Drei Menschen berichten, was Europa ausmacht
Welche Bedeutung hat Europa für das Leben in der Region? Drei Menschen sprechen über Grenzerfahrung, intereuropäische Beziehungen und einen europäischen Geist.
Larissa Schatz, 25 Jahre, Siegelsbach

Fünf Monate lang war Larissa Schatz dort, wo Goethe schon war. An der Universität in Straßburg hat die angehende Lehrerin ihr Erasmus-Semester gemacht. Zusammen mit Italienern, Spaniern und Franzosen erlebte sie eine Zeit, die sie geprägt hat. "Mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen, in einem anderen Land, das war eine besondere Erfahrung." Das Schengen-Abkommen sei ein Riesenglück, sagt Schatz. "Aber wirklich in einem anderen Land leben, ist nochmal was ganz anderes."
Besonders die Grenzregion zu Frankreich und das Elsass haben es der 25-Jährigen seitdem angetan. "Wie nah das alles ist! Und trotzdem herrscht hinter der Grenze eine komplett andere Realität." Wegen ihrer Fächerkombination Französisch, Politik und Wirtschaftswissenschaften besuchte sie mehrmals das Europäische Parlament in Straßburg. "Wir wurden an das politische Arbeiten herangeführt, das war toll!"
Noch immer hat sie Freunde dort und besucht die Stadt und das Elsass regelmäßig. "Ich sehe mich selbst nicht nur als Deutsche, sondern als Europäerin." Und von der Gelassenheit der Franzosen könnten die Deutschen sich noch was abschauen, sagt sie und lacht.
Reinhold Schmidt, 66 Jahre, Heilbronn

Rosig ist das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen oft nicht, sagt Reinhold Schmidt: "Unser Verhältnis ist immer noch schwer belastet von den deutschen Kriegsverbrechen." Der 66-Jährige hat fast das gesamte Land bereist und ist Vorsitzender des deutsch-polnischen Freundeskreises in Heilbronn. "Von einer partnerschaftlichen Beziehung sind wir deshalb weit entfernt." Die Städtepartnerschaft zwischen Heilbronn und dem polnischen Slubice, die auf sein Bemühen hin geschlossen wurde, sei ein kleiner Baustein, um den Austausch zwischen Menschen beider Nationen zu ermöglichen. "Damit hängen viele Emotionen zusammen."
Was Europa ausmacht, ist für Schmidt klar. "Für mich ist die europäische Konstellation mit den 27 Mitgliedsländern eine große Gemeinschaft zur Sicherung des Friedens." Danach erst kämen Wirtschafts- und Solidargemeinschaft. "Es ist ein großer Kampf, all diese Ziele zu erreichen." Zuletzt waren Schmidt und der Freundeskreis im Jahr 2018 in Slubice, auch, um für die Region zu werben. Für die rund 6000 Polen und Menschen mit polnischen Wurzeln in Heilbronn sei der Dialog wichtig. "Es ist eine Daueraufgabe, den Annäherungsprozess voranzutreiben."
Heinrich Kümmerle, 58 Jahre, Heilbronn

Dass Deutschland Anfang Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, findet Heinrich Kümmerle falsch. "Weil es Europa wieder renationalisiert." Kümmerle ist Vorsitzender des Kreisverbands der Europa-Union. Deren Ziel: "Wir streben einen europäischen Bundesstaat und die Auflösung der Nationalstaaten an." Die EU sei von Anfang an so geplant gewesen, sagt Kümmerle. Regionen sollten gestärkt und eine europäische Regierung eingesetzt werden. "Alles, was die Gemeinde nicht regeln kann, regelt der Kreis. Dann die Region und dann erst Europa." Derzeit passiere das Gegenteil, sagt der 58-Jährige. "Europa ist erfolgreich und nationale Politiker tun so, als sei das ihr Verdienst gewesen."
Solange der europäische Geist fehle, werde sich nichts ändern. Laut Kümmerle seien Nationalstaaten nicht mehr in der Lage, Probleme wie Pandemien, Umweltkatastrophen oder Rohstoffknappheit zu lösen. Das hätte Corona gezeigt: "Hätte es von Anfang an eine europäische Antwort gegeben, hätten wir das Virus besser bekämpft." Es sei eine Illusion, zu glauben, dass Deutschland rein Deutsch sei, sagt Kümmerle: "Heilbronn ist doch das beste Beispiel. Hier hat jeder zweite einen Migrationshintergrund."
Was bedeutet Europa für die Region?
Hier werden alle Artikel zum Wochenthema eingepflegt - mit Ausnahme des Leseraufrufs.
-
Die EU strauchelt Richtung Zukunft - was heißt das für die Region?
-
Quiz: Wie gut kennen Sie die Europäische Union?
-
Wie die Region EU-Fördergelder nutzt
-
Ist Europa die große Vision oder eine Koalition der Willigen?
-
Drei Menschen berichten, was Europa ausmacht
-
Was macht eigentlich eine Europabeauftragte?
-
Hohenloher SPD-Abgeordnete spricht im Video über die Zukunft der EU