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Wie in Heilbronn ein Koffer mit einer Million Mark verschwand

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Der Diebstahl eines Geldkoffers im Jahr 1996 in der Heilbronner Innenstadt fuchst einen Ermittler. Am helllichten Tage verschwand der Koffer aus einem Transporter. Zwar gibt es eine naheliegende Theorie zu den Tätern, doch die Tat ist verjährt.

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So sah der Geldkoffer aus. Foto: Archiv/Horst Wendt
So sah der Geldkoffer aus. Foto: Archiv/Horst Wendt

Zwischenzeitlich gerieten die Kurierfahrer selbst unter Verdacht. Es war ja auch schwer zu glauben für die Ermittler, dieses Szenario, das ihnen präsentiert wurde. Ein Geldkoffer soll aus einem fahrenden Transporter verschwunden sein, einfach so. Dem pensionierten Kriminalpolizisten Uwe Wendnagel aus Nordheim sind auch heute, mehr als 20 Jahre nach der Tat, fast alle Details präsent. Zu lange und zu ausgiebig hatte er sich mit diesem kuriosen Fall beschäftigt.

Wendnagel (77) kann sich erinnern, wie sie die Wohnungen der Kurierfahrer, die damals 28 und 46 Jahre alt waren, und die Geschäftsräume durchsucht hatten. Ohne richterlichen Beschluss – denn die plötzlich in Verdacht Geratenen stimmten freiwillig zu. Die Ermittler fanden nichts, was ihre These hätte erhärten können.

Es geschah im Jahr 1996 in der Mittagszeit. „Uns wurde gemeldet, dass aus einem Geldtransporter ein Geldkoffer mit 1,13 Millionen Mark verschwunden sei“, sagt Uwe Wendnagel. Der Geldtransporter war zunächst zur Volksbank in der Allee gefahren, Ecke Moltkestraße. Dort fuhr er in die Tiefgarage und weiter in eine Schleuse. Der Koffer wurde gefüllt und verladen. Normalerweise wäre er seitlich im Transporter verladen worden. Die Kurierleute verstauten ihn aber an der hinteren Tür. Dann sollte es über die Südwestbank weiter zur Landeszentralbank gehen – auf dieser Strecke verschwand die Million.

Hintertür des Wagens stand offen

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Anfangs habe man vermutet, dass der Koffer beim Anstieg aus der Südwestbank-Tiefgarage aus dem Transporter gefallen sein könnte. Wie sich herausstellte, stand die Hintertür des Wagens die Fahrt über offen – bis ein Autofahrer die Kurierleute darauf aufmerksam machte. „Dabei haben sie festgestellt: Der Koffer ist weg“, schildert Uwe Wendnagel. Ein großer Fehler der Kurierfahrer war, dass sie die ersten zwei Stunden erstmal einmal damit verbrachten, den Koffer auf eigene Faust zu suchen. „Sie hatten gedacht, er sei ihnen verloren gegangen.“ Viel zu spät meldeten sie sich bei der Polizei – wertvolle Zeit war verstrichen, die den Ermittlern fehlte.

Ein Diebstahl wäre eigentlich nicht Sache der Kripo gewesen, aber aufgrund der Höhe der Beute sei damals entschieden worden, dass sich „der Herr Wendnagel“ um den Fall kümmert. Wendnagel war damals bei der Kripo zuständig für Raub- und Erpressungsdelikte.

Was steckt hinter dem Diebstahl?

Wie bei den Ermittlungen schnell klar wurde, war die Hintertür des Geldtransporters defekt. Sie schloss nicht mehr richtig. Die Theorie, dass die Tür beim Fahren aufsprang, war daher naheliegend. Einige Jahre lang gab es keine Hinweise, „gar nichts“. Wendnagel machte sich viele Gedanken. Wurde ein Kumpel bereitgestellt, der den Auftrag ausführte? Oder war es ein Zufallstreffer von Gelegenheitsdieben. „Gelegenheit macht Diebe“, sagt auch Wendnagel. Nach fünf Jahren schließlich war die Tat verjährt. Geärgert habe es ihn immer, dass er den Fall nicht aufklären konnte, gibt der pensionierte Kripo-Beamte offen zu. Der Volksbank allerdings konnte es egal sein, sie bekam den gestohlenen Betrag von der Versicherung des Kurierdienst-Unternehmens, das es heute schon lange nicht mehr gibt, komplett bezahlt.

2006, bereits nach Wendnagels Pensionierung, kommt Licht ins Dunkel. Ein Boulevardblatt aus der Türkei veröffentlichte ein Interview mit einem Drogenhändler, der den Geldkoffer-Diebstahl in Heilbronn erwähnte. Er kenne die Diebe, wurde er von der Zeitung zitiert. Sie hätten mit der Beute ein Hotel in der Türkei gebaut. Der Mann nannte keine Namen und keine genauen Ortsangaben. Uwe Wendnagel kramt in seinen Erinnerungen. 2003 hat er so etwas Ähnliches schon mal von Heilbronner Rauschgift-Ermittlern gehört. Die Diebe sollen auf dem Rückweg vom Landratsamt gewesen sein, wo sie ihre Aufenthaltsgenehmigungen haben verlängern lassen. An einer Kreuzung auf dem Rückweg soll es geschehen sein, einer der beiden Diebe stieg aus und griff nach dem Geldkoffer. Doch es war alles viel zu vage und letztlich nur eine nicht überprüfbare Aussage, die aus dem Drogenmilieu stammte.

Da der Fall sowieso schon verjährt war, gab es auch keine Grundlage mehr für die Polizei, aktiv zu werden. Nur zivilrechtliche Ansprüche hätten noch geltend gemacht werden können. Doch wo es keinen Kläger gibt, da ist auch kein Richter.

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