urteil

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Im Doppelmordprozess von Bad Friedrichshall spricht die Schwurgerichtskammer des Heilbronner Landgerichts am Mittwoch das Urteil. Ein Rückblick.


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Den Bad Friedrichshallern steckt am 7. Januar 2025 der Schrecken in den Gliedern. Um 17.43 Uhr stürmt ein maskierter Mann in den Pausenraum der Zahnradfabrik Hänel und gibt mit seiner halbautomatischen Pistole Kaliber neun Millimeter 23 Schüsse in 75 Sekunden ab. Zwei Mitarbeiter sterben. Sie waren Brüder. Ein weiterer Mitarbeiter wird schwer verletzt. Der vierte Mann im Pausenraum kann rechtzeitig fliehen und seine Kollegen in der Fertigungshalle warnen.

Schüsse in Kochendorf: Hänel-Mitarbeiter verdächtigen sofort ihren Kollegen

Bis dorthin verfolgt ihn der Todesschütze. Dann macht er kehrt und flüchtet aus dem Fabrikgebäude. Wenig später fährt die Polizei ein Großaufgebot auf. Die Unsicherheit ist groß. Handelt es sich um einen Amoklauf? Ist der Täter noch in der Fabrik? Herrscht weiter Gefahr? Fest steht nur: Der Täter ist bewaffnet und flüchtig.


Der Verdacht fällt schnell auf einen damals 52 Jahre alten Mitarbeiter der Firma Hänel. An diesem Tag ist er krankgeschrieben. Kollegen wollen ihn trotz dunkler Kleidung und Maskierung an seiner Statur erkannt haben. B. aus Seckach soll der Täter gewesen sein.

Nach Schüssen in Kochendorf: Spezialeinsatzkommando in Seckach

Noch in der Nacht stürmt ein Spezialeinsatzkommando der Polizei das Haus des Verdächtigen im Neckar-Odenwald-Kreis. Trotz Sprengsatz gelingt es den Beamten nicht, die Türe zu öffnen. Zu gut ist sie verbarrikadiert. Der Verdächtige B. und seine Frau wollen gerade ins Bett zu gehen. Im Schlafanzug wird der Seckacher durch das Küchenfenster verhaftet.

Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung wird der Verdächtige am nächsten Morgen ins Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg gebracht. B. wirkt ungewöhnlich ruhig. Der Polizei und dem Arzt im Krankenhaus sagt er offenbar, er sei unschuldig. Während der anschließenden Untersuchungshaft schreibt er Briefe an seine Familie. Dass sein Anwalt seine Unschuld beweisen werde. Und dass seine Frau das Haus notariell umschreiben lassen solle.

Zum Prozessauftakt im Doppelmordprozess Ende Juli ist das Medieninteresse groß.
Zum Prozessauftakt im Doppelmordprozess Ende Juli ist das Medieninteresse groß.  Foto: Seidel, Ralf

Prozess in Heilbronn: Angeklagter zeigt nicht die geringste Regung

Am 28. Juli eröffnet die erste Schwurgerichtskammer des Landgerichts die Hauptverhandlung gegen B. Das Medieninteresse ist groß. Der Angeklagte wirkt emotionslos. Er spricht kein Wort. Das bleibt während des gesamten Prozesses so. Auch als die Witwen und Angehörigen der Opfer am siebten  Verhandlungstag Mitte September unter Tränen aussagen, zeigt der inzwischen 53-jährige Angeklagte nicht die geringste Regung. 

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hört über mehrere Prozesstage hinweg eine Vielzahl seiner ehemaligen Kollegen. Sie beschreiben den Angeklagten als „in sich gekehrt und verschlossen“. Sie berichten von einem zerkratzen Auto eines der späteren Todesopfer, in das später auch Bolzen in die Reifen gestoßen wurden.

Schon damals fällt der Verdacht auf den Angeklagten, der bis zu seiner Verhaftung nur wenige Monate in der Fabrik gearbeitete hat. Er habe anfangs einen guten Eindruck gemacht. Er sei mit der Zeit aber „immer seltsamer“ geworden. Zeitlich falle die Veränderung damit zusammen, dass er einen Arbeitsplatz für einen Kollegen räumen muss, der aus dem Krankenstand zurückkommt. Dieser Kollege ist später eines der Todesopfer. Der andere erschossene Mitarbeiter hat die Versetzung angewiesen.

Schwurgerichtskammer in Heilbronn hört auch frühere Kollegen des Angeklagten

Das Gericht hört auch ehemalige Kollegen des Angeklagten aus anderen Unternehmen. Auch sie beschreiben den Beschuldigten als Einzelgänger. In mehreren Firmen soll der Angeklagte seine Kollegen körperlich angegriffen haben. Kameraden aus dem Schützenverein beschreiben B. auch als zurückgezogen. Bei einem Waffenhändler, bei dem er die Pistole kauft, erkundigt sich der Angeklagte nach Schalldämpfern.

Am 7. Januar erkennt den Angeklagten niemand eindeutig. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft greifen aber viele Indizien ineinander. Das schwerwiegendste Indiz: Ein Ballistiker des Landeskriminalamts stellt im Oktober seine  Untersuchung der Tatwaffe vor. Es ist die Pistole des Angeklagten, die die Polizei wenige Stunden nach der Tat im heimischen Tresor des Beschuldigten frisch geputzt und geölt sichergestellt hat.

Spätestens seit 2011 leidet B. an einer paranoiden Schizophrenie. Einem stationären Klinikaufenthalt in Wiesloch folgt bis zur Verhaftung eine ambulante Behandlung in Mosbach. Die behandelnde Psychiaterin sagt Mitte Oktober in einer Videovernehmung, der Angeklagte sei therapieuneinsichtig. Gekommen sei er nur, um seine Medikamente zu erhalten, die er als Schlafmittel nutze.

Psychiatrischer Sachverständiger bescheinigt Angeklagtem volle Schuldfähigkeit

Das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen in dem Prozess bringt Anfang November die Verteidiger des Angeklagten aus dem Konzept. Er bescheinigt B. die volle Schuldfähigkeit zur Tatzeit. Dass der Angeklagte zwischenzeitlich erklären ließ, sich an den Zeitraum von Anfang Dezember bis zu seiner Verhaftung an nichts mehr erinnern zu können, bezeichnet der Psychiater als „Schutzbehauptung“.

In ihrem Plädoyer fordern die Staatsanwältin und die Vertreter der Nebenkläger am 17. Verhandlungstag unter anderem wegen zweifachen Mordes und zweifachen versuchten Mordes eine lebenslange Haftstrafe, die auch nach 15 Jahren nicht ausgesetzt werden dürfe. Die Verteidigung plädiert dagegen auf Freispruch. Aus Sicht der  Verteidiger reichen die Indizien nicht aus, um die Schuld ihres Mandanten zweifelsfrei festzustellen. Und auch für den Fall, dass die Richter von der Täterschaft ihres Mandanten überzeugt seien, fordern sie ebenfalls Freispruch. Weil sich B. zur Tatzeit in einer akuten psychotischen Phase befunden habe und deshalb nicht schuldfähig sei.

Das Urteil ist für Mittwoch, 26. November, um 13.30 Uhr angekündigt.

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