Was Fleischesser wollen
Das meiste Fleisch aus den Kühlregalen der Supermärkte erfüllt nicht mehr als die gesetzlichen Mindestanforderungen. Weil Verbraucher nichts Besseres wollen? Eine Expertin von der Verbraucherzentrale führt andere Gründe an.
Wer in die Kühlregale der Supermärkte schaut, findet viel abgepacktes Fleisch - aber nur wenig, für das die Tiere auch nur ein bisschen mehr zugestanden bekommen hat als die gesetzlichen Mindestanforderungen. Mangelt es am Angebot? Oder gäbe es mehr Angebote, wenn es die entsprechende Nachfrage gäbe? Darüber haben wir mit Sabine Holzäpfel gesprochen. Sie ist Referentin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart.
Welchen Logos und Labels können Verbraucher beim Fleischkauf vertrauen, Frau Holzäpfel?
Holzäpfel: Vertrauen ist ein großes Thema. Die vielen Siegel und Labels nutzen nichts, weil sie selten eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen. Ein Durcheinander an Kriterien, viel Freiwilligkeit, keine Kontrollen. Die Verbraucher brauchen mehr Informationen, mehr Verlässlichkeit, mehr Transparenz. Im Übrigen gilt das nicht nur fürs Fleisch, sondern auch für andere tierische Produkte wie Eier oder Milch.
Bringt die Einstufung nach Haltungsformen nichts?
Holzäpfel: Wenig. Es handelt sich dabei nicht um ein Tierwohllabel, schon gar nicht um ein staatliches. Es ist auch keine gesetzliche Kennzeichnung, deren Einhaltung kontrolliert wird, sondern eine freiwillige Vereinbarung von Handelsunternehmen. Sie ordnen damit ihr bestehendes Angebot in vier Stufen ein. Das Ziel ist aber nicht, das Angebot zu verbessern, wir sehen somit derzeit dadurch kaum Vorteile für Verbraucher.

Kann der Verbraucher so nicht besser sehen, was er kauft?
Holzäpfel: Zunächst mangelt es noch an der Auswahl. Der allergrößte Teil des Fleischs läuft unter Haltungsform 1. Das bedeutet, gesetzlicher Mindeststandard. Nur ein sehr kleiner Teil entfällt auf die besseren Stufen, bis hin zu Stufe 4, die auch Bio-Produkte umfasst. Wenn es das mit höheren Standards hergestellte Fleisch kaum zu kaufen gibt, können sich Verbraucher auch nicht dafür entscheiden. Und am Ende heißt es dann, die Verbraucher würden ja nur Stufe 1 wollen, dabei hatten sie gar nicht die volle Auswahl. Außerdem gibt es diese Einteilung nur für das abgepackte Fleisch im Kühlregal. Wenn Sie eine Pizza mit Schinken und Salami kaufen, können Sie nicht herausfinden, woher das Fleisch stammt. Auch an der vermeintlich hochwertigeren Frischfleischtheke gibt es selten Informationen zur Haltung.
Würde ein höherer Preis helfen?
Holzäpfel: In den Verkaufspreis spielen zahlreiche Faktoren hinein. Verbraucher haben aber keinen Einblick in die Preiskalkulation. Sie erhalten keine Informationen darüber, wie sich ein Preis zusammensetzt, welcher Anteil überhaupt beim Erzeuger landet und was dieser damit macht. Daher kann es nicht sein, dass Verbraucher in Vorleistung gehen sollen, ohne zu wissen, was ein höherer Preis am Ende überhaupt bewirkt. Lediglich den Endpreis anzuheben und zu hoffen, dass es dann den Tieren besser geht, ist aus unserer Sicht keine Lösung.
Wozu raten Sie?

Holzäpfel: Damit Verbraucher endlich mehr und vor allem verlässliche Informationen bekommen, führt aus unserer Sicht kein Weg an einem anspruchsvollen staatlichen Tierwohlkennzeichen vorbei. Doch ob es so kommt, wie das Bundeskabinett es schon im September 2019 im Gesetzentwurf beschlossen hat, ist immer noch ungewiss. Außerdem müssen die gesetzlichen Standards angehoben und erweitert werden. Es gibt zu viele Ausnahmeregelungen von Tierschutzvorschriften, die abgeschafft werden müssen. Derzeit wird das Tier der Haltung angepasst, das müsste eigentlich umgekehrt sein. Man erlaubt aber lieber, Schweinen die Schwänze abzuschneiden, statt geeignete Gegenmaßnahmen vorzuschreiben wie beispielsweise mehr Platz und besseres Beschäftigungsmaterial.
Zur Person:
Sabine Holzäpfel arbeitet seit 2009 in der Abteilung Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. Ende 2010 hat sie die Stelle der Referentin in der Abteilung übernommen.
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