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Kochendorfer Doppelmordprozess: Angeklagter hält sich offenbar für unschuldig

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Unter anderem, weil er im Januar zwei Arbeitskollegen in der Bad Friedrichshaller Firma Hänel erschossen haben soll, steht ein 53-Jähriger in Heilbronn vor Gericht. Ehemalige Ärzte des Angeklagten haben sich am Montag zu dessen psychischem Zustand geäußert.


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Der Angeklagte B. im Kochendorfer Doppelmordprozess hält sich offenbar für unschuldig und zu Unrecht angeklagt. So soll sich der 53 Jahre alte Beschuldigte wenige Tage nach den tödlichen Schüssen im Pausenraum der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg geäußert haben. Das sagte am Montag der Ärztliche Direktor und forensische Psychiater der Einrichtung am 13. Prozesstag vor der ersten Schwurgerichtskammer des Heilbronner Landgerichts.

Angeklagter im Kochendorfer Doppelmordprozess will sich nicht an Tat erinnern

Im Prozessverlauf hatte B. seine Anwälte erklären lassen, er habe weder eine Erinnerung an den Tatzeitraum noch an die Tat selbst. Im Gespräch mit dem Ärztlichen Direktor des Justizvollzugskrankenhauses habe der Angeklagte gewusst, was ihm vorgeworfen wird. Von Erinnerungslücken sei nicht die Rede gewesen. „Er hat immer gesagt, dass er unschuldig ist“, so der Ärztliche Direktor.

In das Krankenhaus eingeliefert wurde der Angeklagte offenbar wegen Suizidalität, also möglicher Gedanken an Selbstmord. Eindeutige psychotische Symptome habe der Forensiker aber nicht erkennen können. „Er war nicht sehr gesprächig“, sagte der Zeuge. Das habe sich auch im Laufe seinen Aufenthaltes bis Mai nicht geändert. „Er wollte keine tiefgehenden Gespräche führen.“ Wenn überhaupt, dann nur mit dem Chef- oder einem Oberarzt, so der Psychiater weiter.

Psychiater in Heilbronn: Angeklagter war gereizt, wenn seine Wünsche nicht erfüllt wurden

„Gereizt und angespannt“ habe er gewirkt, „wenn seine Wünsche nicht schnell erfüllt wurden“. Dabei sei es unter anderem um Medikamente gegangen, die B. zum Einschlafen genommen hatte. Oder wenn er nicht in eine andere Abteilung verlegt worden sei, in die der Angeklagte habe wechseln wollen.

Das Heilbronner Landgericht verhandelt gegen einen 53 Jahre alten Mann aus Seckach. Er soll in Bad Friedrichshall unter anderem zwei Arbeitskollegen erschossen haben.
Das Heilbronner Landgericht verhandelt gegen einen 53 Jahre alten Mann aus Seckach. Er soll in Bad Friedrichshall unter anderem zwei Arbeitskollegen erschossen haben.  Foto: Seidel, Ralf

Mutmaßlich leidet B. unter paranoider Schizophrenie. Mit dieser Diagnose des Psychiatrischen Zentrums in Wiesloch kam der heute 53 Jahre alte Beschuldigte vor rund 14 Jahren zur Behandlung in die ambulante Psychiatrie in Mosbach. Die dort behandelnde Fachärztin für Psychiatrie ging offenbar von einem chronischem Verlauf aus. „Er wollte aber nicht über die Krankheit sprechen“, sagte die 62 Jahre Medizinerin in einer live geschalteten Videovernehmung als Zeugin vor der Schwurgerichtskammer.

Ärztin in Heilbronn: Beschuldiger sah sich selbst nicht als krank an

Wegen des psychiatrischen Befundes hat der Angeklagte einen Schwerbehindertenausweis. Wahrhaben wollte er seine Krankheit aber offenbar nicht. Die Gespräche in der ambulanten Behandlung seien so gut wie immer nach dem gleichen Muster gelaufen. Auf die Frage, wie es ihm gehe, habe er stets nur mit „gut“ geantwortet. „Er wollte nicht über seine Krankheit sprechen“, so die Zeugin. „Er sah sich nicht als krank an.“

Entsprechend seien Terminplanungen mit dem Angeklagten nur schwer möglich gewesen. Er sei nur unregelmäßig erschienen. Gekommen sei er meistens nur, um das Rezept für sein Medikament Quetiapin 300 Milligramm Retard zu bekommen.

Die Gespräche hätten mitunter nur zehn Minuten gedauert. Dabei sei der Beschuldigte zwar immer freundlich, aber auch sehr angespannt gewesen. „Er hat kein Vertrauen zu den Menschen und hat sich schnell bedrängt gefühlt“, sagte die Therapeutin. 2012 beschäftigten ihn offenbar Weltuntergangsgedanken. In dieser Phase sei es ihm wichtig gewesen, seine Familie zu versorgen. Der Angeklagte ist verheiratet und hat drei Töchter.

Angeklagter war offenbar der Meinung, er müsse immer die Drecksarbeit machen

Bei seinen verschiedenen Arbeitsstellen habe er sich zurückgesetzt gefühlt. „Er war der Meinung, dass er die Drecksarbeit machen muss. Er fühlte sich erniedrigt.“ Und offenbar auch zu schlecht bezahlt.

Dass er bereits mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung hatte und bei seinen verschiedenen Arbeitsplätzen mehrfach Kollegen körperlich angegriffen haben soll, wusste die Psychiaterin nicht. Sie kannte nur den Angriff aus dem Jahr 2017 auf einen Mitarbeiter, den der Angeklagte für homosexuell gehalten haben soll.

Zuletzt hatte die Mosbacher Therapeutin den Beschuldigten im Oktober 2024 in der ambulanten Behandlung gesehen. Auch bei diesem Termin habe er darüber geklagt, dass sein Lohn bei seinem neuen Arbeitgeber Hänel zu niedrig sei. Von Problemen mit Kollegen habe er nichts gesagt. „Eine akute psychotische Symptomatik habe ich nicht festgestellt“, sagte die Psychiaterin. Rund drei Monate später soll er laut Anklage die tödlichen Schüsse in Bad Friedrichshall abgegeben haben.

Am 7. Januar soll der Angeklagte B. aus Seckach zwei seiner Arbeitskollegen im Pausenraum der Zahnradfabrik Hänel erschossen und einen weiteren Mitarbeiter schwer verletzt haben. Die tödlichen Schüsse soll er laut Staatsanwaltschaft mit seiner halbautomatischen Pistole abgegeben haben. Bei seinen psychotherapeutischen Gesprächen war der Waffenbesitz offenbar nie Thema. Weder die behandelnde Psychiaterin in Mosbach noch der Ärztliche Direktor des Justizvollzugskrankenhauses wussten davon. 

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