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Kinderporno-Fall: Kirche zahlt Erzieher immer noch Gehalt

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Kindergarteneltern sind entsetzt und demonstrieren bei der Heilbronner Kirchengemeinderatssitzung. Das Kirchenkrisenteam räumt Fehler ein. Der Kirchenpfleger zeigt sich selbst an.

Von Helmut Buchholz

Der Erzieher, der wegen Kinderpornografiebesitz und Kindesmissbrauch in Untersuchungshaft sitzt, bekommt immer noch Gehalt von seinem Arbeitgeber, der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Heilbronn. Das gab Pfarrer Steven Häusinger vom Kirchenkrisenteam am Montagabend bei der Kirchengemeinderatssitzung der Gesamtkirchengemeinde im Hans-Rießer-Haus bekannt.

Zwar sei der 31-Jährige frühere Leiter des kirchlichen Wilhelm-Busch-Kindergartens mit einem Aufhebungsvertrag Mitte Januar entlassen worden. Teil des Kontrakts war aber offenbar, dass der Erzieher bis Ende August weiterhin seine Bezüge erhält. Die Kirchenverwaltung habe aber einen Rechtsanwalt eingeschaltet, dem 31-Jährigen sei jetzt fristlos gekündigt worden.

Entsetzen bei den Eltern

Dass der Erzieher in U-Haft immer noch Gehalt von der Kirche bezieht, löste bei den Kindergarteneltern fassungsloses Kopfschütteln aus. „Ich bin schockiert“, sagte eine Mutter unter Tränen. Die Eltern hatten die ganze Diskussion über protestiert, indem sie stehend Karten mit dem Oster-Fasten-Motto der Kirche zeigten, auf dem stand: „Zeig dich – sieben Wochen ohne kneifen“. Eine Mutter sagte nach der Diskussion, dass sie jedoch Vertrauen in das Krisenteam habe.

Vertreter des Krisenteams hatten zuvor große Fehler im Kinderporno-Fall aufgedeckt. „Der Erzieher hätte im September 2017 freigestellt werden müssen“, erklärte Häusinger. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei die Kirchenleitung längst kontaktiert. Kirchenpfleger Rolf Krieg wusste über die Ermittlungen gegen den Erzieher Bescheid. Es hätte auch, so Häusinger weiter, „die Information externer Aufsichtsinstitutionen und interner Gremien erfolgen müssen“. Stattdessen arbeitete der Erzieher unbehelligt bis 22. Januar 2018 weiter im Kindergarten. Eltern, die Kolleginnen des Erziehers und selbst der Pfarrer erfuhren erst aus der Presse von den Vorwürfen gegen den 31-Jährigen.

Selbstanzeige des Kirchenpflegers

Schuldekan Jürgen Heuschele sagte in einer vorläufigen Einschätzung der Versäumnisse: „Kinder wurden unnötig gefährdet. Unsere Kindergartenarbeit hat Schaden erlitten und an Vertrauen verloren.“ Arbeitsrechtliche Erwägungen und weniger die Bemühungen um das Kindeswohl „haben eine Rolle gespielt“. Heuschele gab bekannt, dass Kirchenpfleger Krieg zur Aufklärung des Falls sich selbst angezeigt habe und nun ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird. 

Pfarrer Matthias Treiber, auch Mitglied im Krisenteam, redete von einem PR-Desaster. Grundsätzlich müsse man in solchen Krisenfällen der Öffentlichkeit „alles sofort sagen, sonst holt man sich eine blutige Nase. Genau das ist passiert.“

 

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