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Nach Aufregung über "rassistische" Faschingsdeko: Was sind die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle?

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Die Dekoration von Faschingskrapfen in einer Heilbronner Bäckerei hat in der Faschingszeit bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der Grund: Die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn hatte sich eingeschaltet. Der Fall gibt Anlass, Aufgaben und Alltag der öffentlich finanzierten Stelle genauer zu betrachten. Eine Analyse.

 Foto: Uwe Anspach

Der Fall hat deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Der Heilbronner Bäcker Ralf Herrmann hatte seine Berliner zur Faschingszeit, wie seit Jahren, nicht nur mit einem besonderen Guss verziert, sondern auch aufwendig dekoriert. Darunter waren Pappfiguren in Kostümen, die unter anderem als Asiaten, Cowboys und Schwarze mit Bastrock und Knochen am Hals erkenntlich waren.

Das rief eine Mitarbeiterin der Antidiskriminierungsstelle (Adi) der Stadt Heilbronn auf den Plan. "Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass sich Darstellungen dieser Art stereotypen Bildern bedienen. Es handelt sich um eine Reproduktion kolonialistischer Vorstellungen und einer Geschichte von Unterdrückung und kultureller Aneignung. Kulturelle Aneignung und die Reproduktion rassistischer Stereotype haben im Fasching eine lange Tradition", heißt es unter anderem in dem Schreiben, das diese an den Bäcker schickte.


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Zustimmung für den Bäcker aus der Region

Am Ende wurde darum gebeten, "das Dekorationsmaterial diskriminierungssensibel abzuändern". Ralf Herrmann verstand die Welt nicht mehr. Er machte das Vorgehen der Adi öffentlich und erntete in sozialen Netzwerken und Leserbriefen eine Welle der Sympathie. Auch deutschlandweit gab es überwiegend Zustimmung für den Bäcker, nachdem auch überregionale Medien tagelang darüber berichteten. Nun taucht über den Einzelfall hinweg die Frage auf: Was sind eigentlich die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle, die im Dezember 2020 als eine von acht dieser Stellen im Land ihre Arbeit für Stadt- und Landkreis aufnahm?


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Die Antidiskriminierungsstelle sieht drei Aufgaben

Die neu gegründete Antidiskriminierungsstelle wurde unter dem Dach des Vereins Stadt- und Kreisjugendring Heilbronn angesiedelt, der einen Antrag auf Förderung gestellt hatte. Nachdem die Adi zunächst mit einer 40-Prozent-Stelle vom Land gefördert wurde, wurde der Stellenanteil 2023 auf 80 Prozent erhöht. Das Land steuert inzwischen 40.000 Euro jährlich bei. Von der Stadt Heilbronn kommen 10.000 Euro, noch einmal 10.000 Euro schießt der Landkreis zu. Damit werden aktuell zwei 40-Prozent-Stellen bezahlt.

Vor allem drei Aufgaben habe die Adi, sagt die Geschäftsführerin des Stadt- und Kreisjugendrings Mirjam Sperrfechter: Beratung von Betroffenen und Institutionen, Qualifizierung und Sensibilisierung durch Workshops sowie Vernetzung aller Akteure und Öffentlichkeitsarbeit. "Grundlage unserer Arbeit ist das AGG", versichert Sperrfechter. Dieses Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat seit 2006 zum Ziel, Benachteiligungen aus ethnischen oder rassistischen Gründen, wegen Geschlechts, Religion, Behinderung, Alters oder sexueller Identität zu verhindern oder zu beseitigen.


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Offenbar wenige zu bearbeitende Fälle

Die Zahl der Fälle, die Adi behandelt, hält sich allerdings in Grenzen. Im Jahr 2022 gibt die Stelle 20 Beratungen an. Zudem wurden 42 Workshops im gleichen Jahr veranstaltet. "Ist die Menge der Maßstab?", fragt Sperrfechter auf Nachfrage zurück. Eine Frage, die unbeantwortet bleibt.

Wer den Flyer der Adi aufschlägt, stößt zunächst auf den Grundsatz der Antidiskriminierungsarbeit, den sich die Institution selbst gibt: "Nicht die Absicht zählt, sondern die Wirkung", steht in großen Buchstaben auf einer der Karten. Eine Leitlinie, die rein rechtlich keinen Bestand hat. Wer sich die Karten mit den Diskriminierungsmerkmalen im Einzelnen anschaut, stößt ebenfalls auf diskussionswürdige Aussagen. "Menschen, die als nicht-weiße Menschen wahrgenommen werden, erleben Rassismus", steht auf der Karte, die sich mit dem Thema ethnischer Herkunft beschäftigt - eine grundsätzliche Behauptung, die im weiteren nicht hinterfragt wird.


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Bäcker Ralf Herrmann steckt in seiner Bäckerei eine Dekorationsfigur in einen Faschingskrapfen. Der Heilbronner Bäcker, dessen dekorierte Berliner die Antidiskriminierungsstelle teils als stigmatisierend kritisiert, will die figürlichen Pappstecker weiter verwenden.
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Stattdessen wird im unteren Teil unter dem Stichwort "Aufgepasst bei …" unter anderem vor Aussagen wie "Musik liegt Dir im Blut" gewarnt. Beim Thema Sozialer Status wird per se unterstellt, dass arme oder alleinerziehende Menschen "in einer Leistungsgesellschaft Diskriminierung erleben". Unter "Aufgepasst bei ..." steht "Annahmen einer Selbstverschuldung".

Auf die Frage, ob derartige Einstellungen eine Gesellschaft nicht auch spalten könnten, sagt Sperrfechter: "Ich sehe nicht, dass das zur Spaltung führt. Wir haben die Arbeit nicht erfunden, wir führen sie nur aus". Im Fall des Bäckers hat die Sozialpädagogin eine klare Meinung: "Der Beschwerdebrief ist ein probates Mittel. Wir würden es bei entsprechenden Fällen wieder so machen." Dabei bekommt sie Rückendeckung von Harry Mergel. "Ihrer Aufgabe ist die Adi bis heute in Form und Inhalt korrekt und maßvoll gerecht geworden", urteilt der Oberbürgermeister. Landrat Norbert Heuser will im konkreten Fall des Bäckers keine Bewertung abgeben.


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