Das Neckarsulmer Warten auf die Symphonie
Auf dem Papier ist der Saisonstart der Sport-Union Neckarsulm desaströs, doch es steckt mehr hinter den ersten fünf Liga-Spielen des Handball-Bundesligisten, als es die bloßen Zahlen vermuten lassen.

Vom Müssen wollte Thomas Zeitz am Mittwochabend im Angesicht der 26:42-Niederlage bei der SG BBM Bietigheim nichts wissen. "‚Müssen‘ ist ja ein blödes Wort", sagte der Trainer der Sport-Union Neckarsulm noch auf dem Parkett der Viadukt-Sporthalle, "aber irgendwann sollten wir mal Punkte holen. Das ist gegen Zwickau definitiv möglich und das soll dann auch so sein."
Das Spiel gegen Meister Bietigheim war bei allen Beteiligten dem Vernehmen nach bereits am Abend mit der Schlusssirene abgehakt, der Fokus richtete sich schnell auf den 28. Oktober, an dem der BSV Sachsen Zwickau ab 18 Uhr in der Ballei zu Gast sein wird. Dann soll der Neckarsulmer Knoten endlich platzen. "Ich glaube, dass wir nach den letzten drei Auftritten - gegen Bensheim und jetzt zweimal gegen Bietigheim - auch vom Kopf her auf einem guten Weg sind", betont Zeitz. "Ich bin ganz guter Dinge."
In der Saison 2018/2019 wurden die ersten fünf Spiele ebenfalls verloren
Auch wenn das Liga-Spiel gegen Bietigheim durch einen 1:7-Lauf in den letzten acht Minuten deutlicher endete, als es gemusst hätte, könne man die Leistung nicht mit den schwachen Spielen gegen Metzingen oder den THC vergleichen, ordnete Zeitz das Baden-Württemberg-Duell ein.
Dennoch steht beim Blick auf die nackten Zahlen mit 0:10 Punkten nach den ersten fünf Spielen der schlechteste Saisonstart der Neckarsulmer Bundesliga-Geschichte zu Buche. Zwar begann auch die dritte Erstliga-Spielzeit 2018/2019 mit fünf Niederlagen, allerdings bei einem deutlich ausgeglicheneren Torverhältnis (117:150 statt aktuell 111:172). Metzingen, Bad Wildungen, Nellingen, Bensheim/Auerbach und Thüringer HC hießen seinerzeit die Gegner, bevor der Knoten im sechsten Spiel durch ein 30:26 gegen die HSG Blomberg-Lippe platzte. Ein gutes Omen für den sechsten Spieltag gegen Sachsen Zwickau?

Das anspruchsvolle Auftaktprogramm hat die ebenso junge wie kurzfristig zusammengestellte Sport-Union-Mannschaft nun zumindest überstanden, in den drei verbleibenden Duellen bis zur WM-Pause gegen Zwickau sowie in Halle-Neustadt und Dortmund sollten jedoch mindestens drei Punkte her, besser noch vier, um direkte Konkurrenten im Abstiegskampf nicht in direkten Duellen zu stärken. "Wir haben vielleicht ein kleines Plus gegenüber Zwickau, weil wir jetzt noch einmal zwei, drei Tage mehr haben, um uns vorzubereiten. Das sollte kein Nachteil sein", sagt Thomas Zeitz hoffnungsfroh.
Es fehlt bisher ein kollektiver Höhenflug über 60 Minuten
Doch auch im Spiel gegen Bietigheim waren noch einmal fast alle Muster zu erkennen, die die Sport-Union bislang durch alle ihre fünf Liga-Spiele begleitet haben: Anfälligkeit bei Tempogegenstößen, Unordnung in der Deckung und fehlende Tiefe im Angriffsspiel. Hinzu kommen die Verletzten-Misere, die sich zumindest bei Munia Smits, Veronika Andrysková und Vasiliki Gkatziou zeitnah nicht ändern wird, sowie allen voran die fehlende Konstanz.
Denn mal präsentiert sich die gesamte Mannschaft über längere Spielphasen gut, ein anderes Mal sind es einzelne Akteurinnen, die in einer Partie herausstechen. Doch ein kollektiver Höhenflug, ein Spiel, in dem sieben oder acht Spielerinnen über 60 Minuten ihr Leistungsmaximum erreichen, lässt bisher noch auf sich warten. Mindestens am zweiten Spieltag beim Gastspiel in Leverkusen wären mit einem solchen Höhenflug allerdings Punkte möglich gewesen.
Raus aus der emotionalen Achterbahn
So stachen jedoch immer wieder einzelne Spielerinnen heraus: Nina Engel machte gegen Metzingen, Leverkusen und nun in Bietigheim gute Spiele, Marloes Hoitzing ließ im Pokal-Achtelfinale ebenso aufhorchen wie Torhüterin Valentyna Salamakha. Gegen Bensheim machten eine kompromisslose Amber Verbraeken auf Rechtsaußen und Annefleur Bruggeman im Rückraum Spaß, während sich Arwen Gorb trotz ihrer latenten Knieprobleme im Pokal hervortat. Kim Hinkelmann rechtfertigte den Besuch von Bundestrainer Markus Gaugisch mit ihrer Leistung gegen Metzingen, Laila Ihlefeldt wusste gegen Bietigheim zu gefallen und Fatos Kücükyildiz verwandelte in Bensheim fünfmal cool von der Siebenmeter-Linie.
Doch auf den Abend, an dem das gesamte Orchester geschlossen eine wohlklingende Symphonie zum Besten gibt, muss das Publikum bislang warten. Das mag an den Gegnern und der neu zusammengestellten Mannschaft liegen, aber - anders als noch in der Vorsaison - zumindest nicht an einem schlechten Miteinander. Stattdessen gab es bislang eine sportliche wie emotionale Achterbahnfahrt, wie es Sharon Nooitmeer vor der Länderspielpause beschrieben hatte. Zwar lässt sich auch auf einer Achterbahn Spaß haben, doch irgendwann sollte man aussteigen, bevor sich der Magen herumdreht. Warum nicht schon in einer Woche gegen Zwickau?