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Durchhalteparolen: Heilbronner Falken hoffen auf Geld und bitten um Geduld

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Der scheidende Geschäftsführer Franz Böllinger sieht die Heilbronner Falken in „extrem kritischer wirtschaftlicher Lage“, verurteilt Fanproteste als „kontraproduktiv“ und schweigt sich zum Stadionneubau aus. 


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Pinke Trikots. Das war bis Freitagvormittag das große Thema auf den clubeigenen Kanälen der Heilbronner Falken. Eine Werbeaktion für die Ladies Night am 25. Januar. Eine offizielle Reaktion auf die massiven Fanproteste samt drohendem Spielabbruch vom vergangenen Freitag?

Erfolgte erst nach knapp einer Woche und war ein Musterbeispiel für inhaltsleere Kommunikation. Ein Statement zur vorgestellten Campus-Erweiterung, den Plänen für einen Eishallen-Neubau? Absolute Fehlanzeige.

Die Fanproteste vom vergangenen Freitag sind eine Woche totgeschwiegen worden. Am Freitag wurden sie von der Falken-Führung verurteilt.
Die Fanproteste vom vergangenen Freitag sind eine Woche totgeschwiegen worden. Am Freitag wurden sie von der Falken-Führung verurteilt.  Foto: Stephan Sonntag

Obwohl die Protestaktion angekündigt war, wusste die Mannschaft von nichts 

Stattdessen herrschte diese Woche erst einmal business as usual. Crowdfunding-Gewinner, Verletzungs-Update, nächste Oberliga-Gegner – darum drehten sich die offiziellen Verlautbarungen. Vielleicht lag es daran, dass die Adressaten der Fanproteste vom Freitag – die Gesellschafter der Falken GmbH – gar nicht im Eisstadion waren? Obwohl die Aktion etwas mehr als eine Stunde vor dem ersten Bully angekündigt worden war, wusste die Mannschaft von nichts, kassierte irritiert vom Lärm auf den Rängen zwei Gegentore in der ersten Spielminute und unterlag Peiting mit 1:2. Sogar Trainer Niko Eronen gab hinterher zu, die Beweggründe für die Protestaktion nicht zu kennen.

Wichtigstes Thema der Woche war: Die neuen pinken Trikots.
Wichtigstes Thema der Woche war: Die neuen pinken Trikots.  Foto: Heilbronner Falken

Selbst überregional wird das groteske Verhalten der Führungsriege inzwischen wahrgenommen. „Pfiffe, Sirenen, Trillerpfeifen“, titelte das Portal „rosenheim24“ am Montag und bezweifelte, dass sich die „aufgebrachten Fans“ durch den 6:4-Sieg der Heilbronner in Bayreuth am vergangenen Sonntag besänftigen ließen. Der „Nordbayrische Kurier“ schrieb mit Blick auf die Falken: „Keine Antworten, keine Statements, keine Lebenszeichen – Geschäftsführer Franz Böllinger wie vom Erdboden verschluckt“.

Böllinger bezeichnet die Fanproteste als „kontraproduktiv“

Am Freitag tauchte der geschäftsführende Gesellschafter nach vierwöchiger Abtauchphase plötzlich wieder auf. Zumindest war sein Name unter dem auf den clubeigenen Kanälen veröffentlichten Statement zu lesen, das vom Duktus klar erkennbar aus der Feder des Friedrichshaller Unternehmers stammte. Darin werden die Fanproteste als „kontraproduktiv“ gebrandmarkt bei gleichzeitigem Verständnis für eine „deutliche Unzufriedenheit“. Statt zu pfeifen, solle dem Team durch „aktive mentale sowie lautstarke Unterstützung“ geholfen werden. Böllinger wünscht sich den „zahlreichen Besuch der kommenden Spiele“.

In keiner Weise ging er auf die bevorstehende wegweisendste Entscheidung für den Eishockeysport in Heilbronn ein. Am Dienstag wurde der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs für den Bildungscampus Süd vorgestellt. Dem muss das Eisstadion am Europaplatz weichen, ein neuer Standort soll im nächsten halben Jahr vorgestellt werden.

Falken haben sich mit Blick auf den Stadionneubau bislang nicht positioniert 

2026 ist das Jahr des 40-jährigen Bestehens des Heilbronner EC. Der Verein hat sich mit Blick auf die Ausgestaltung dieser neuen Sport- und Freizeitstätte klar positioniert. Priorität hat eine zweite Eisfläche, um Nachwuchs-, Breitensport- und Freizeitangebote zu stärken und auszubauen.

Und die Falken? Präsentierten 2022 noch als DEL2-Club eine „Roadmap 2027“. Darin war ein DEL-tauglicher Stadionneubau mit einer Kapazität von 5000 Zuschauern skizziert. Die Abbildung dazu zeigte allerdings das Berliner Olympiastadion mit offenem Dach. Da dürfte aber vermutlich der Grafiker danebengegriffen haben.

Am Dienstag ist der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs zur Campuserweiterung Süd gekürt worden. Im Rahmen dessen wird das Eisstadion am Europaplatz der Abrissbirne zum Opfer fallen.
Am Dienstag ist der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs zur Campuserweiterung Süd gekürt worden. Im Rahmen dessen wird das Eisstadion am Europaplatz der Abrissbirne zum Opfer fallen.  Foto: Berger, Mario

Beinahe ironisch muten in dem gerade einmal drei Jahre alten Werk die Ziele „Kommunikation verbessern“ und „Gesellschafterstruktur ausbauen“ an. Das Gremium schrumpfte seitdem von vier auf drei Personen. Wobei Böllinger ja bereits seinen baldigen Abgang angekündigt hat und damit Rainer Maurer und Tom Bucher nur noch ein Gesellschafter-Duo bilden würden. Der Geschäftsführerposten, den Böllinger zusätzlich übernommen hatte, wäre dann ebenfalls vakant.

Das unternehmerische Ungleichgewicht ist unübersehbar 

Und das bei einem Club, der es im Sommer schon versäumt hatte, rechtzeitig seine Lizenzunterlagen vollständig einzureichen, die Spielerlaubnis letztlich nur mit Auflagen und auf Kosten eines Punktabzugs erhielt. Der Vorgriffe auf Sponsorengelder und großzügige öffentliche Spenden benötigte, um Finanzlöcher zu stopfen. Gleichzeitig aber langjährige Sponsoren vor den Kopf stieß und vor die Tür setzte. Der sich aber dennoch einen der teuersten Kader der Oberliga Süd leistet.

Um hier ein verhängnisvolles unternehmerisches Ungleichgewicht festzustellen, braucht es kein Studium der Betriebswirtschaftslehre. „Die wirtschaftliche Situation ist extrem kritisch“, schreibt Böllinger im Statement vom Freitag. Die Falken brauchen Geld, viel Geld, oder in Böllingers Worten: „Die Problemlösung sieht einen erheblichen Mittelzufluss in die Organisation vor.“ Details blieb er auch auf Stimme-Nachfrage schuldig, bat in seinem Statement stattdessen um Geduld: „Wir können erst in die Öffentlichkeit gehen, wenn dieser laufende Prozess zu einem hoffentlich guten Ende gekommen ist.“

Die Heilbronner Falken erinnern derzeit an einen taumelnden Boxer kurz vorm K.o.

Kurz vor Weihnachten 2025 wirken die Heilbronner Falken wie ein taumelnder Boxer kurz vorm K.o. Statt eines Zukunftsplans gibt es Durchhalteparolen. In Hinterzimmern wird versucht, Wogen zu glätten und Gelder zu akquirieren. Statt auf einen Befreiungsschlag läuft alles auf einen dumpfen Aufprall hin. Bis dahin gibt es pinke Trikots zu kaufen. Stückpreis 85 Euro. Fröhliche Weihnachten!

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