Stimme-Leser geben Ideen für den Brennpunkt Heilbronner Marktplatz
Öffentlicher Alkohol- und Drogenkonsum, Drogenhandel und zwielichtige Gestalten: Die Sicherheitslage am Marktplatz und der Kilianskirche ist seit Jahren ein Reizthema. Auf stimme.de hatten wir unsere Leser gefragt, welche Lösungen sie sehen. Auch hier zeigt sich: Es ist Druck im Kessel.

Die tägliche Situation auf dem Marktplatz und rund um die Kilianskirche - sie ist seit Jahren ein Reizthema in Heilbronn. Öffentlicher Alkohol- und Drogenkonsum, Drogenverkauf und das oft stundenlange „Rumlungern“ junger Männergruppen geben kein gutes Bild ab. Die ansässigen Einzelhändler und Gastronomen sind wütend, frustriert, manche haben auch resigniert. Sie werfen der Verwaltung und der Polizei vor, dieses Problem seit Jahren nur halbherzig anzugehen. Auf stimme.de hatten wir unsere Leser gefragt, welche Lösungen sie für dieses Problem sehen.
Laut Kriminalstatistik ist im Polizeipräsidium Heilbronn die Zahl der Straftaten im Jahr 2021 weiter gesunken. „Die Statistik der Polizei ist ein Witz“, behauptet Patrick Humbrock in unserer Umfrage. „Wenn man die Kaiserstraße entlangläuft, wird man dumm angeschaut oder angepöbelt. Frauen fühlen sich dort nicht sicher und haben Angst, auf die S-Bahn zu warten.“ Nicht selten werde ihnen beim Vorbeigehen hinterhergegrölt. „Das ist natürlich keine Straftat, die in irgendeiner Statistik landet“, sagt er uns am Telefon. Dennoch fühle man sich dort unwohl und meide diesen Bereich. „Der Drogenverkauf auf dem Marktplatz ist so offensichtlich. Und ich sehe dort keine Polizeikontrollen. Nach meiner Einschätzung wird in anderen Städten mehr dagegen getan. Heilbronn schafft sich ab.“
„Da hat man einfach versäumt, rechtzeitig die Bremse zu ziehen.“
Eine Frau, die anonym bleiben möchte, ärgert sich besonders über das stundenlange Belagern der Kirchentreppen. Sie schreibt: „Die Kilianskirche ist nicht nur ein Stadtzeichen Heilbronns, sondern auch eine religiöse Einrichtung. Aus diesem Grund sollte man mit dem nötigen Respekt gegenüber solch einer Institution auftreten, und diese nicht als Freizeitort betrachten.“
Leserin Brigitte Ritter gibt zu bedenken: „Und das wo wir doch den Innenminister in der Stadt haben. Der lässt sich mit seiner Frau auf dem Wochenmarkt fotografieren. Da geht er an den Brennpunkten nicht vorbei, oder er verschließt die Augen.“ Eine andere Leserin schreibt: „Bei meinen Bekannten muss ich mich rechtfertigen, wenn ich nach Heilbronn fahre. Von denen geht dort keiner mehr hin. Fast keiner in der Stadt spricht noch deutsch.“ An anderer Stelle heißt es „Da hat man einfach versäumt, rechtzeitig die Bremse zu ziehen.“
Was wünschen sich die stimme-Leser, um das Sicherheitsgefühl in der Innenstadt zu verbessern?
Ein Punkt wird in nahezu allen Zuschriften genannt: Die Leser wünschen sich deutlich mehr Polizeipräsenz an den Brennpunkten der Innenstadt. Viele plädieren für einen stationären Polizeiposten mit städtischem Ordnungsdienst am Marktplatz. Ein Mann, der ebenfalls anonym bleiben möchte, moniert: „Die Polizei sollte kommen, wenn man sie ruft.“ Am Telefon schildert er, vergangene Woche habe er auf dem Marktplatz nahe den Toiletten einen Mann beobachtet, der eine Crack-Pfeife rauchte. Er rief die Polizei. Nach über 20 Minuten Wartezeit sei er in seinen Bus eingestiegen. Bis dato sei der Mann mit der Pfeife weiter gemütlich über den Marktplatz geschlendert. Ein Polizist war weit und breit nicht zu sehen.
„Mein Eindruck ist, dass der Drogenkonsum von der Stadt und der Polizei ignoriert wird. Die Leute, die sich täglich dort aufhalten, sind immer die gleichen“, sagt der stimme-Leser. Er plädiert auch für einen stationären Polizeiposten am Marktplatz. „Es müssen ja auch die Schüler dort geschützt werden. Meine Kinder werde ich nicht in die Heilbronner Innenstadt lassen.“
Stärkung von Ordnungsamt und Sozialarbeit
Ein anderer stimme-Leser sieht in der völligen Unterbesetzung des Ordnungsamts das größte Problem. Er schreibt: „Anstatt dass die Beamten richtige Streife laufen, können sie nur in ihrem Fahrzeug kreuz und quer durch die Stadt fahren. Dabei kriegen sie überhaupt nichts mit. Ab 23 Uhr gibt es nur noch die Polizei. Und die muss man förmlich durch das Telefon zerren.“ Die einzige Lösung sei eine massive Aufstockung des Personals beim Ordnungsamt. „Von privaten Sicherheitsdiensten halte ich überhaupt nichts, weil dort genau die Leute arbeiten, die am Tag zuvor noch Ärger gemacht haben.“
„Das Übel muss an der Wurzel angepackt werden", erklärt Hans-Ulrich Neureuther. "Ob Drogen- oder Alkoholabhängige, Asylbewerber oder gewalttätige Jugendliche – man sollte mit diesen Menschen das gemeinsame Gespräch über die Hintergründe ihrer Sucht und ihres Verhaltens suchen. So sehen es auch einige Kommunalpolitiker, die auf eine Stärkung der Sozialarbeit setzen. "Es ist eine soziale Frage, wir müssen tatsächliche Hilfsangebote machen", sagt Nico Weinmann von der FDP.
Unsere stimme-Leser fordern außerdem, aggressives Betteln zu unterbinden, ein Alkoholverbot außerhalb der Gastronomie und kein WLAN mehr auf dem Marktplatz. Außerdem sollten Verstöße und wilder Müll im öffentlichen Raum sofort mit einem Bußgeld und Platzverweis geahndet werden. Ein weiterer Vorschlag: Die Gastrobetriebe mit Außenbewirtung sollten zur Reinigung des nahen Umfeldes verpflichtet werden. „Hässliche schmutzige Fußgängerzonen sind eine schlechte Visitenkarte“, schreibt eine Leserin.
Wie wird Heilbronn zur attraktiven Einkaufsstadt?
Sicherheit ist wesentlich dafür, dass Menschen in die Heilbronner Innenstadt kommen. Doch ist die Stadt auch zum Einkaufen attraktiv? Die Stadtentwicklung ist ein weiterer Punkt, den viele stimme-Leser beschäftigt. Eine Leserin schreibt uns: „Es braucht für mehr Sicherheit ein anderes Publikum in Heilbronn. Das bedeutet auch andere Läden und Konzepte, wie zum Beispiel das Vielfach in Schwaigern. Umliegende Ortschaften haben mittlerweile so schöne Ortskerne und ich bin gerne dort, weil es schön ist.“
Ein Leser schlägt vor, die Nordstadt autofrei zu gestalten, mehr Bäume statt Pflanzenkübel, mehr Mülleimer und nur noch Anwohnerparkplätze in der Innenstadt. „Keine Familie möchte bei Kaffee und Kuchen Zeit verbringen zwischen Autos, Parkplätzen und Gestank. Dadurch entsteht nur Freiraum für Kriminalität und zwielichtige Machenschaften.“
Patrick Humbrock, 21 Jahre alt, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Für junge Erwachsene ist Heilbronn im Vergleich zu anderen Städten schon lange nicht mehr attraktiv. Es gibt kaum noch interessante Läden in der Stadt, dafür aber an fast jeder Ecke eine Dönerbude. Da fahre ich lieber ins Breuningerland.“ Warum das hübsche Buga-Gelände mit teuren Wohnungen zugebaut werde – Humbrock fehlt dafür das Verständnis.
Lasse Härdtner sieht das ähnlich. Er schreibt: „Das hat man davon, wenn eine Stadt sich nicht dafür interessiert, seinen jugendlichen Mitmenschen etwas zu bieten. Auch das vehemente Vorgehen der Stadt gegenüber Jugendkultur hilft sehr wenig, diese Situation zu bessern.“ Heilbronn sei eine facettenreiche und vielfältige Stadt mit viel Potenzial. „Aber ich habe das Gefühl, man will sich nur für eine ältere Gruppe von Menschen in Heilbronn einsetzen und nur diesen etwas bieten.“