Die tödlichen Schüsse in der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel seien eine Hinrichtung gewesen. Darin waren sich die Staatsanwältin und die Vertreter der Nebenkläger einig. Tatsächlich feuerte der Schütze 23 Schüsse in 75 Sekunden ab. Dabei trafen ein Opfer zehn Schüsse, davon sieben im Kopfbereich. Das zweite Todesopfer wurde mit fünf Schüssen getroffen, davon drei in den Kopf. Der schwerverletzte Geschädigte wurde dreimal getroffen. Einmal davon im Kopf. Laut Sachverständigem des Landeskriminalamts seien die Schüsse in die Köpfe der Todesopfer abgegeben worden, als diese bereits wehrlos auf dem Boden gelegen hätten.
Kochendorfer Doppelmordprozess: Staatsanwältin spricht von Hinrichtung
Im Prozess um die tödlichen Schüsse in der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel haben Anklage und Verteidigung am Montag ihre Plädoyers gehalten. Die Ausführungen im Heilbronner Landgericht hätten nicht unterschiedlich sein können.
Eine lebenslange Freiheitsstrafe hat Staatsanwältin Hardegger für den 53 Jahre alten Angeklagten im Bad Friedrichshaller Doppelmordprozess gefordert. Die Anklagevertreterin sah es als erwiesen an, dass sich der Beschuldigte am 7. Januar des zweifachen Mordes, des versuchten zweifachen Mordes sowie der schweren Körperverletzung schuldig gemacht hat. Die beiden Verteidiger des 53 Jahre alten Seckachers plädierten auf Freispruch.
Tödliche Schüsse in Kochendorf: Motiv bis heute nicht eindeutig geklärt
Das Motiv für die tödlichen Schüsse ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Aus Sicht der Staatsanwältin schlug bei dem Angeklagten „Wut und Neid“ auf zwei Kollegen „in regelrechten Hass“ um. Aus Sicht der Anklage stehe fest, dass der Beschuldigte B. im Pausenraum der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel mit 23 Schüssen in 75 Sekunden zwei seiner Arbeitskollegen erschossen hat. Hardegger sprach dabei von einer Hinrichtung. „Der Angeklagte hatte einen absoluten Vernichtungswillen“, sagte die Staatsanwältin. Der Angeklagte selbst war an diesem Tag krankgeschrieben.
Angeklagter soll flüchtenden Hänel-Kollegen in die Fertigungshalle verfolgt haben
Einen dritten Kollegen habe B. mit drei Schüssen in Kopf und Körper schwer verletzt. Aus Sicht der Staatsanwältin sei der Angeklagte überzeugt gewesen, auch ihn getötet zu haben. So habe er den vierten Mitarbeiter, der geistesgegenwärtig rechtzeitig aus dem Pausenraum flüchten konnte, bis in die Fertigungshalle mit der Absicht verfolgt, auch ihn zu erschießen. Weil er dort aber befürchtet habe, trotz seiner Maskierung erkannt zu werden, habe er von seinem Vorhaben abgelassen und sei zielstrebig aus dem Firmengebäude geflüchtet.
Aus niederen Beweggründen und heimtückisch habe der Angeklagte die tödlichen Schüsse abgegeben. Die vier Mitarbeiter, die um 17.30 Uhr ihre Spätschichtpause eingelegt hätten, seien von dem Überfall völlig überrascht worden. Sie seien arglos gewesen und der Tat des Angeklagten hilflos ausgeliefert gewesen. „Die Geschädigten waren jeder Verteidigungsmöglichkeit beraubt“, sagte die Staatsanwältin.

Damit erfülle die Tat gleich zwei juristische Mordmerkmale. Die lebenslange Haftstrafe dürfe aus Sicht der Anklagevertreterin nicht nach 15 Jahren ausgesetzt werden. Trotz seiner psychischen Erkrankung sei der Angeklagte ohne Abstriche schuldfähig. Die Staatsanwältin verwies dabei auf die Ausführung des Weinsberger psychiatrischen Gutachters Dr. Matthias Michel.
Staatsanwältin in Heilbronn: Tatwaffe war nach dem Morden frisch gereinigt und geölt
Wirklich erkannt hat den Angeklagten bei der Tat niemand. Die Beweislage sei dennoch klar, so Hardegger. Ballistiker des Landeskriminalamts hatten eindeutig festgestellt, dass die Schüsse aus der halbautomatischen Pistole Kaliber neun Millimeter stammten, die dem Angeklagten gehörte. Und die die Polizei bei der Verhaftung von B. sechs Stunden nach der Tat im Tresor des Beschuldigten fand. „Sie war frisch gereinigt und hat nach Öl gerochen“, sagte Hardegger.
Darüber hinaus habe sich der Täter in der Fabrik ausgekannt. Und er habe gewusst, um wieviel Uhr seine Kollegen im Aufenthaltsraum waren. Mehrere Mitarbeiter hätten als Zeugen übereinstimmend die Statur des Täters beschrieben, die auf den Beschuldigten passe. Darüber hinaus habe die Auswertung seines Mobiltelefons ergeben, dass der Angeklagte im passenden Zeitraum auf dem Weg von Seckach nach Heilbronn befunden hätte.
Ein weiteres Indiz sei zudem der Kilometerstand des Fahrzeuges. Er habe an diesem Tag die Strecke zurückgelegt, die er für die Entfernung von seiner Wohnung zum Tatort benötige. Plus die Strecke, die er am Vormittag offenbar wegen eines kaputten Auspuffs in eine Werkstatt zurückgelegt hat, wo der Kilometerstand festgehalten wurde.
Vertreter der Nebenkläger: Fehlende Reue ist kaum auszuhalten
Die Vertreterinnen der Nebenkläger, Elisabeth Unger-Schnell, Sophie Bechdolf-Reif und Martina Nägele, schlossen sich der Ausführung der Staatsanwältin an. „Es wäre wichtig gewesen, wenn der Angeklagte seine Gründe genannt hätte“, sagte Unger-Schnell. Nicht nachvollziehbar sei, wie Waffenbehörden einem psychisch Kranken eine Waffe genehmigen könne.
Kaum auszuhalten sei, dass der Angeklagte weder Reue noch Empathie in diesem Prozess gezeigt habe, so Bechdolf-Reif. „Der Schmerz und der Verlust für die Familien ist unerträglich.“ Der schwerverletzte Geschädigte bleibt mutmaßlich für immer blind. Er könne sich nicht erklären, wie ein Kollege so einen Hass entwickeln kann, sagte Martina Nägele.
Die Verteidigung plädierte auf Freispruch für ihren Mandanten. Der Beweis, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, sei nicht erbracht. Die einzelnen Indizien seien nicht ausreichend. Selbst dass die Tatwaffe im Tresor des Mandanten gefunden wurde, müsse nicht heißen, dass er der Schütze war. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein anderer Zugriff auf die Waffe gehabt habe, so Rechtsanwalt Andreas Hatz.
Verteidiger in Heilbronn: Angeklagter hätte die Tat wohl nicht mit eigener Waffe begangen
Darüber hinaus sei zu Bedenken, dass der Angeklagte, der von sich selbst sage, er sei ein Perfektionist, wohl nicht mit seiner eigenen Waffe die Tat begangen hätte. Weil jeder, der mit Waffen zu tun hat, wisse, dass die Schüsse eindeutig einer Waffe zuzuordnen seien.
Für den Fall, dass die Richter dennoch den Angeklagten für den Täter hielten, forderte der zweite Anwalt, Felix Schmidt, seinen Mandanten dennoch freizusprechen. Der seit 2011 wegen paranoider Schizophrenie behandelte Angeklagte habe sich zum Tatzeitpunkt in einer akuten psychotischen Phase befunden und sei daher mindestens vermindert schuldfähig. Das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Michel bezeichnete Schmidt als mangel- und fehlerhaft.
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