Quo vadis, Sport-Union?
Das Pokal-Aus der Sport-Union Neckarsulm in Oldenburg wirft einmal mehr Fragen auf. Die neu zusammengestellte Mannschaft hat derzeit gleich mehrere Probleme. Eine Analyse des Staus quo.

Einmal mehr gingen die Köpfe vorzeitig nach unten, erneut machte sich Frust breit, wieder einmal war das Spiel weit vor der 60-Minuten-Marke verloren. Die Handballerinnen der Sport-Union Neckarsulm verpassten am Mittwochabend durch das 23:31 (11:14) beim VfL Oldenburg nicht nur den Einzug ins Viertelfinale des DHB-Pokals, sondern vor allem den so dringend benötigten Befreiungsschlag. Seit dem – sportlich überzeugenden – Erfolg Mitte Oktober gegen Aufsteiger VfL Waiblingen (38:24) wartet die Sport-Union inzwischen auf einen Sieg.
Es sollte nach der deutlichen Heim-Niederlage gegen Borussia Dortmund damals der Auftakt in eine erfolgreiche Saison werden, blieb jedoch stattdessen bis heute das einzige Hurra-Erlebnis. Unter dem Strich stehen aus sechs Spielen zwei Siege – beide gegen das punktlose Liga-Schlusslicht Waiblingen. Bad Wildungen und nun zweimal Oldenburg legten die Neckarsulmer Schwächen hingegen schonungslos offen. Am Sonntag (16 Uhr) wird es beim Tabellenfünften Blomberg-Lippe wohl nicht einfacher, denn Baustellen gibt es derzeit einige. Ein Überblick.
Das Team
Qualitativ sollte die von Trainerin Tanja Logvin und dem Sportlichen Leiter Gerhard Husers zusammengestellte Mannschaft Europapokal-Potenzial haben. Viele (Nachwuchs-)Nationalspielerinnen mit internationaler Erfahrung haben das Handballspielen nicht von heute auf morgen verlernt. Doch das internationale Team ist auch fünf Monate nach dem Trainingsauftakt noch immer keine echte Mannschaft. Abläufe und Absprachen auf dem Feld stimmen viel zu selten und zu oft verlässt sich die eine Spielerin auf eine Einzelaktionen der anderen. Das gesamte Konstrukt wirkt (noch) inhomogen. Dieses Problem zu beheben wird eine der größten und wichtigsten Herausforderungen für Logvin und ihr Trainerteam werden und lässt sich wohl nicht allein mit einer gemeinsamen Rafting-Tour auf dem Neckar lösen.
Die Spielidee
Sie ist – um es vorsichtig auszudrücken – bislang nur schemenhaft zu erkennen. Viel zu selten konnte die Mannschaft das von ihrer Trainerin favorisierte und konsequent geforderte Tempospiel umsetzen, geschweige denn dem Gegner das eigene Spiel aufzwingen. Ob es Lösungsansätze gegen kompromisslos verteidigende Gegner gibt, ist unklar, denn dass sie auf solche Abwehrreihen auch einmal im laufenden Spiel variabel reagieren kann, hat die Sport-Union bislang nicht gezeigt.
Die Einstellung
„Die Mannschaft, die mehr gewollt hat, hat gewonnen. Wille gewinnt immer“, bilanzierte eine „unglaublich enttäuschte“ Tanja Logvin nach dem Pokal-Aus in Oldenburg. Es darf als bedenklich gelten, dass sich ein Team in einem K.o.-Duell, in dem mittelfristig eine erstmalige Final-Four-Teilnahme auf dem Spiel steht, und das Teil jenes Wettbewerbs ist, der den kürzesten Weg nach Europa darstellt, nicht motivieren kann oder will. Während sich die Trainerin in der Vergangenheit – etwa nach den Spielen gegen den BVB oder Bad Wildungen – hin und wieder noch schützend vor ihre Mannschaft stellte und sich selbst für die jeweiligen Niederlagen verantwortlich machte, ließ sich zuletzt nicht mehr kaschieren, dass die Motivation zumindest bei einigen Spielerinnen ausbaufähig ist.
Die Chancenverwertung
Mit den 23 in Oldenburg geworfenen Toren wird es auf gehobenem Handball-Niveau schwer, ein Spiel zu gewinnen. 27,75 Tore wirft Neckarsulm in der Bundesliga pro Spiel – ein durchschnittlicher Wert. Mit Ausnahme von Buxtehude bewegen sich die Teams auf den Europapokal-Plätzen bei Werten zwischen 30 und 36 Toren pro Partie. Da ist es ein schwacher Trost, dass Neuzugang Nina Engel mit ihren 7,7 Toren pro Spiel aus dem rechten Rückraum die erfolgreichste Werferin der gesamten Bundesliga ist. Dass der Traum vom Europapokal nur mit einer effizienten Chancenverwertung und knappen Siegen in umkämpften Spielen möglich sein würde, war von Anfang an klar. Beides steht bislang noch aus.
Der Frust
Manchmal muss man beherzt zupacken, manchmal auch bewusst dazwischenhauen. Zeitstrafen sind da nicht immer zu vermeiden. Zuletzt allerdings verkomplizierte die Sport-Union ihre Situation durch unüberlegte, ja gänzlich sinnlose Frust-Fouls oft selbst. Der Negativ-Lauf nervt; auch die Spielerinnen auf dem Feld. Und das ist gut so. Doch einfacher wird es nicht, wenn man – wie im Bundesliga-Spiel gegen Oldenburg – 18 Minuten in Unterzahl spielen muss. Die Zahl der Zwei-Minuten-Strafen nahm kontinuierlich zu: Waren es am ersten Spieltag noch zwei, wurden es in den Spielen danach zunächst vier, dann sechs und zuletzt neun Zeitstrafen.
Die Verletzungen
Nahezu jede Spielerin im 18-köpfigen Kader fehlte seit September bereits (längerfristig) verletzungsbedingt. Für eine neu zusammengestellte Mannschaft ist das alles andere als optimal. Olga Gorshenina und Munia Smits, beide als Stützen vor der Saison verpflichtet, kehrten am Mittwoch nach langer Pause wenigstens wieder zurück.
Die Auswärtsserie
Man darf darauf hoffen, dass mit der Rückkehr in die Ballei und der Unterstützung der eigenen Fans auch die sportlichen Erfolge zurückkehren, nachdem bislang erst eines der sechs Saisonspiele zu Hause ausgetragen wurde. Im Vorjahr hatte Neckarsulm den besten Zuschauerschnitt der gesamten Liga. Diese Unterstützung wird die Mannschaft in zwei Wochen und darüber hinaus erneut benötigen. Doch bevor am 21. Dezember die HSG Bensheim/Auerbach zu Gast sein wird, warten auswärts erst einmal die HSG Blomberg-Lippe und der Buxtehuder SV. Es gab schon einfachere Aufgaben.
Wachter erhält erneut DHB-Einladung
Kurz vor Weihnachten, am 19. und 20. Dezember, bittet Bundestrainer Markus Gaugisch noch einmal zu einem Kurzlehrgang der deutschen A-Nationalmannschaft in Blomberg. 15 Spielerinnen, darunter einige Neulinge, Nachwuchsspielerinnen und Neckarsulms Torhüterin Sarah Wachter, sind eingeladen.