Kochendorfer Doppelmordprozess: Schwerverletzter wohl von Aussagepflicht befreit
Im Prozess wegen der tödlichen Schüsse in der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel hat das Heilbronner Landgericht am Mittwoch eine weitere Polizeibeamtin gehört. Das Schwurgericht wird den schwerverletzten Geschädigten voraussichtlich nicht als Zeugen laden.
Zwei seiner Kollegen soll der Angeklagte B. am 7. Januar 2025 im Pausenraum der Zahnradfabrik Hänel erschossen haben. Einen dritten Mitarbeiter hat er laut Anklage schwer verletzt. „An den Tattag konnte er sich so gut wie gar nicht erinnern“, habe der Schwerverletzte bei seiner Vernehmung angegeben. Das sagte am Mittwoch die Heilbronner Oberkommissarin, die mit dem Geschädigten am 22. Juli und zuletzt am 2. Oktober gesprochen hat. Angaben mache er zwar. Unklar sei aber, woran er sich selbst wirklich erinnern könne und was er aus Erzählungen seiner Familie verinnerlicht habe.
Den Namen des Angeklagten habe der Geschädigte nicht genannt. Aber auch keinen anderen Namen. Wenn er vom Täter redete, habe er immer nur von „ihm“ gesprochen. Beschrieben habe er ihn nach seiner Größe, seinem Alter und seiner Herkunft. Demnach sei der Todesschütze etwa so groß wie er selbst, 1972 geboren, und er sei, wie der Geschädigte selbst auch, in der ehemaligen Sowjetunion geboren.

Doppelmord in Kochendorf: Schwerverletztes Opfer der Schüsse will nicht öffentlich aussagen
Der Schütze hat dem Schwerverletzten in den Kopf und in einen Arm geschossen. „Den Arm kann er so gut wie gar nicht benutzen“, sagte die Polizeibeamtin. Das rechte Auge hat er verloren. Auf anderem Auge kann er nichts mehr sehen. „Er klammert sich an die Hoffnung, dass er nach mehreren Operationen wieder sehen kann“, sagte die Oberkommissarin. Ansonsten würde er nicht mehr weiterleben wollen. An einem vorangegangenen Prozesstag hatte einer der operierenden Chirurgen am Klinikum am Gesundbrunnen ausgesagt, dass der Geschädigte für immer blind bleiben werde.
Nach draußen gehe er nicht mehr. Er wolle nicht, dass andere ihn so sehen, sagte die Polizistin. Wenn überhaupt, müsse seine Familie weit mit ihm wegfahren, wo ihn niemand kenne. Auch deshalb wolle er selbst nicht vor Gericht als Zeuge aussagen. „Eine eigene Vernehmung hat er rigoros abgelehnt“, so die Ermittlerin.
Der Vorsitzende Richter Martin Liebisch hatte bereits eingangs des Prozesstages darauf hingewiesen, dass die Kammer auf den schwerverletzten Geschädigten als Zeuge verzichten wolle. „Weil es ihm nicht gut täte. Und die Vernehmung uns inhaltlich nicht weiterbringen wird“, so Liebisch. Zumal der Geschädigte nicht unterscheiden könne, was er selbst erlebt hat und was ihm über die Tat berichtet worden ist.
Angeklagter fragte Polizistin offenbar nach einer Klarsichthülle für den Haftbefehl
Auch mit dem Angeklagten hat die Polizistin in der Nacht seiner Verhaftung und am nächsten Tag gesprochen. Demnach sei er zuerst „schon fast apathisch“ gewesen. Am nächsten Tag sei er wacher gewesen. Eine emotionale Regung habe er in ihrer Gegenwart aber kein einziges Mal gezeigt. Stattdessen habe er bei der Fahrt im Auto zum Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg nach einer Klarsichthülle für seinen Haftbefehl gefragt.
Am 7. Januar soll der Angeklagte im Pausenraum der Bad Friedrichshaller Zahnradfabrik Hänel um 17.43 Uhr zwei seiner Kollegen erschossen und einen weiteren Mitarbeiter schwer verletzt haben. Ein vierter Beschäftigter konnte noch rechtzeitig flüchten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 53 Jahre alten Beschuldigten unter anderem zweifachen Mord und versuchten Mord vor. Der Angeklagte hat einen Schwerbehindertenausweis, weil er mutmaßlich an paranoider Schizophrenie leidet.

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