Kinderporno-Fall: Anwalt rechnet mit Haft und Berufsverbot für Ex-Erzieher
Der Anwalt des wegen Kinderpornografie und schweren Kindesmissbrauchs verhafteten Heilbronner Erziehers spricht über das Vorgehen seines Mandanten.

Er hat vorher alle getäuscht, die Kirche, seine Familie, mich als Anwalt. Doch jetzt will er Verantwortung übernehmen und sich allem stellen." Dies hat Thomas Amann, Anwalt des wegen Kinderpornografie und schweren Kindesmissbrauchs verhafteten Heilbronner Erziehers, am Dienstag im Gespräch in der Stimme-Redaktion gesagt.
Auf Wunsch seines 31-jährigen Mandanten hat der auf Sexualstraftaten spezialisierte Anwalt aus Bietigheim-Bissingen ein solches Gespräch angeregt. Jetzt räumt er ein, dass der frühere Kindergartenleiter einen Jungen, den er privat gut kannte, über Jahre körperlich sexuell missbraucht habe. Dies habe er gegenüber der Staatsanwaltschaft von sich aus gestanden, bevor Ermittler es gewusst hätten, betont Amann.
Erzieher will verunsicherte Eltern beruhigen
Warum er die Übergriffe startete, kann der Anwalt nicht sagen. Er spricht von einer starken Freundschaft zu dem Jungen, möglicherweise von einem emotionalen Sog wie bei einer sexuellen Sucht. Mit Blick auf den Kindergarten oder andere Einrichtungen in Heilbronn, wo der Erzieher engagiert war, habe es keinen körperlichen sexuellen Missbrauch gegeben, erklärt Amann. Es sei seinem Mandanten ein Anliegen, dies den verunsicherten Eltern mitzuteilen. Ob es die Wahrheit ist, kann der Anwalt nicht beschwören. Er sagt: "Ich gehe davon aus, dass es nichts mehr gibt."
Dass es aber auch Fotos von einer Kinderfreizeit gibt, auf denen der Genitalbereich von Jungen zu sehen ist, räumt der Anwalt ein. Wie sie zustande kamen, ob es Schnappschüsse oder gestellte Posen waren, sei noch ungeklärt. Amann weiß nicht, ob der Erzieher seinen Beruf gezielt ausgewählt hat, um seine Neigungen auszuleben. Er verweist auf ein psychiatrisches Gutachten, das das Klinikum in Weinsberg über den Beschuldigten erstellen soll. Es solle Hintergründe erhellen und klären, ob beim 31-Jährigen Wiederholungsgefahr besteht, sein Handeln krankhaft ist. Sein Mandant werde sich untersuchen lassen. Weil er inzwischen realisiert habe, was für einen Schaden er "dem Jungen zugefügt hat". Jetzt öffne er sich, steige tief in die eigene dunkle Seele ein und sei auch "erleichtert, dass es zu Ende ist".
Gerichtstermin
Nachdem die Staatsanwaltschaft von einer Anklage bis September gesprochen hatte, hält Rechtsanwalt Thomas Amann einen noch früheren Termin für möglich. "Der Zeitpunkt hängt davon ab, wann das psychiatrische Gutachten vorliegt. Aber ich hoffe auf ein Verfahren vor der Großen Jugendkammer am Landgericht in Heilbronn im Juni", sagt der Rechtsanwalt aus Bietigheim-Bissingen. Jugendkammern können zuständig sein, wenn von Erwachsenen begangene Straftaten etwa Kinder, Jugendliche oder den Jugendschutz betreffen.
Angst vor Job-Verlust

Weshalb der Kindergartenleiter nicht gleich nach der Hausdurchsuchung im Mai 2016, als Ermittler nach einem Hinweis Tausende Kinderpornodateien bei ihm fanden, reinen Tisch gemacht und seinen Arbeitgeber informiert hat? Der Anwalt spricht von Angst, "dass er seinen Job verliert." Die Kirche, der von Eltern ein zögerlicher Umgang mit dem Beschuldigten vorgeworfen wird, nimmt der Anwalt teilweise in Schutz. "Am Anfang war nur bekannt, dass es eine Hausdurchsuchung gab und einige Bilder gibt."
Er selbst, so Amann, sei am Anfang von seinem Mandanten auch angelogen worden, dass es außer den Bildern sonst nichts gebe. Auch die Familie des Erziehers habe von seiner Neigung und den Taten nichts gewusst. "Sie war völlig entsetzt." Amann spricht von Beleidigungen via Facebook, sogar von einer Morddrohung gegen die Mutter. "Auch sie fühlen sich in ihrem Vertrauen missbraucht und wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen."
Im Prozess rechnet der Anwalt mit einer Haftstrafe. Sein Ziel ist, eine Entscheidung mit einer Therapiemöglichkeit zu erreichen.
Verbotsspanne, Schmerzensgeld, Fotomaterial
Bei einem Urteil gegen den früheren Kindergartenleiter rechnet sein Anwalt Thomas Amann auch mit einem zeitweiligen Berufsverbot. Er taxiert die Spanne auf fünf bis sieben Jahre, bis Therapie, Heilung und Stabilisierungsphase erfolgt seien. Ob sein Mandant nach der Haft in der Region Heilbronn bleiben wird, glaubt er eher nicht. Einen Wegzug stuft er als sinnvoll ein.
Zudem rechnet Amann nach dem Strafprozess mit zivilrechtlichen Forderungen der Familie des missbrauchten Jungen, mit Schmerzensgeld, Schadenersatz, möglichen Therapiekosten.
Unterdessen hat die Heilbronner Staatsanwaltschaft auf Anfrage aktuell mitgeteilt, dass es derzeit "keine Hinweise darauf gibt, dass der Beschuldigte in einer Einrichtung Kinder in strafbarer Weise fotografiert hat". Das beschlagnahmte Material werde händisch dahingehend untersucht, ob ein weiterer Missbrauch zu erkennen ist. Sollte dies der Fall sein, werde alles daran gesetzt, Opfer zu identifizieren.
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