Langer Kampf um Heilbronner Waldschänke: Erinnerungen an Ausflugslokal im Köpfertal
Der 12. Juni 2023 markierte das unwiderrufliche Ende des Heilbronner Ausflugslokals Waldschänke im Heilbronner Köpfertal. Zuvor keimte lange Zeit die Hoffnung, Lokal und Biergarten zu retten. Aber die Hürden waren zu groß.
In der Waldschänke im idyllischen Köpfertal, zwischen Ehrenfriedhof und Köpfer-Stausee, kehrten früher Soldaten, später Wanderer und Ausflügler ein. Das Gebäude, dessen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, war als Vesper- und Weinstube bei der Heilbronner Bevölkerung geschätzt.
Waldschänke in Heilbronn: Von der Soldatenkantine zum Ausflugslokal
Zwischen dem Kommandeur des Füsilier-Regiments "Kaiser Franz Joseph von Österreich und König von Ungarn", Oberst von Oswald, wird 1907 mit den Herren Utz und Jacob ein Pachtvertrag geschlossen. Sie führen nahe des Militärschießplatzes im Gewann "Hörnlis" eine Soldatenkantine. Nach dem Zweiten Weltkrieg dient das Lokal – bereits unter dem Namen Waldschänke – 30 Jahre lang Wanderern als Vesperstüble. Die Wirtsleute hießen Rosa und Karl Häberle.
Dann fällt die frühere Kantine dem Abriss zum Opfer. In der daneben liegenden Baracke, die vor dem Krieg als Waffenkammer und Pferdestall gedient hatte, eröffnet Gisela Hipp Mitte der 70er Jahre die "neue" Waldschänke, die sich auf städtischem Boden befindet.
Mit der Umgestaltung wird ein Beschluss des Gemeinderats umgesetzt. Der damalige Oberforstrat Rolf Rau hatte sich dafür ausgesprochen, die "unschöne" Waldschänke hinter dem Ehrenfriedhof so umzugestalten, dass "sie einen Anziehungspunkt für die Bevölkerung darstellt". Auf einer Fläche von 90 Quadratmetern bietet das Lokal Platz für etwa 70 Gäste. Außerdem wird das wenig einladende Freiluft-WC durch eine neue Toilettenanlage ersetzt.
Szene-Wirt Bertram Mielert übernimmt 2008 die Waldschänke in Heilbronn
2008 übernimmt Bertram Mielert die zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Jahren geschlossene Waldschänke. Mielert hatte 17 Jahre lang die Szene-Bar "Caipirinha" am nördlichen Ende der Sülmerstraße mitbetrieben und war mit der Café- und Cocktailbar "Mielert's" in der Heilbronner Innenstadt finanziell gescheitert.
Bereits zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Lokal in desolatem Zustand. Mielert investiert in eine Küche und das Notwendigste: „Der Wirtschaftskontrolldienst hatte die Gasleitung abgeklemmt, damit keine Speisen mehr serviert werden konnten. Es sah furchtbar aus“, sagte er damals der Heilbronner Stimme.
Mielerts Wunsch, dass die Generalpächterin in die Modernisierung investiert, bleibt unerfüllt. Alte Leitungen aus Blei werden weder ausgetauscht noch gedämmt. Der Kachelofen bleibt einzige Wärmequelle. Den Widrigkeiten zum Trotz betreibt Mielert das Lokal in den folgenden Jahren erfolgreich.
Heilbronner Waldschänke: Streit um die Trinkwasserversorgung läutete das Ende ein
Ein Streit um die Trinkwasserversorgung läutet schließlich den Leerstand und Verfall der Traditionsgaststätte ein. Nachdem das Gesundheitsamt den über 100 Jahre alte Brunnen wegen einer Bakterien-Verunreinigung im Sommer 2010 schließt, treffen sich Mielert und die Generalpächterin im Frühjahr 2011 vor dem Heilbronner Landgericht. Mielert hatte zuvor wegen des Wassermangels nur noch die halbe Miete überwiesen.
Bis zur Urteilsverkündung behilft er sich mit einem Wassertankwagen. Später urteilt das Gericht zu Gunsten von Mielert: Die Generalpächterin muss die kostenlose Wasserversorgung wieder herstellen. In einer Nacht- und Nebelaktion wird die zum Vereinsheim der Kreisjägerschaft führende Wasserleitung der Stadtwerke Heilbronn widerrechtlich angezapft und unsachgemäß verlegt. Für das Wasser sollte Mielert Wasserzins bezahlen. Es kommt erneut zum Zwist. Der Hahn wird wieder zugedreht.
Frustriert beendet Bertram Mielert im Oktober 2012 das Kapitel Waldschänke und lässt die Option für weitere fünf Pachtjahre verstreichen.
Waldschänke im Köpfertal: Vergebliche Rettungsversuche
Daraufhin übernimmt die Stadt das Ausflugslokal mit seinen rund 1000 Quadratmetern Gesamtfläche. Der Wunsch des damaligen Gemeinderats: Gaststätte und Biergarten sollen saniert werden. Eine Investition der Stadt ist dabei aber nicht vorgesehen. Vor allem der damalige CDU-Stadtrat und heutige Bundestagsabgeordnete Alexander Throm macht sich für den Erhalt des Kleinods stark und erwägt die Gründung eines Vereins zur Rettung der Waldschänke.
Hoffnung keimt im Jahr 2017 auf, als der Pforzheimer Gastronom, Hotelier und Brauereibesitzer Wolfgang Scheidtweiler Interesse an der Waldschänke bekundet. Weil er vor dem Start der Bundesgartenschau in Heilbronn aber zunächst sein Parkhotel-Projekt im Stadtgarten zu Ende bringen will, verstreichen wieder Jahre. Das Gebäude ist inzwischen einsturzgefährdet, der Biergarten völlig verwuchert. Die Schäden und die eingeschränkte Standfestigkeit der Gebäude sind derart gravierend, dass Scheidtweiler von einer Investition Abstand nimmt.
Die hohen Sanierungskosten und Auflagen schrecken auch andere Interessenten ab. Weitere Hürde: Der Biergarten befindet sich in einem Landschafts-, Naturschutz- und Überschwemmungsgebiet mit zahlreichen Biotopen. Baulich darf auf dem Gelände nichts verändert werden. Das Parkplatzangebot vor dem Lokal ist begrenzt. Und schließlich gibt es noch das ungelöste Problem mit den alten Trink- und Abwasserleitungen.
Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats Heilbronn beschließt Abriss
So kommt es, dass der Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats im November 2022 den Abriss der Waldschänke beschließt. "Der Zeitpunkt für eine Sanierung ist längst überschritten und der Abriss unumgänglich", kommentierte Oberbürgermeister Harry Mergel die Entscheidung.
Am 12. Juni 2023 rollt ein 20-Tonnen-Radbagger an und schleift das Gebäude. Auch die Außenterrasse mit ihren rustikalen Holztischen und -bänken verschwindet. Im Herbst 2023 folgt die Aufforstung des Areals. Dort wo früher Gäste bedient wurden, wachsen heute Bäume. Die Erinnerungen an das Lokal existieren nur noch in den Köpfen vieler Heilbronner und auf Fotos.
Serie "Wisst ihr noch?"
In unserer Serie "Wisst ihr noch?" werfen wir einen Blick zurück auf ehemalige Heilbronner Kult-Lokale. Im ersten Teil ging es um die ehemalige Heilbronner Schlachthof-Gaststätte. Weitere Serienteile folgen in unregelmäßigen Abständen auf Stimme.de.



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