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Sport-Union-Trainerin Tanja Logvin fordert nur Wille und Leistung

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Tanja Logvin geht mit der Sport-Union Neckarsulm in ihre vierte Saison als Trainerin. Vor dem ersten Saison-Heimspiel gegen Borussia Dortmund spricht sie im Interview über eine ungewöhnliche Spielzeit sowie Ziele und Perspektiven der Mannschaft.

Immer fokussiert und vorausschauend: Neckarsulms Tanja Logvin hat großes Vertrauen in ihre Mannschaft – fordert aber auch viel von ihr.
Immer fokussiert und vorausschauend: Neckarsulms Tanja Logvin hat großes Vertrauen in ihre Mannschaft – fordert aber auch viel von ihr.  Foto: Veigel, Andreas

Der Saisonstart in Waiblingen ist geglückt. Am zweiten Bundesliga-Spieltag präsentiert sich die Sport-Union Neckarsulm gegen Borussia Dortmund (Samstag, 18 Uhr) nun erstmals wieder in der heimischen Ballei. Vor der Partie spricht Trainerin Tanja Logvin über das sportlich ambitionierte Projekt, blickt voraus auf eine ungewöhnliche Spielzeit – und verrät ein wenig aus dem Innenleben der Mannschaft.


Was können die Fans von der „neuen“ Sport-Union erwarten, Frau Logvin?

Tanja Logvin: Wir haben auf dem Papier eine gute Mannschaft, aber natürlich können sie keine Wunder erwarten. Sie müssen Geduld haben und verstehen, dass wir eine neue Mannschaft haben. Aber die Mädels arbeiten gut mit und zeigen in jedem einzelnen Training und jedem einzelnen Spiel, dass sie zu den Top-Spielerinnen gehören. Aber sie müssen zusammenfinden – Kinder kommen auch nicht nach einem Monat auf die Welt.


Wie lange braucht denn das Team, um wirklich zusammenzufinden?

Logvin: Wir haben im Kader verschiedene Persönlichkeiten, die verschiedene Handball-Schulen durchlaufen haben und wir werden ein halbes Jahr brauchen, um zusammenzufinden. Deshalb will die Mannschaft auch erst nach Weihnachten ein echtes Saisonziel ausgeben.


Das Team wurde sowohl mit erfahrenen Top-Spielerinnen als auch mit jungen Talenten verstärkt. Haben Sie die perfekte Mischung in der Vorbereitung gefunden?

Logvin: Ich denke schon. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich keinen so großen Unterschied erwartet, wie er am Ende tatsächlich war. Aber je schwerer die Aufgabe, desto interessanter (lacht). Den Abstand zwischen Erfahrenen und jungen Spielern zu minimieren, ist auch eine Herausforderung für mich.


Vor rund einem Jahr sprachen Sie in einem Stimme-Interview von einer besonderen Chemie zwischen Trainerin und Mannschaft. Gibt es diese Chemie auch schon mit dem runderneuerten Team?

Logvin: Wir haben auch jetzt schon eine gute Chemie, aber natürlich haben wir noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen uns noch entwickeln – persönlich und sportlich. Wenn wir das nicht mehr tun, brauchen wir keinen Handball mehr zu spielen.


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Im April 2021 testeten die Neckarsulmer Handballerinnen einen blauen Spezial-Boden, der in der Ballei extra für eine TV-Liveübertragung von Eurosport verlegt worden war. Im Herbst soll ein vergleichbarer Boden dauerhaft verlegt werden.
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Fans der Sport-Union Neckarsulm müssen sich gedulden



Wie fördern Sie diese Entwicklung?

Logvin: Ich bin und war als Handballerin eine Praktikerin und ich weiß, wie man sich im Handball-Geschäft bewegt. Ich habe dabei selbst viele Fehler gemacht, aber nur durch diese Fehler auch gelernt. Ich verbiete meinen Mädchen daher nicht, Fehler zu machen, aber ich schalte mich ein, wenn sich Fehler automatisieren. Ich weiß, ich verlange viel, aber ich brauche nur Wille und Leistung zurück. Sonst nichts.


Wer hat Sie in der Saisonvorbereitung besonders überrascht?

Logvin: Nina (Engel, Anm. d. Red.). Trotz ihrer erst 19 Jahre ist sie aus der zweiten Liga in eine neue Mannschaft gekommen und steht direkt ganz eiskalt auf der Platte. Natürlich klappt nicht alles, aber sie macht es gut. Bei meinem Trainerlehrgang zuletzt in Düsseldorf haben mich Kollegen gefragt: „Warum gibst du Nina eine Chance und spielst nicht lieber mit einer Rechtshänderin?“ Ich habe ihnen dann gesagt, dass ich schätze, was ich habe und wenn ich ihr jetzt Einsatzzeiten gebe, wird sie nächstes Jahr noch besser spielen.


Worauf kommt es an, wenn man mit vielen Neuzugängen eine homogene Mannschaft formen möchte?

Logvin: Wir haben zwar viele Neuzugänge, aber nur drei Spieler, die die Liga nicht kennen. Natürlich hatte ich etwas Bedenken, ob Olga und Luisa (Gorshenina und Schulze, Anm. d. Red.) – weil sie schon auf ganz hohem Niveau gespielt haben – in die Gruppe passen. Das Wichtigste ist aber, dass die beiden keinen Schritt zurück machen, sondern die jungen Spielerinnen deren Niveau Schritt für Schritt erreichen.


Sie legen viel Wert auf Deutsch als Teamsprache. Ist dieser Anspruch angesichts der vielen internationalen Neuzugängen noch zu halten?

Logvin: Ja, wir sprechen Deutsch. Ich habe von Anfang an gesagt, das ist eine Frage des Respekts für das Land, in dem man wohnt und arbeitet. Andererseits entwickelt man sich dadurch auch als Persönlichkeit weiter. Ich spreche selbst fünf Sprachen und weiß, wovon ich spreche. Die Mädels haben zweimal pro Woche einen Deutsch-Kurs. Außerdem helfen sie sich auch gegenseitig und übersetzen manchmal auf Englisch – heimlich (lacht).

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Der Erfolg in Waiblingen war ein Pflichtsieg, die schweren Aufgaben kommen erst noch. Gibt es überhaupt ein Team, dass Bietigheim in dieser Saison gefährlich werden könnte?

Logvin: Ich denke nicht. Sie sind auf jeder Position doppelt, international besetzt. Sie werden in der Liga vorne alleine spazieren.


Welche Rolle spielt die EM-Pause im Herbst für Ihre Planungen?

Logvin: Man kommt aus dem Rhythmus. Normalerweise ist eine EM oder WM im Dezember und die Spieler sind es gewohnt, in dieser Zeit mit ihren Nationalmannschaften zu spielen. Jetzt hat man fünf oder sechs Spiele in der Meisterschaft und die Spieler sind schon wieder weg. Aber wir werden in der Zeit mit den Spielern, die nicht weg sind, weiterarbeiten.


Sehen Sie die Gefahr, dass dieses neue, noch ambitioniertere Projekt scheitern könnte?

Logvin: Warum sollte es scheitern?


Weil die Spielerinnen nicht zusammenfinden. Weil Erwartung und Leistung nicht übereinstimmen...

Logvin: Warum sollte ich Angst vor etwas haben, was noch gar nicht passiert ist? Wenn man sich auf das Gute fokussiert, dann wird es auch gut werden. Man muss vom Scheitern lernen, um dieselben Fehler beim nächsten Mal nicht mehr zu machen. Mit mir ist es nicht immer leicht, das weiß ich. Manche sagen: „Wir können nicht mit Deinem Tempo mithalten, Tanja.“ Ich sage dann: Doch, doch, schon. Denn wenn man auf der großen Bühne stehen will, dann muss man auch groß spielen und professionell sein.


Zur Person

Tanja Logvin (48) ist seit 2020 wieder Trainerin in Neckarsulm, nachdem sie bereits 2018 für wenige Monate in der Verantwortung stand. Zuvor war sie in der Bundesliga bereits bei Buchholz-Rosengarten und beim SV Halle-Neustadt in der Verantwortung. Als Spielerin war die Österreicherin mit ukrainischen Wurzeln um die Jahrtausendwende eine der besten Handballerinnen der Welt, gewann mit Hypo Niederösterreich unter anderem zweimal die Champions League, 1999 WM-Bronze mit der Alpenrepublik und nahm im Folgejahr auch an den Olympischen Spielen in Sydney teil.

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