Aufregung um angeblich rassistische Faschingskrapfen in Heilbronn
Die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn fordert einen Bäcker auf, seine Berliner künftig ohne Deko zu verkaufen. Das Schreiben sorgt in den Sozialen Medien für Empörung, der Bäcker versteht die Aufregung nicht.

Faschingskrapfen sind beliebt, zumal jene mit Eierlikör und Baileys. In einer Heilbronner Bäckerei jedoch blieben genau die offenbar einer Kundin im Halse stecken. Wegen der aufgesteckten Deko-Pappmännchen in unterschiedlichen Kostümen und Hautfarben meldete die Frau die Berliner samt Foto bei der Antidiskriminierungsstelle Heilbronn.
Daraufhin verschickte man dort am 30. Januar ein Schreiben an den Bäcker und forderte ihn auf, "das Dekorationsmaterial diskriminierungssensibel" abzuändern, weil es sich "um eine Reproduktion kolonialistischer Vorstellungen und einer Geschichte von Unterdrückung und kultureller Aneignung" handele.
Am vergangenen Wochenende nun schlägt das Ganze nach einem Facebook-Post in den sozialen Medien hohe Wellen. Bäcker Ralf Herrmann versteht die ganze Aufregung nicht: "Ich habe zuerst gedacht, das ist ein schlechter Witz."
Deko-Firma hat Lieferschwierigkeiten
Berliner backt Herrmann regelmäßig, aktuell liegen sie aber ohne Deko in der Auslage. Allerdings weil eine Firma Lieferschwierigkeiten hat, nicht etwa als Reaktion auf die Mail, die dem Bäcker von der Antidiskriminierungsstelle ins Haus flatterte. Seit fast 25 Jahren betreibt Herrmann seine Bäckerei, die Faschingsdeko ist seit Jahren dieselbe. "Ich habe niemand rassistisch beleidigt", ist der Unternehmer sicher. Die Aufregung sei lächerlich, findet er.
Dem Handwerker machen derzeit ganz andere Sachen zu schaffen. Strom- und Gaspreise machen den Konditoren genauso wie anderen Betrieben zu schaffen. Es mangelt an Nachwuchs und Fachkräften.
Seiner Ansicht nach sollte sich die Antidiskriminierungsstelle um wichtigere Dinge kümmern als um seine Krapfen, sagt Herrmann, dem es wichtig ist, die Geschichte öffentlich zu machen. Auch viele seiner Kunden hätten mit Unverständnis reagiert, deren Reaktion sei gewesen: Wenn eine Figur auf einem Berliner zum Problem wird, könne man bald keinen Fasching mehr feiern.

Stelle hat andere Aufgaben
Das sieht Marion Rathgeber-Roth ähnlich. Die Heilbronner Stadträtin (Unabhängige für Heilbronn) findet das Schreiben der Antidiskriminierungsstelle (Adi) nach eigener Aussage nicht passend. "Aus meiner Sicht hat die Adi eine andere Aufgabe." Nämlich die Beratung von Betroffenen sowie Unterstützung bei Teilhabe und Inklusion. Selbstverständlich solle die Stelle, die unter anderem von Stadt und Land finanziert wird, auch sensibilisieren, "aber doch nicht mit erhobenen Zeigefinger", sagt die Kommunalpolitikerin.
Bei der Antidiskriminierungsstelle beschwichtigt Mirjam Sperrfechter, Geschäftsführerin des Trägers Stadt- und Kreisjugendrings ebenfalls: "Es gibt sicher wichtigere Themen." Dennoch sei es Aufgabe der Adi, auf Meldungen zu reagieren.
Hassmails und Beschimpfungen
Seit das Schreiben jedoch bei Facebook veröffentlicht wurde, kommen Hassmails und Beschimpfungen. "Die rechte Ecke instrumentalisiert das Thema", erklärt Sperrfechter. Dabei sei es Aufgabe der Stelle, die Auslöser von Diskriminierung anzusprechen - im Falle der Berliner war das die Deko. "Wir weisen nur darauf hin", so Sperrfechter. Rechtliche Konsequenzen gebe es keine. "Aber es geht darum, welches Bild wir vermitteln wollen, auch unseren Kindern."
Eine der Figuren war mit dunkler Hautfarbe, Bastrock und Knochen um den Hals dargestellt. Das seien stereotype Bilder, heißt es im Schreiben an Ralf Herrmann. "Die Bilder, die dabei entstehen, haben nichts mit der realen Lebenswelt von Schwarzen und indigenen Menschen zu tun."
Einfach verkleidete Männchen oder Diskriminierung?
Auf Facebook sind die User unterschiedlicher Meinung. "Warum muss man denn immer gleich rassistisch oder diskriminierend denken?", fragt eine Kommentatorin. Es seien einfach verkleidete Männchen, findet sie. Eine andere Frau bedauert hingegen, dass sich wenige mit der Thematik auseinandersetzen, ein User spricht von "empörter Ekstase", bei der die Masse ausraste, "ohne zu hinterfragen". Ein anderer schlägt vor, auch gleich das Wort "Berliner" zu verbieten, schließlich könnte es ein Hauptstadtbewohner missverstehen. Ein Kommentator wirft der Antidiskriminierungsstelle vor, sie sei "hypermoralisierend".
Kein persönliches Gespräch
Man wolle die Faschingszeit zu einem "unterhaltsamen und diskriminierungsfreien Erlebnis machen", schreibt die Referentin der Antidiskriminierungsstelle, Bianca Kuhn. Für Gespräche stehe man jederzeit zur Verfügung.
Persönlich gemeldet hat sich bislang niemand bei Ralf Herrmann. Er weiß auch nicht, wer die Meldung gemacht hat. Die ganze Aufregung aber macht den 55-Jährigen ratlos: "Ich frage mich, ob wir keine anderen Probleme auf der Welt haben."