Überzeugende Sport-Union löst in Waiblingen das Achtelfinal-Ticket
Neckarsulmer Handballerinnen bezwingen den VfL Waiblingen im Zweitrunden-Derby des DHB-Pokals deutlich mit 38:24. Der Erfolg wirkt wie ein Befreiungsschlag. Aber warum eigentlich?

Es war genau diese Art von Spiel, die sie in Neckarsulm gebraucht haben. Trainerin Tanja Logvin hatte nach dem Spiel ihr breitestes Lächeln aufgesetzt, Tija Gomilar Zickero scherzte mit Branka Zec, ihrer slowenischen Landsfrau im Waiblinger Tor, und der erneut zahlreich mitgereiste Fan-Anhang postierte sich nach dem 38:24 (19:13)-Erfolg bereitwillig zum Gruppenfoto auf der Tribüne. Es ging für die in orange gekleideten Blauen alles ganz leicht an diesem Abend beim VfL Waiblingen - auf und neben dem Feld.
Nach 60 Minuten wirkte der Zweitrunden-Sieg im DHB-Pokal für die Gäste wie ein Befreiungsschlag. Endlich einmal hatten sie 60 überzeugende Minuten auf die Platte gebracht. Endlich einmal dem Gegner das schnelle Tempo-Spiel über wenige Stationen aufgedrückt. Und endlich auch einmal die eigenen Torchancen konsequent genutzt. Es gab wenig zu kritisieren an diesem Abend in Waiblingen. "Unglaublich, die Mädels haben hervorragend gespielt", frohlockte Tanja Logvin. Auch von der Trainerin war durch den Sieg ein wenig Ballast abgefallen. Aber warum eigentlich?
Sport-Union sorgt wieder für positive Nachrichten
Vor allem, weil es wieder sportliche Positiv-Nachrichten zu vermelden gab. Denn die nackten Zahlen hatten die Lage bei der Sport-Union in den vergangenen Wochen nur bedingt ausgedrückt: Ein Sieg (in Waiblingen) und eine Niederlage (zu Hause gegen Dortmund) standen bis Samstagabend im Arbeitsnachweis der Saison. Eine Bilanz, eigentlich ebenso erwart- wie verschmerzbar. Doch es waren das Drumherum und das Wie, das die Stimmung bei der Sport-Union etwas gedämpft hatte.
Der Auftakt in Waiblingen war mühsam gewesen, die Niederlage beim Heimdebüt gegen den BVB in der Art und Weise des Zustandekommens ein Offenbarungseid. Dazu kamen verletzte Spielerinnen und die Krankheitswelle in der Mannschaft, auf deren Höhepunkt die kurzfristige Absage des Bietigheim-Spiels stand. Der vorzeitige Abgang von Linksaußen Marthine Svendsberget war zudem − wenn auch weitestgehend unverschuldet − ein erster Rückschlag für das sportliche Führungsduo Tanja Logvin/Gerhard Husers und sorgte ebenfalls nicht für Aufbruchstimmung. Es waren zähe Wochen in Neckarsulm.
Valentyna Salamakha überzeugt zwischen den Pfosten
Doch kurzlebig wie der Sport nun einmal ist, war all das nach dem Erfolg in Waiblingen vergessen. Und auch das lag an der Art und Weise, wie der Achtelfinaleinzug (Spieltermin: Samstag oder Sonntag, 3./4. Dezember) besiegelt worden war. Dominant, konzentriert, entschlossen, effektiv − die Neckarsulmerinnen vereinten in der Rundsporthalle alle Eigenschaften, die kumuliert bislang vermisst worden waren.
Das Tempo-Spiel über Daphne Gautschi und Nina Engel über den linken und rechten Rückraum funktionierte gut, Luisa Schulze und Sharon Nooitmeer bescherten als Mittelblock VfL-Kreisläuferin Kimberly Gisa einen Abend zum vergessen und Valentyna Salamakha, die 60 Minuten zwischen den Pfosten stand, hatte am Ende ihrer Schicht vier Torvorlagen gegeben und fast 43 Prozent aller Bälle abgewehrt − darunter einige starke Eins-gegen-Eins-Paraden.
Nach zehn Minuten, als VfL-Trainer Thomas Zeitz seine erste Auszeit nahm, stand es bereits 8:4 für die Sport-Union. "Uns fehlt einfach extrem die Erfahrung und Körperlichkeit", sagte Zeitz im Nachgang über seine junge Mannschaft, der die Neckarsulmerinnen − anders als noch am ersten Spieltag − frühzeitig den Zahn zogen. Fragende, fast hilfesuchende Blicke hätten seine Spielerinnen ihm zugeworfen, als Luisa Schulze mit ihren 1,90 Metern ihre Gegenspielerinnen am Kreis regelmäßig beherzt aus der Gefahrenzone geschoben hatte. "In solchen Situationen werden wir einfach versuchen müssen, den Kampf auch mal anzunehmen."
Dass es seinem Team dieses Mal nicht gelang, den Gästen der Sport-Union wenigstens in Teilen das eigene Spiel aufzudrücken, ärgerte den Waiblinger Coach zudem und lag in Teilen auch am Fehlen von Torhüterin Celina Meißner (Schulterprobleme), die im September eine starke Partie abgeliefert hatte. "Wir haben es nicht geschafft, auch mal das Tempo rauszunehmen; im Gegenteil: wir sind auch noch immer mitgelaufen und wollten selbst schnell spielen", monierte Zeitz fehlende Cleverness. "Ich habe es schon mal gesagt: Wir sind kein Erstligist. Wir sind ein Zweitligist, der es sich verdient hat, in der ersten Liga zu spielen. Und ich hoffe, dass wir diese Cleverness noch entwickeln werden."
Neckarsulmer Experimente funktionieren
Trotz Zeitz' Auszeit lief es für die Waiblingerinnen in der Folge nicht besser. Nach 20 Minuten war die Sport-Union bereits auf 17:9 davongezogen, bevor auf beiden Seiten eine siebenminütige, torlose Phase mit einigen Abspielfehlern und Fehlwürfen begann. Kurz nach der Pause versuchten die Gastgeberinnen, Neckarsulm mit einer 5:1-Abwehrformation unter Druck zu setzen, was bereits nach wenigen Minuten wieder ad acta gelegt wurde.
Auf der anderen Seite zeigten die Experimente mehr Wirkung: Überraschend ließ Tanja Logvin je nach Spielsituation im Zentrum rotieren. Defensiv stand zunächst Luisa Schulze auf dem Feld, nach Ballgewinnen kam für die Nationalspielerin dann häufig Fatos Kücükyildiz als Spielmacherin ins Team. Später betrieb Kücükyildiz auch mit Sharon Nooitmeer, der zweiten Spielerin in der Kreismitte, regelmäßig Arbeitsteilung. "Es ist eine Möglichkeit, die aber nur funktioniert, weil wir mit viel Tempo gespielt haben", sagte Tanja Logvin.
Weil in der Schlussphase schließlich einige der Viel-Spielerinnen vom Feld gingen, rückte Daphne Gatuschi auch hin und wieder auf die Linksaußen-Position, als Carmen Moser die Rückraum-Rolle der Schweizerin ausfüllte. Es waren Experimente, die sich die Sport-Union in der Schlussviertelstunde erlauben konnte, weil sie sie sich diese Freiheiten mit ihrer vorherigen Leistung erarbeitet hatte. Dass Waiblingen zwischen der 40. und 49. Minute neun Zeigerumdrehungen lang torlos blieb, war angesichts des einseitigen Spielverlaufs und klaren Zwischenstandes (40. Minute: 25:17 bzw. 49. Minute: 30:18) fast nur eine Randbemerkung wert.
Bad Wildungen wartet noch vor der EM-Pause
So brachte die Sport-Union Neckarsulm gegen einen an diesem Abend deutlich unterlegenen VfL Waiblingen routiniert zu Ende, was sie entschlossen begonnen hatte. Dass dem Heber von Daphne Gautschi ein Treffer nach dem schönsten Spielzug des Abends über Nina Engel, Carmen Moser und Sharon Nooitmeer von der Querlatte des Waiblinger Tores verwehrt wurde − am Ende geschenkt. Viel wichtiger: Die gute, gelöste Stimmung ist zurück in Neckarsulm. Diese über die nahende EM-Pause zu konservieren, wäre wichtig. Doch dafür braucht es bei den Vipers aus Bad Wildungen am nächsten Samstag ein ähnlich gutes Spiel.
Daphne Gautschi Teil der Schweizer EM-Delegation
Nachdem am Mittwoch bereits Sarah Wachter, Luisa Schulze und Ex-Neckarsulmerin Johanna Stockschläder (Thüringer HC) vom Deutschen Handballbund und Bundestrainer Markus Gaugisch für die bevorstehende Europameisterschaft in Nordmazedonien, Slowenien und Montenegro (4. bis 20. November) nominiert worden waren, erhielt am Freitag auch Daphne Gautschi einen Platz im EM-Kader der Schweiz.
Die linke Rückraum-Spielerin der Sport-Union wurde als eine von sieben Legionärinnen von Nationaltrainer Martin Albertsen für das EM-Debüt der Eidgenossinnen nominiert. Darüber hinaus befindet sich mit Chantal Wick im Schweizer Aufgebot ebenfalls eine Spielerin mit Neckarsulmer Vergangenheit. Die defensivstarke 28-Jährige, die von 2019 bis 2021 in der Ballei auflief, spielt inzwischen für Ajax København in Dänemark.
Sport-Union Neckarsulm: Salamakha (18 Paraden) − Gomilar Zickero (5), Engel (5/1), Schulze (3), Nooitmeer (6), Gautschi (8), Johannsen (1); Kücükyildiz (2/2), Moser (2), Ihlefeldt (1), S. Mann (3), Bruggeman (1/1), Verbraeken (1).
Erfolgreichste Werferinnen VfL Waiblingen: Magdalena Probst (4/3), Rabea Pollakowski (4), Lara Eckhardt (4), Emma Hertha (4).
Schiedsrichterinnen: Sophia Janz/Rosana Sug.
Zeitstrafen: 0/1.
Siebenmeter: VfL Waiblingen: 3/4, Sport-Union: 4/4.
Zuschauer: keine Angabe.