"Weit entfernt von einer Wohlfühlstadt" – Harry Mergel diskutiert mit Bürgern über Innenstadt Heilbronn
Die Stadt Heilbronn hat zu der Tour "Dein Blick. Unsere Stadt" eingeladen, um Probleme in der Innenstadt zu benennen. Ein paar Teilnehmer nutzen die Gelegenheit, um ihrem Unmut deutlich Luft zu machen. Aber nicht an allen Missständen ist die Stadt schuld.

Tausende sind jeden Tag in der Innenstadt unterwegs und nicht jeder fühlt sich dort immer wohl. Um das zu ändern, hat Oberbürgermeister Harry Mergel die Bürger zu einem Rundgang eingeladen, bei dem es unter der Überschrift "Dein Blick. Unsere Stadt" um die Situation vor Ort gehen soll.
Die Verwaltung hat im Vorfeld um Hinweise gebeten, um die Tour nach den Wünschen der Teilnehmer zu gestalten. Allerdings nutzen nur knapp 20 Bürger die Gelegenheit, ihre Kritik im direkten Gespräch loszuwerden, darunter Anwohner und Gewerbetreibende. Einige von ihnen legen den Finger in die Wunde, diskutieren mit den Verantwortlichen aus dem Rathaus über Sicherheitsfragen, Park- und Müllprobleme oder fehlende Aufenthaltsqualität.
Wie soll die Innenstadt Heilbronn künftig aussehen? OB Mergel diskutiert mit Bürgern
Der OB nimmt am Ende Ideen wie eine Liebessäule am Götzenturm zur Prüfung mit, nutzt den Nachmittag aber auch, um deutlich zu machen, was die Stadt beispielsweise in Sachen Müllentsorgung leiste oder wo ihr die Hände gebunden sind. Beispielsweise in den Hinterhöfen, die in Privatbesitz sind. Oder bei Vermietungen privater Immobilien. "Eigentum hat einen hohen Wert", betont Mergel.
Grünflächenamtsleiter Oliver Toellner erklärt, mit welchen Ideen die Stadt dem Klimawandel gerecht werden will. Zum Beispiel sei die Neugestaltung von Turmstraße und Zehentgasse geplant, auch für die Eichgasse gäbe es einen Entwurf, der demnächst dem Gemeinderat präsentiert werden soll.
Spaziergang durch Innenstadt Heilbronn: Bürger diskutieren mit OB Harry Mergel über Sicherheit, Parken und Dönerläden
Der zweieinhalbstündige Spaziergang führt vom Marktplatz zur Nikolaikirche, durch die Gassen der nördlichen Innenstadt zurück zum Kiliansplatz, dann über Fleiner und Rollwagstraße zur Götzenturmbrücke. Immer wieder bleibt die Gruppe an neuralgischen Punkten stehen, um sich auszutauschen, Wünsche an die Verwaltung zu formulieren oder auch nur, um rosa blühende Bäume am Kieselmarkt zu bewundern.
Sicherheit und Sauberkeit sind die Themen, die in Heilbronn immer wieder aufschlagen, wenn es um den Marktplatz geht. Auch zum Start der Tour durch die Innenstadt. Während OB Mergel von "stereotypen Zerrbildern" spricht und darum bittet, sich auch andere Städte anzuschauen, berichtet Eugen Bopp von konkreten Problemen. "Wir sind weit entfernt von einer Wohlfühlstadt", sagt der Heilbronner und berichtet, dass er und seine Frau sich nachts in der Stadtbahn unsicher fühlen. Aber auch in der Stadt selbst sei er schon "unter der Gürtellinie angepöbelt" worden.
Parken in der Innenstadt Heilbronn: Suchverkehr und Autos im Halteverbot sind ein Problem
"Nicht alle halten sich an die Regeln", weiß Mergel. Der Leiter des Kommunalen Ordnungsdienstes, Michael Pfleger, betont, seine zwölf Mitarbeiter seien mehrfach täglich unterwegs. Organisierte Bettelei habe man ebenso im Blick wie die Sparkasse am Markt. Das sei eine Aufenthaltshalle, in die man sich kaum reintraue, berichten die Bürger. Beschwerden über Sauberkeit auf dem Platz kontert Betriebsamtsleiter Ralph Böhringer: "Die Kehrmaschine kommt jeden Tag."
"Das Auto hat sich überall in die Stadt gefräst", sagt Grünflächenamtsleiter Oliver Toellner. Das erklärte Ziel sei, mehr Autos in Tiefgaragen unterzubringen, um Quartiere besser zu nutzen. Wie eng es beim Suchverkehr zugehen kann, erlebt die Gruppe mit eigenen Augen im Franziskanerhof hinter der Sülmerstraße. Eine große Limousine steht dort im absoluten Halteverbot. Probleme mit Falschparkern seien normal, erklärt Susanne Zenth, deren Laden an den Platz angrenzt. Die Verwaltung verspricht, ein größeres Schild aufzuhängen – ob es ausreichen wird, bezweifelt nicht nur die Anwohnerin.
Zu viel Kebab? In Heilbronn boomen Dönerläden
Aber auch auf ausgewiesenen Flächen geht es eng zu, wie zum Beweis operiert sich eine Fahrerin vorsichtig in eine schmale Lücke, während die Gruppe über die angrenzenden Gassen diskutiert. Trotz regelmäßiger Entsorgung ist hier in den Augen der Anwohner auch zu viel Müll ein Problem. Vor allem in der Nähe von Gastronomiebetrieben gebe es deshalb ein Tauben- und ein Rattenproblem, sagt eine der Teilnehmerinnen.
"Warum gibt es so viele Döner-Läden", fragen die Spaziergänger den Oberbürgermeister, als die Tour an der Nikolaikirche Halt macht. Das Areal zwischen Schellen- und Zehentgasse an der Sülmerstraße trägt nicht ohne Grund den Spitznamen Dönerdreieck. "Wir leben in einer freien und sozialen Marktwirtschaft", antwortet Harry Mergel. An wen sie vermieten, entscheiden die Hauseigentümer, das Kerngebiet erlaubt vielfältige Nutzung. "Die Stadt hat da keinen Einfluss." Und immerhin sei der Döner das beliebteste deutsche To-go-Essen.
Sommerzonen, Vertikalbegrünung und Immobiliennutzung in der Innenstadt Heilbronn
Gleichwohl habe die Stadt namhafte Architekten beauftragt, Entwürfe von einer möglichen Immobiliennutzung zu gestalten, um den Besitzern aufzuzeigen, was aus ihren Häusern werden könnte. Die Reaktion auf eine solche Aktion sei gleich null gewesen. Aber man versuche es weiter, so der OB. "Es ist nicht einfach", gibt er zu. Eigentum habe einen hohen Wert. "Wir müssen einen Mix hinbekommen", sagt Marcus Boesino und bittet die Verwaltung, dranzubleiben.
Mit den Sommerzonen hat die Stadt laut Grünflächenamtsleiter Oliver Toellner versucht, neue Nachbarschaften zu gestalten. Ziel sei ein dauerhafter Umbau, um dem Klimawandel gerecht zu werden. "Das ist ein Versuchslabor, um mit den Veränderungen in der Innenstadt umzugehen", erklärt er. Ein Beispiel dafür sei die Vertikalbegrünung, die Schule machen und von Privateigentümern aufgegriffen werden könnte.
Mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt Heilbronn – dennoch Kritik an Sommerzonen
Nicht bei allen Teilnehmern stößt die Gestaltung auf Gegenliebe. "Das ist doch nicht schön", sagt Susanne Zenth angesichts der Holzkonstruktionen in der Innenstadt. Sie kritisiere die Sommerzone ausdrücklich nicht wegen der fehlenden Parkplätze, betont die Inhaberin des Geschäfts Lilu Kinderperle. Aber sie wünsche sich eine ansprechendere Gestaltung, auch auf dem Spielplatz an der Sülmerstraße, wo die Bänke für Eltern in einiger Entfernung vom Sandkasten stehen. "Wir brauchen mehr Aufenthaltsqualität", sagt auch Petra Kern, die in der Kirchbrunnenstraße das Modegeschäft Viva betreibt.
Volle Altkleidertüten oder Müll neben Containern macht manchen Teilnehmern ebenfalls Sorgen. Da hilft auch die tägliche Leerung von 40 der insgesamt 120 Altkleidercontainer wenig. Mit dem Dienstleister sei man nicht zufrieden, sagt Markus Hohmann von den Entsorgungsbetrieben der Stadt. Spätestens ab Juli soll ein anderes Unternehmen übernehmen: "Dann wird es hoffentlich deutlich besser."
Heilbronner Weindorf als Herausforderung für Bewohner der Innenstadt
Aber die Ursache für Müllsünden liegt woanders, da sind sich alle einig. "Wenn Container überfüllt sind, liegt das an denen, die sie füllen", sagt Hohmann. Es gebe beispielsweise nicht gemeldete Haushalte, die ihren Müll dann in fremden Tonnen entsorgen. Videoüberwachung sei allerdings aus Datenschutzgründen nicht erlaubt.
Ein Härtetest für Innenstadtbewohner ist jedes Jahr das Weindorf, bei dem es in diesem Jahr drei neue Stände geben soll, mit zahlreichen Müllsündern und Wildpinklern. Die Stadtreinigung sei – nicht nur dann – täglich unterwegs, versichert Betriebsamtsleiter Ralph Böhringer. Zum Weindorf werden zudem Innenhöfe abgesperrt. Nur leider halte das die Menschen nicht davon ab, in private Bereiche einzudringen und diese zu verschandeln, wissen die Anwohner.