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Weiteres Versäumnis im Heilbronner Kindeporno-Fall

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Heilbronner Ermittler brauchten über ein Jahr, bis klar war, dass der Tatverdächtige Erzieher ist und im Kindergarten arbeitet. Darum wurde sein Arbeitgeber auch nicht früher informiert.

Von Helmut Buchholz
Foto: dmitrimaruta/stock.adobe.comFoto: Berger
Foto: dmitrimaruta/stock.adobe.comFoto: Berger  Foto: dmitrimaruta/stock.adobe.com

Im Heilbronner Kinderporno-Fall werden weitere Versäumnisse bekannt. So brauchten die Ermittlungsbehörden mehr als ein Jahr, bis sie wussten, dass der Tatverdächtige von Beruf Erzieher ist. Erst im August/September 2017 informierten sie seinen Arbeitgeber, die evangelische Gesamtkirchengemeinde über die Ermittlungen wegen des Kinderpornografiebesitzes.

Der 31-Jährige war Leiter eines Kindergartens in kirchlicher Trägerschaft. Bei der Hausdurchsuchung im Mai 2016 fanden Fahnder 10.000 Bilder und 900 Videos kinderpornografischen Inhalts. Die Kirchenverwaltung suspendierte den Erzieher erst am 8. Januar 2018. Er arbeitete aber noch − als ob nichts gewesen wäre − bis Mitte Januar weiter, ohne dass Kindergarteneltern und Erzieherkollegen von den Vorwürfen erfuhren.

Auch Polizei und Staatsanwaltschaft müssen sich rechtfertigen

Bisher stand vor allem die Kirche als Arbeitgeber in der Kritik der Kindergarteneltern, weil der Erzieher nicht sofort freigestellt wurde. Nun müssen sich auch Polizei und Staatsanwaltschaft für die lange Ermittlungszeit von mehr als einem Jahr rechtfertigen, in der der Erzieher ja auch weiterarbeitete. "Wir werden die Lehre ziehen und künftig früher herauskriegen, welchen Beruf ein Beschuldigter hat", erklärt Pressestaatsanwalt Christoph Meyer-Manoras. "Klar, das alles hätte optimaler laufen können", fügt er an. Als Panne würde er dies aber nicht bezeichnen. Polizeisprecher Achim Küller räumt ein, "dass wir verspätet erfahren haben", dass der 31-Jährige Erzieher ist. "Erst dann haben wir reagiert und den Arbeitgeber informiert." Bewerten möchte Küller dies nicht. "Es dauert manchmal in solchen Fällen, bis der Verdacht sich so konkretisiert, dass aus einem Verdächtigen ein Beschuldigter wird."

Unterdessen wurde bekannt, dass nicht Kirchenpfleger Rolf Krieg als Erster informiert wurde, sondern der damalige Dekan Otto Friedrich. Er ging Mitte Oktober 2017 in Ruhestand, möchte sich heute nicht öffentlich über die Angelegenheit äußern. Nach Stimme-Informationen hat Friedrich die Ermittler an den Kirchenpfleger verwiesen, weil der für die Kindergärten zuständig ist. Krieg hat Friedrich dann wohl auch mehrfach über den Stand der Dinge informiert. Warum der Dekan als oberster Vorgesetzter nicht ein Machtwort gesprochen hat und den Erzieher sofort freistellen ließ, ist unklar.

Fall nimmt größere Ausmaße an

Unterdessen nimmt der Fall noch größere Ausmaße an. Der 31-Jährige sitzt mittlerweile nach der Anzeige eines Vaters in Untersuchungshaft wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs. Die Fahnder fanden ein Foto aus dem Jahr 2013, das einen Achtjährigen mit dem Erzieher bei sexuellen Handlungen zeigt. Der Junge stammt aus dem Bekanntenkreis des 31-Jährigen.

Nach Stimme-Infos wurden beim Beschuldigten mehr als 300.000 Dateien sichergestellt. Mittlerweile werten die Fahnder aus diesem Bestand rund 20.000 Videoclips aus. Wie langwierig solche Auswertungen sind, beschreiben die Heilbronner Kripo-Beamten Achim Holzmann und Heiko Gieser, die ähnliche Fälle bearbeiten. "Es werden immer mehr Fälle, die Datenmenge wird immer größer, das reißt uns den Boden unter den Füßen weg", sagt Gieser. Der 49-Jährige nennt ein Beispiel: "Wir haben zurzeit einen Kindepornografie-Fall mit 9,4 Millionen Fotos und 335.000 Videos." Es gibt keine Software, die den Ermittler ersetze. Er müsse prinzipiell jedes Foto und jeden Clip ansehen, um die Täter gerichtsfest zu überführen oder Hinweise auf andere Täter zu bekommen.

Kommentar zum Thema: Haarsträubend

 

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