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Landgericht Heilbronn
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Kochendorfer Doppelmordprozess: Gutachter erwischt Verteidigung auf falschem Fuß

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Im Doppelmordprozess vor dem Heilbronner Landgericht haben am Dienstag zwei Sachverständige ihre Gutachten vorgestellt. Das Ergebnis des psychiatrischen Gutachters kam für die Verteidigung offenbar überraschend. Die Sitzung wurde unterbrochen.


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Der Angeklagte im Bad Friedrichshaller Doppelmordprozess ist offenbar uneingeschränkt schuldfähig. Zu diesem Schluss kam der psychiatrische Sachverständige und Ärztliche Direktor des Weinsberger Klinikums am Weissenhof (ZfP), Dr. Matthias Michel. Demnach lägen keinerlei Hinweise vor, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt auch nur eingeschränkt steuerungsunfähig gewesen sein könnte, sagte Michel am Dienstagabend. Die Verteidigung beantragte daraufhin eine Unterbrechung der Sitzung.

Für eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung im Falle eines Schuldspruchs liegen laut Michel keinerlei Anhaltspunkte vor. Zwar leidet der Beschuldigte offenbar seit Ende 2010 unter einer paranoiden Schizophrenie. Er ist aber seitdem dauerhaft in psychiatrischer Behandlung. Zunächst für kurze Zeit stationär im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch, anschließend bis zuletzt ambulant in der Mosbacher psychiatrischen Institutsambulanz. 

Am 7. Januar soll der Angeklagte B. zwei seiner Kollegen im Pausenraum der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel erschossen und einen weiteren Mitarbeiter schwer verletzt haben. Ein vierter Beschäftigter der Fabrik konnte noch rechtzeitig flüchten. Er blieb unverletzt.

Kochendorfer Doppelmordprozess: Angeklagter litt bei Ausbruch seiner Krankheit offenbar an Wahnvorstellungen

Wegen seiner paranoiden Schizophrenie hat der 53-Jährige einen Schwerbehindertenausweis. Beim Ausbruch seiner Krankheit litt er offenbar unter Wahnvorstellungen. So soll er unter anderem geglaubt haben, er sei der Enkel von Adolf Hitler und der Vater von Eva Braun. Auch fühlte er sich beschattet und unterwegs in göttlicher Mission.

Im Januar soll der 53 Jahre alte Angeklagte unter anderem zwei seiner Arbeitskollegen erschossen haben. Dafür muss er sich vor dem Landgericht verantworten.
Im Januar soll der 53 Jahre alte Angeklagte unter anderem zwei seiner Arbeitskollegen erschossen haben. Dafür muss er sich vor dem Landgericht verantworten.  Foto: Seidel, Ralf

Mit seiner medikamentösen Einstellungen besserte sich sein Zustand aber offenbar schnell. Er nimmt das Medikament Quetiapin 300 Milligramm. Seitdem sei sein Zustand konstant stabil, auch nachts könne er gut schlafen, habe der Angeklagte dem psychiatrischen Gutachter gesagt. Für eine „relevante psychotische Symptomatik“ während der Tatzeit liegen für Michel keine Hinweise vor.

In der Firma Hänel habe es keine Probleme gegeben, habe B. gegenüber dem Psychiater betont. „Hänel sei ein guter Arbeitgeber“, habe er gesagt. Zu den beiden Todesopfern habe er ein gutes Verhältnis gehabt. Er sei für seine Arbeit auf deren Expertise angewiesen gewesen. Auch habe er selbst während seiner Zeit bei Hänel keine gesundheitlichen Veränderungen an sich festgestellt, habe der Angeklagte gesagt.

Psychiater hält Erinnerungslücke des Angeklagten für eine Schutzbehauptung

An den Tatzeitraum und die Tat könne sich B. nicht erinnern, hatte er seine Anwälte in der Hauptverhandlung vor der ersten Schwurgerichtskammer sagen lassen. Gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen hatte der Angeklagte im Rahmen einer Exploration gesagt, er habe keine Erinnerung mehr an die Zeit zwischen November 2024 und seiner Verhaftung im Januar 2025. „Ich halte das für eine Schutzbehauptung“, sagte Michel. 

Die beiden Verteidiger beantragten daraufhin eine Unterbrechung. Sie wollen sich mit ihrem Mandanten besprechen. Womöglich gibt es jetzt eine Einlassung des Angeklagten zum Tatvorwurf. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Seckacher unter anderem zweifachen Mord und Mordversuch vor.


Zuvor hatte der Tübinger Rechtsmediziner Professor Frank Wehner sein Gutachten vorgestellt. Er hatte die Leichen der beiden Todesopfer bereits am Tatort in Augenschein genommen und sie am 9. Januar im Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus obduziert. 

Bei beiden Opfern liegen „massive schussbedingte Polytraumata“ vor, so der Gutachter. So dass letztendlich aufgrund der Vielzahl der Einschüsse in Köpfe und Körper eine Rekonstruktion der Schussfolge nur vermutet werden könne.

Rechtsmediziner geht von finalen Schüssen in die Köpfe der Todesopfer aus

Wehner geht davon aus, dass beide Getöteten zunächst stehend in Arme und Körper getroffen wurden. Die finalen Kopfschüsse habe der Täter bei beiden Todesopfern abgegeben, als sie bereits am Boden lagen. Anzeichen von Abwehrverletzungen hat der Rechtsmediziner bei keinem der Opfer festgestellt. Auf einen der beiden Getöteten wurden zehn Schüsse abgegeben, auf den anderen fünf.

Auf den schwerverletzten Geschädigten habe der Schütze laut Wehner mindestens drei Mal geschossen. Auch hier vermutet der Rechtsmediziner, dass der letzte Schuss in den Kopf ging, als das Opfer bereits am Boden lag. Dadurch verlor der Geschädigte sein rechtes Auge. Auf dem linken Auge bleibe er blind, so der Sachverständige. „Ein Nerv, der kaputt ist, kann man nicht operativ ersetzen“, sagte Wehner.

Der Beschuldigte wurde bereits mehrfach wegen Körperverletzung angezeigt. Unter anderem soll er bei seinen verschiedenen Arbeitsplätzen mehrfach Kollegen körperlich angegriffen haben. Darüber hinaus soll er seinen Hund misshandelt haben. Das Tier wurde B. offenbar entzogen.

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