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Kinderporno-Fall: Eltern fordern Entlassung von Kirchenpfleger

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Eltern kritisieren bei einem Krisengespräch am Freitagabend in evangelischem Gemeindehaus, dass ein Verantwortlicher früh von kinderpornografischen Fotos wusste, aber niemanden informierte und den Mann weiter mit Kindern arbeiten ließ.

Von Alexander Klug
Erzieher sollen Kinder anleiten und beschützen. Ob ein Erzieher in einem Heilbronner Kindergarten seine Machtposition gegenüber Schutzbefohlenen ausgenutzt hat, ist noch unklar. Foto: nadezhda1906/stock.adobe.com
Erzieher sollen Kinder anleiten und beschützen. Ob ein Erzieher in einem Heilbronner Kindergarten seine Machtposition gegenüber Schutzbefohlenen ausgenutzt hat, ist noch unklar. Foto: nadezhda1906/stock.adobe.com  Foto: Peter Kneffel

Nach dem Fund Tausender kinderpornografischer Fotos und Videos auf dem privaten Computer eines ehemaligen Erziehers und seiner Anklage vor Gericht haben sich Verantwortliche der Kirche am Freitagabend den Eltern der Kinder im Wilhelm-Busch-Kindergarten gestellt. 60 Mütter und Väter sind ins Gemeindehaus der evangelischen Wartberggemeinde gekommen, um dem tags zuvor zusammengestellten Krisenteam Fragen zu stellen - Öffentlichkeit oder Medienvertreter waren nicht zugelassen.

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Eine Mutter, die am Freitagabend dabei war, berichtet von aufgeladenen, emotionalen Diskussionen und heftiger Kritik an Kirchenpfleger Rolf Krieg. Er ist für die evangelischen Kindergärten in Heilbronn verantwortlich. „Wir wollten wissen, wie es sein kann, dass alle anderen, von den Erzieherinnen bis zu den Pfarrern, erst Mitte Februar informiert wurden“, sagt die Heilbronnerin.

Wochenlang sei der Erzieher noch zur Arbeit gegangen, als wäre nichts gewesen. „Und das, wo er schon im September, beim ersten Gespräch mit Rolf Krieg, den Besitz der Fotos eingeräumt hat, wie am Freitag zur Sprache gekommen ist. Er durfte aber weiterarbeiten, weil arbeitsrechtlich nichts zu machen gewesen sein soll. Ohne Kontrolle, weil ja niemand etwas wusste.“

Schlösser wurden ausgetauscht

Auf Druck von Eltern seien am Kindergarten die Schlösser ausgetauscht worden, weil der Erzieher noch im Besitz von Schlüsseln zur Einrichtung ist. „Er hat sich krankgemeldet und ist mittlerweile nicht mehr in der Stadt, habe ich gehört.“

Das Vertrauen in den Kirchenpfleger sei zerstört, er könne nicht an dieser Stelle weiterarbeiten, sei ihre Meinung und die der anderen Eltern. „Bei den Erzieherinnen und Pfarrern ist das anders, die sind ja selbst betrogen worden. Denen vertrauen wir“, sagt die Mutter. Ihr Kind werde auch weiterhin in den Kindergarten gehen.

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Außerdem berichteten am Freitagabend Vertreterinnen des Elternbeirats von ihren Gesprächen mit der Polizei. Denen zufolge sei nicht davon auszugehen, dass das kinderpornografische Material im Kindergarten hergestellt wurde.

Zur Forderung nach der Entlassung des Kirchenpflegers könne er im Moment noch nichts sagen, sagt Pfarrer und Kirchensprecher Matthias Treiber auf Anfrage. „Das Krisenteam muss jetzt die Arbeit aufnehmen und Informationen zusammentragen.“ Der Kirchenpfleger habe am Freitag sein tiefes Bedauern gegenüber den Eltern ausgedrückt, hatte Matthias Treiber über das Treffen Freitagabendgeschrieben. „Aus heutiger Sicht hätte er anders gehandelt.“

Erzieher war bei Tauschversuch im Internet aufgeflogen

Der Weinsberger Dekan Georg Ottmar, der das Krisenteam berät und den Abend moderierte, kündigte eine Untersuchung an. Pfarrer Matthias Marschall, Vorstand des betroffenen Kindergartens, habe ein Plädoyer für den Schutz der Kinder gehalten und um Vertrauen für Pfarrer und Erzieherinnen gebeten. Pfarrer Steven Häusinger entschuldigte sich für die Belastungen und Ängste, denen Eltern, Kinder und Erzieherinnen ausgesetzt seien. Er habe gefordert, dass die Leitungsstruktur der Gesamtkirchengemeinde überprüft werden muss.

Nach Stimme-Information hat der Erzieher in einer Internet-Tauschbörse Anfang 2016 versucht, zwölf Dateien kinderpornografischen Inhalts zu tauschen. Dabei geriet er an einen Ermittler, der sich als Gleichgesinnter ausgab. Bei einer Hausdurchsuchung fanden Polizisten im Mai 2016 rund 10.000 Bilder und 900 Videos.

 

Träger wohl schon im September informiert

Die Anklage vor dem Amtsgericht Heilbronn umfasst Verbreitung und Besitz von kinderpornografischem Material. Stimme-Recherchen haben ergeben, dass der Träger des Kindergartens, in dem der 30-Jährige arbeitete, im September 2017 über die Ermittlungen informiert wurde. Träger ist die evangelische Gesamtkirchengemeinde Heilbronn. Sie hat den Erzieher mit Erhalt der Anklageschrift am 8. Januar zwar suspendiert, er arbeitete aber bis zum 19. Januar weiter, bevor er sich krank meldete.

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