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Tödlicher Raserunfall: So lief der Prozess in Heilbronn bisher

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War es Totschlag? Oder womöglich Mord und dreifacher versuchter Mord? Der Prozess vor dem Heilbronner Landgericht um den tödlichen Unfall in der Wollhausstraße im Februar 2023 hält die Region seit Monaten in Atem. Seit August wird unter erhöhten Sicherheitsbestimmungen verhandelt. Was bisher geschah.

Ein 21 Jahre alter Heilbronner (kleines Foto) muss sich seit August 2023 vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Er soll in der Wollhausstraße (großes Foto) einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht haben.
Ein 21 Jahre alter Heilbronner (kleines Foto) muss sich seit August 2023 vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Er soll in der Wollhausstraße (großes Foto) einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht haben.  Foto: HSt-Archiv (groß) / Christiana Kunz (klein)

Seit Mitte August muss sich ein 21 Jahre alter Heilbronner vor der zweiten Großen Jugendkammer verantworten. Mit rund 100 Stundenkilometer soll er am 12. Februar, kurz nach 17 Uhr, in der Tempo-40-Zone mit seinem BMW in den Mercedes einer Familie gekracht sein, der laut Anklage gerade "ordnungsgemäß und mit angepasster Geschwindigkeit" aus einer Ausfahrt in die Wollhausstraße fuhr. Der Familienvater war sofort tot. Seine Frau und die beiden Kinder wurden zum Teil schwer verletzt.

Wie kaum ein anderer Prozess lässt dieses Verfahren die Emotionen hochkochen. Im Gerichtssaal, aber auch außerhalb. Im Justizgebäude herrschen erhöhte Sicherheitsbestimmungen. Nicht zuletzt wegen der mutmaßlichen Drohungen gegen den Angeklagten und dessen Familie. Auf verschiedenen Social-Media-Plattformen im Internet ist vom kurzen Prozess die Rede. Auch die Heilbronner Stimme muss immer wieder Kommentare unter ihrer Berichterstattung löschen.


Auch im Saal sind die Gemüter erhitzt. Der Vorsitzende Richter Alexander Lobmüller und die Anwälte des Beschuldigten, Anke Stiefel-Bechdolf und Stefan Lay, arbeiten sich immer wieder aneinander ab. Der Vorwurf an den jeweils anderen: "Warum dieser Ton?"

Immer wieder platzt Lobmüller im Großen Saal der Kragen, wenn Verwandte, Freunde oder die Freundin des Beschuldigten im Zeugenstand offensichtlich blocken. Mehrfach droht der Richter mit Erzwingungshaft. Dann stellt sich im Laufe der Vernehmung heraus, dass ein Cousin des Angeklagten derzeit keinen Führerschein mehr hat, weil er sich nicht an die Straßenverkehrsordnung gehalten hat. In einem Parallelprozess vor dem Amtsgericht Heilbronn wird der Bruder des Angeklagten wegen eines illegalen Straßenrennens verurteilt.

Raser-Prozess in Heilbronn: Angeklagter war bereits vorher auffällig geworden

Der Angeklagte selbst ist bereits vor dem Unfall am 12. Februar mehrfach wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgefallen. Darüber hinaus war er bereits in Unfälle mit dem Auto und dem Motorrad verwickelt. Ist der tödliche Unfall also die Folge seiner Unbelehrbarkeit? Immerhin hatte der türkische Staatsbürger wenige Meter vor dem tödlichen Crash offenbar beinahe eine Fußgängerin überfahren, die über den Zebrastreifen gelaufen ist. Anstatt daraufhin zu bremsen, soll er weiter beschleunigt haben.

Ist der Angeklagte, der mutmaßlich in der Heilbronner Poser-Szene aktiv sein soll, in seinem geistigen Reifegrad also womöglich entwicklungsverzögert? Und muss er deswegen als Heranwachsender nach Jugendrecht bewertet werden? Die Anwälte wollen das geprüft haben. Das Gericht kommt dem Antrag nach und beauftragt den Tübinger Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Michael Günter, ein Gutachten zu erstellen. Dafür wird der Experte ab Januar an Sitzungen der Jugendkammer teilnehmen. Gelegenheit, sich ein Bild zu machen, wird der Professor reichlich erhalten. Denn ein Ende des Prozesses ist erstmal nicht in Sicht. Die Kammer hat Termine bis Februar angesetzt.

Raser-Prozess: Verurteilung wegen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes denkbar

Für den Beschuldigten, der in der Verhandlung auf Anraten seiner Anwälte konsequent schweigt, geht es um viel. Denn bereits am ersten Prozesstag gibt Richter Lobmüller den Hinweis, dass abweichend von der Anklage der Staatsanwaltschaft durchaus eine Verurteilung wegen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes infrage kommen könnte. Das wäre dann der Fall, wenn die Beweisführung ergeben sollte, dass der Beschuldigte am 12. Februar heimtückisch gehandelt hat, weil die Opfer-Familie keine Chance hatte, auf das heranrasende Fahrzeug des Angeklagten zu reagieren.

Der nächste Verhandlungstag findet am Montag, 8. Januar, um 9 Uhr im Landgericht statt.

 
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