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Hatte er ein Trauma? Rolf Wütherich überlebte James Deans tödlichen Unfall

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Rolf Wütherich überlebt 1955 einen Unfall in den USA, bei dem der Hollywood-Schauspieler James Dean stirbt. Es ist nicht das einzige einschneidende Ereignis im Leben des Ex-Porsche-Mechanikers. 


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Eingezogen im Zweiten Weltkrieg, Top-Mechaniker der aufstrebenden Firma Porsche, Arbeit in den USA, Freundschaft mit dem Hollywood-Schauspieler James Dean, gleich mehrere Unfälle – teils mit tödlichen Folgen: Rudolf, genannt Rolf, Wütherich hatte ein bewegtes Leben. Einschneidende Erlebnisse können tiefe Spuren hinterlassen und zu einem Trauma führen. Wie war es bei dem gebürtigen Heilbronner? 

Unfall, Naturkatastrophe, Krieg – was ein Trauma auslösen kann

„Jedes Extremerlebnis, das fast jeden Menschen sehr beeinflussen würde, kann als Trauma definiert werden“, sagt Dr. Thomas Müller-Tasch. Darunter fallen laut dem Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Klinikum am Weissenhof in Weinsberg beispielsweise Gewalterfahrungen, Naturkatastrophen, schwere Unfälle, Krieg, Folter oder Vergewaltigung – alles, bei dem „kaum oder keine Möglichkeit der Kontrolle oder des Aufhaltens besteht“.


Außerdem müsse eine Beeinträchtigung bestehen, wenn das Geschehene immer wieder unkontrolliert durchlebt wird oder der Betroffene bestimmte Gegebenheiten meidet. „Meistens sind es Symptome, die auftreten, die dann dazu führen, dass jemand das Hilfesystem in Anspruch nimmt und auf diese Art diagnostiziert wird. Das können körperliche Beschwerden, Schlafstörungen, Ängste, depressive Symptome bis hin zu Alpträumen und Erinnerungsbilder, sogenannte Flashbacks, an die Ereignisse sein“, so Müller-Tasch.

Traumafolgestörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln sich daraus nicht automatisch. Das hänge unter anderem von den Ressourcen, das Erlebte zu verarbeiten, ab. Entsprechend unterschiedlich fällt das Verhalten Betroffener nach einem traumatischen Erlebnis aus. Einen richtigen oder falschen Umgang gebe es aber nicht – nicht jeder muss also über diese Erfahrung sprechen. Vor allem die bisherige Lebenserfahrung spiele dabei eine Rolle – wer erlernt hat, dass reden hilft, geht vermutlich offener damit um.

Wer nicht in tragfähigen, sicheren sozialen Verhältnissen aufgewachsen ist, keine verlässlichen sozialen Beziehungen hat und mental gesund ist, bei dem können die Erlebnisse eher auf „vulnerablen Boden“ fallen. Wie manche Menschen damit dann umgehen, dafür hat der Chefarzt Beispiele: „Die einen überkompensieren und tun so, als ob sie ganz hart wären, andere greifen zu Substanzen oder Gewalt oder gehen in den völligen Rückzug, werden depressiv.“

Rolf Wütherich als Fallschirmjäger – belastende Zeit im Zweiten Weltkrieg

In Wütherichs Leben dürfte der Unfall mit seinem Freund James Dean, der dabei ums Leben kommt, eines der einschneidendsten Erlebnisse gewesen sein. „Er ist da reingeschlittert“, sagt Roland Eckert, für den Wütherich in Kupferzell arbeitete, gegenüber der Heilbronner Stimme. Doch die Zeit danach sei aus Eckerts Sicht nicht nachteilig für den Ex-Porsche-Mitarbeiter gewesen. „Wenn einer stark ist in der Psyche, kann er das als Erfolg mitnehmen“, so die Meinung des 85-Jährigen.

Eckert sieht jedoch noch andere Gründe für Wütherichs Verfassung, die in der Arbeit vor allem von Konzentrationsproblemen geprägt war. Kurz vor Ausgang des Zweiten Weltkriegs musste Wütherich als 17-jähriger Fallschirmjäger nach Italien. Dann die Rückkehr. „Das war nicht ganz einfach, normal Fuß zu fassen. Normal war damals gar nichts mehr“, weiß Eckert, der selbst im Krieg geboren wurde. Wie psychisch stabil Wütherich war, bis Porsche ihn in die USA schickte und sich dort der für James Dean tödliche Unfall ereignete, kann Eckert jedoch nicht erläutern. „Ich habe nie mit jemandem sprechen können, der den Wütherich gekannt hat vor dem Unfall.“ 

Über diagnostische Zustände trifft Thomas Müller-Tasch, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Klinikum am Weissenhof in Weinsberg, im Zusammenhang mit Rolf Wütherich keine Aussage. Schließlich konnte er den ehemaligen Porsche-Mitarbeiter nie selbst sprechen. Aus einer Biografie lasse sich Verschiedenes herauslesen, jedoch nur mit viel eigener Interpretation. Die Gefahr: „Man kann etwas negativ darstellen und verzerren, man könnte aber auch etwas verklären oder idealisieren.“

„Es könnte natürlich sein, dass Herr Wütherich im Zweiten Weltkrieg, in irgendeiner Form schreckliche bis hin zu traumatisierenden Erfahrungen gemacht hat“, erklärt Müller-Tasch. Dabei bleiben in der Rückschau jedoch viele Themen offen, denn es ist nicht klar, inwiefern Wütherich mit dem Tod im Krieg konfrontiert war, Bombardierungen überlebte oder aktiv kämpfte. Außerdem könne laut dem Chefarzt bereits die Nazizeit selbst traumatisierend sein. Nach Angaben von Wilhelm Hahne, der Wütherich 1979 zu einem Interview traf, geriet der spätere Porsche-Mechaniker in Gefangenschaft.

„Schlimmste seelische Belastung“ – Rolf Wütherich über den Unfall mit James Dean

„Alle Freunde meines Vaters haben immer gesagt, dass es einen Rolf vor dem Unfall mit James Dean und einen Rolf nach dem Unfall gab“, erklärt Wütherichs Sohn Bernd gegenüber einem amerikanischen Blog. Ihm sei erst später gesagt worden, dass sein Vater kurz nach dem Unfall an Depression erkrankte. Dazu sei der Hass der Dean-Fans und das Gefühl einer Mitschuld am Tod seines Freundes gekommen. Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung soll Wütherich, der 1981 selbst bei einem Unfall stirbt, von der „schlimmsten seelischen Belastung“ gesprochen haben.

Wegen mehrerer Ausbrüche und Halluzinationen soll er mit Elektroschocks behandelt worden sein. Nachdem Wütherich 1967 auf seine damals vierte Ehefrau eingestochen hatte, attestierte ihm ein Gutachter, dass seine Hirnsubstanz durch den Unfall geschädigt worden war. „Menschen, die Gewalt ausüben, können selbst traumatisiert sein“, erklärt Chefarzt Müller-Tasch. Das sollte jedoch nie als Rechtfertigung für das Verhalten, sondern als mögliches Erklärungsmodell verstanden werden. Ob das auf Rolf Wütherich zutreffe, ließe sich nicht sagen.

Rolf Wütherich spricht über Angriff auf Ex-Frau

„Einmal hat er ganz spöttisch zu mir gesagt, als er in die Küche reinkam: Brauchst deine Küchenmesser nicht wegräumen. Ich tue dir nichts“, erzählt Margrit Rumm. Ihr Mann arbeitete bis zu seinem Ruhestand bei der Firma Eckert. Der Kollege Wütherich kommt bei der Familie Rumm immer wieder vorbei.

Im Hinterkopf habe Rumm von dem Vorfall 1967 gewusst. „Dann hab ich gesagt: Das glaube ich dir eigentlich nicht“, rekonstruiert sie das Gespräch, das mittlerweile mehr als 40 Jahre zurückliegt. Wütherich habe geantwortet: „Ich kann mir das jetzt auch nicht mehr vorstellen.“ Weniger Vertrauen habe sie gegenüber Wütherich deshalb aber nicht aufgebracht. „Ich hab ihn nicht nach dem oder auch nicht nach seinen vielen Frauengeschichten beurteilt.“

Was löst der tödliche Unfall mit James Dean in Rolf Wütherich aus?

In Deutschland scheint Wütherich für einige Jahre sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Sein Sohn beschreibt die Jahre zwischen 1960 und 1965 als Wütherichs „schönste Zeit“. Denn er arbeitete bei Porsche, hatte im Rennsport Erfolg, heiratete, wurde Vater von Bernd – doch dann scheiterte die Ehe und er verlor „wieder sein Gleichgewicht und hatte wieder Probleme“, so sein Sohn. Offensichtlich sei bei Wütherich, so Müller-Tasch, „dass es ein bewegter Lebensweg war, mit sehr vielen Höhen und sehr vielen Tiefen, mit vielleicht auch mit Extremen, die darin lagen“.

Kollegen bei Porsche haben Wütherich gegenüber der Heilbronner Stimme 2005 als „psychisch labil und stellenweise depressiv“ beschrieben. Hermann Schätzle sprach damals von Wütherich als „kein rational handelnder und denkender Mensch“. Der Journalist Wilhem Hahne interviewte Wütherich 1979 über dessen Leben. Seine Eindrücke schrieb er 2020 noch einmal auf. Das Fazit: Wütherich habe „stark traumatisiert“ gewirkt.

Rolf Wütherich schweigt in Kupferzell zu Unfall mit James Dean

Rolf Wütherich wird von einigen als umtriebig beschrieben. Auch mit der Dorfjugend hat er in Kupferzell Kontakt. Daher kennte ihn auch Günter Wolf, der sich als 20-Jähriger mit Freunden immer wieder spontan im Ort traf. Damals waren Autos und Fußball die Gesprächsthemen von Wütherich, auch die Zeit bei Porsche war Thema. „Wenn das Wort Porsche kam, haben wir strahlende Augen bekommen. Das war für uns ja unvorstellbar, dass wir in einem Porsche sitzen können.“


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Doch den Aufenthalt in den USA und seine Freundschaft mit James Dean war nie teil des Gesprächs. Erst als der tödliche Unfall von Wütherich auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung prangte, wurde Wolf klar, mit wem er immer wieder Zeit verbracht hatte. Wütherich sei ihm „ein bisschen komisch“ vorgekommen. Heute erklärt er sich das durch die Schicksalsschläge, die Wütherich erlebt hatte, aber: „Im Nachhinein, wenn man seine Lebensgeschichte mitbekommt, kann man das vermuten.“

Tödlicher Unfall als einschneidendes Erlebnis: Wütherich spricht nicht über Dean

Über seine Zeit in den USA hatte Wütherich auch mit dem Ehepaar Rumm kaum gesprochen. „Der hat immer nur gesagt: Frag mich nicht“, erinnert sich Margrit Rumm und vermutet weiter: „Ich glaube, er konnte das besser verarbeiten, wenn er einen Deckel draufgemacht hat.“

So einfach sieht Müller-Tasch das jedoch nicht. Ein langjähriger Mitarbeiter bei Porsche gewesen zu sein, gehöre eher zu den Dingen, über die Menschen gerne sprechen – und oftmals auch Anerkennung dafür bekommen. „Die Kehrseiten dieser Geschichte erzählt man nicht so gerne.“ So wie in Wütherichs Fall der Unfall gemeinsam mit James Dean, denn das ist „etwas furchtbar Tragisches, das viel Erschütterung weltweit herbeigeführt hat und viele Fragen zum Beispiel nach möglicher Schuld“ aufwerfe.

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