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Im Heilbronner Raser-Prozess wollen die Verteidiger ein weiteres Gutachten

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Die Plädoyers im sogenannten Raser-Prozess lassen erneut auf sich warten. Aber die Anwälte des 21 Jahre alten Angeklagten aus Heilbronn haben einen neuen Beweisantrag gestellt – kurz vor Ende der Frist.

Der Unfall in der Wollhausstraße hatte sich im Februar 2023 ereignet.
Der Unfall in der Wollhausstraße hatte sich im Februar 2023 ereignet.  Foto: HSt, Montage: HSt

Die Verhandlung im sogenannten Raser-Prozess vor dem Heilbronner Landgericht zieht sich weiter in die Länge. Die Verteidigung nutzte die von Richter Alexander Lobmüller gesetzte Frist und stellte am Montagvormittag vor der zweiten Großen Jugendkammer einen neuen Beweisantrag. Demnach hält Rechtsanwalt Stefan Lay "die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens" für notwendig. Zuvor lehnte der Richter Anträge der Verteidigung bereits als "bedeutungslos" ab.

Damit will der Verteidiger beweisen, dass sein Mandant die Fußgängerin, die er wenige Augenblicke vor dem tödlichen Unfall beinahe überfahren haben soll, "bei deren Überquerung der Wollhausstraße auf dem Fußgängerüberweg nicht wahrgenommen hat". Über den Beweisantrag entscheidet die Kammer am kommenden Mittwoch.


Kurz vor Fristablauf: Verteidiger stellt im Heilbronner Raser-Prozess neuen Antrag

Kopfschütteln bei den Vertretern der Nebenklage. Eine Verwandte des am 12. Februar vergangenen Jahres beim Unfall in der Wollhausstraße getöteten Familienvaters bricht in Tränen aus. "Was will man den Angehörigen eigentlich noch zumuten?", ist es aus den Reihen der Anwälte der Nebenkläger hinter vorgehaltener Hand zu hören.

Aus Sicht der Verteidiger spielt die Frage, ob der Angeklagte die Fußgängerin tatsächlich gesehen hat oder nicht, allerdings eine bedeutende Rolle. Denn am vorangegangenen Verhandlungstag hatte Richter Lobmüller darauf hingewiesen, dass die Kammer zu prüfen habe, ob der 21 Jahre alte Beschuldigte die gefährliche Situation am Zebrastreifen so interpretiert haben könnte, dass er einen Verkehrsunfall auch in einer weiteren Gefahrensituation würde meistern können. Oder ob ihm die Situation mit der Fußgängerin "als Warnung für die Gefährlichkeit seines Handels" hätte dienen können.

Anwalt: Beschuldigter im Heilbronner Raser-Prozess hat Fußgängerin auf Zebrastreifen nicht wahrgenommen

Laut Lay habe die Kammer damit "vorläufig offensichtlich vollkommen ausgeschieden, dass der Angeklagte die Zeugin überhaupt nicht wahrgenommen hat". Dabei habe die beinahe auf dem Zebrastreifen überfahrene Fußgängerin in der Verhandlung ausgesagt, der Angeklagte habe keinen Blickkontakt zu ihr hergestellt und sein Auto unbeirrt weiter beschleunigt, "weshalb sie fest davon ausgehen würde, dass der Angeklagte sie einfach nicht gesehen habe", so Lay.

Dass die Fußgängerin für den Angeklagten ohne Einschränkung sichtbar war, hatte dagegen in einem der vorangegangenen Prozesstage im Januar der Verkehrssachverständige Andreas Förch ausgeführt. Den Widerspruch in diesen Aussagen will die Verteidigung jetzt mit einem neuropsychologischen Gutachten auflösen. Lay will darauf hinaus, dass sein Mandant die Fußgängerin womöglich "mit seinen Augen gesehen haben kann, gleichwohl aber in keiner Weise wahrgenommen hat".


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Medizinisch könne dies auf eine "sakkadische Maskierung oder sakkadische Supression" zurückgeführt werden, so der Verteidiger. Dabei handele es sich um eine Fehlfunktion des menschlichen Gehirns im Zusammenhang mit sich plötzlich veränderten Augenstellungen, sogenannten Blicksprüngen, sagte Lay. Eine dadurch über einen Zeitabschnitt andauernde verminderte Sehempfindlichkeit, "in denen das Auge kein Bildmaterial liefert", kompensiere das Gehirn in der Regel mit einem zuletzt fokussierten Bild, also mit einem "Archivbild".

Lobmüller hatte während des Prozessverlaufs zweimal den rechtlichen Hinweis erteilt, dass bei dem tödlichen Unfall in der Wollhausstraße auch ein Urteil wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes infrage kommen könnte. Dafür muss das Tötungsdelikt juristisch verschiedene Merkmale erfüllen. Dazu gehört neben der Heimtücke unter anderem auch ein bedingter Vorsatz. Das bedeutet, der Angeklagte muss es für möglich gehalten und sich damit abgefunden haben, dass seine Handlung den Tod eines Menschen zur Folge haben könnte.


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Mit Spannung waren am Montag die Plädoyers im Raser-Prozess vor dem Heilbronner Landgericht erwartet worden. Richter Alexander Lobmüller hatte als letzte Frist für weitere Anträge den Montag, 18. März, festgesetzt. In der vorangegangenen Verhandlung hatte keiner der Prozessbeteiligten signalisiert, einen weiteren Beweisantrag zu stellen. Damit hätten die Plädoyers der Anklage, der Nebenklägervertreter sowie der Verteidiger beginnen können. Der Angeklagte muss sich unter anderem wegen Totschlags und dreifachen versuchten Totschlags verantworten.

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