Ex-Erzieher soll Jungen jahrelang sexuell missbraucht haben
Im Fall des ehemaligen Leiters eines Heilbronner Kindergartens, dem schwerer Missbrauch eines Jungen vorgeworfen wird, hat der Rechtsanwalt des Beschuldigten weitere Details genannt. So habe sich der sexuelle Missbrauch über die Jahre 2012 bis Ende Januar 2018 erstreckt.

"Erst der Druck durch die öffentliche Aufmerksamkeit hat für ein Ende gesorgt", sagt Anwalt Thomas Amann am Dienstag bei einem Gespräch in der Stimme-Redaktion.
"Nicht die Ermittlungen durch die Polizei, die Hausdurchsuchung oder die Anklage durch die Staatsanwaltschaft." Außerdem bestätigte er, dass es weitere vom Beschuldigten erstellte Fotos von einer Kinderfreizeit gibt, bei der nackte Jungen zu sehen sind − ob es sich dabei um Kinderpornografie handelt, sei unklar.
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Der Anwalt geht davon aus, dass es keinen weiteren Missbrauchsfall gibt. Er räumt ein, mehrfach von seinem Mandanten angelogen worden zu sein. "Eine Gewissheit, dass er jetzt die Wahrheit sagt, gibt es nicht." Der Beschuldigte hat den Missbrauch gestanden, er sitzt in Untersuchungshaft.
Im Rahmen seiner langjährigen Anstellung bei der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Heilbronn und darüber hinaus hat er nicht nur die Einrichtung geleitet, sondern auch zahlreiche weitere Aktivitäten privat organisiert. Auch nach Kenntnis von den Ermittlungen und der Durchsuchung ließen die Verantwortlichen den nun Beschuldigten weiter seiner Arbeit im Kindergarten nachgehen − auch wegen der damaligen rechtlichen Aussagen seines Anwalts. "Auf Basis des damaligen Wissens war eine Kündigung aus unserer Sicht nicht ohne Weiteres möglich. Eine bedauerliche Fehleinschätzung." Mittlerweile hat die Kirchenverwaltung nach einem Aufhebungsvertrag auch eine fristlose Kündigung ausgesprochen.
Anwalt: Familie wusste nichts von Missbrauch
Der 31-Jährige war den Ermittlern beim Versuch ins Netz gegangen, kinderpornografische Fotos zu tauschen. Auf die Anzeige eines Vaters hin sichteten die Beamten erneut das bei einer ersten Durchsuchung 2016 gefundene Material und fanden auf seiner Kamera Bilder aus dem Jahr 2013, die den Beschuldigten mit einem damals Achtjährigen bei sexuellen Handlungen zeigen. Der Junge stammt aus dem privaten Umfeld des Mannes, das Vertrauensverhältnis zu ihm habe der Erzieher schon in den Jahren vor 2012 aufgebaut, sagt der Rechtsanwalt.
Die Familie des Beschuldigten habe laut dem Anwalt von dem Missbrauch nichts gewusst und sei davon "zutiefst erschüttert". Seitdem sei sie massiven Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt, vor allem im Internet.
Prozesstermin
Nachdem die Staatsanwaltschaft von einer Anklage bis September gesprochen hatte, hält Rechtsanwalt Thomas Amann einen noch früheren Termin für möglich. "Der Zeitpunkt hängt davon ab, wann das psychiatrische Gutachten vorliegt. Aber ich hoffe auf ein Verfahren vor der Großen Jugendkammer am Landgericht in Heilbronn im Juni", sagt der Rechtsanwalt aus Bietigheim-Bissingen. Jugendkammern können zuständig sein, wenn von Erwachsenen begangene Straftaten etwa Kinder, Jugendliche oder den Jugendschutz betreffen.
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