Ungeklärter Mord bei Gundelsheim lässt Ex-Polizisten nicht los
Welche Spuren ein ungelöster Fall bei Ermittlern hinterlässt, zeigt das Schicksal der ermordeten Christine Piller. Die junge Frau wurde vor mehr als 30 Jahren erstochen im Gundelsheimer Wald gefunden. Zwei der damaligen Kripo-Ermittler erzählen von dem Fall, der sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hat.

Passanten entdecken die Leiche der 19 Jahre alten Christine Piller in einem Waldstück auf dem Michaelsberg in Gundelsheim. Die junge Frau mit den langen dunklen Haaren ist ermordet worden. Der Täter wird nie gefasst. Der ungeklärte Fall quält die Ermittler von damals zuweilen heute noch. Sie hoffen auch 34 Jahre später, dass die unfassbare Tat aufgeklärt wird.
Für Hugo Brenner ist es von Anfang an keine klassische Vermisstensuche. Als Christine Piller im Januar 1986 auf dem Heimweg von der Arbeitsstelle in Mosbach nach Aglasterhausen spurlos verschwindet, stuft der Kripo-Beamte den Fall sofort als Verbrechen ein. Er soll recht behalten.

„Von der Charakteristik des Opfers her, war sie eindeutig niemand, der einfach abhaut.“ Acht Wochen später wird ihre Leiche im Eichwald bei Gundelsheim-Böttingen entdeckt. „Es war ein Osterwochenende. Unser Wohnwagen stand vor dem Haus. Wir wollten in Urlaub fahren“, erinnert sich der heute 75-jährige Brenner an den Moment, als ihn die Nachricht über die Leiche erreicht. Er fährt zum Michaelsberg. Bevor er sich der erstochenen Toten nähert, prüft er die Umgebung, macht Fotos.
Der Heilbronner Kripobeamte Alfred Kulka ist bereits vor Ort. „Ich hatte bei der Kripo Bereitschaftsdienst und fuhr mit zwei Kollegen hin, nachdem uns der Fund einer weiblichen Leiche gemeldet wurde.“ Ob er in jenem Moment an die seit Wochen vermisste Piller denkt, weiß er heute nicht mehr. Eines ist gewiss: „Ich sehe das Bild immer wieder vor Augen. Es war eine emotional belastende Situation.“

Die grausamen Einzelheiten über den Zustand der Leiche seien nie an die Öffentlichkeit gedrungen, sagen die pensionierten Ermittler. „Aber ich weiß noch jedes Detail“, sagt der 72-jährige Kulka. Heute engagieren sich die Ruheständler für den Opferschutzverein Weißer Ring, Brenner in Mosbach, Kulka in Heilbronn. Das Leben steht in 34 Jahren nicht still. Und trotzdem: Bei jedem Zusammentreffen sprechen die Ex-Ermittler über Piller.
Hinweise, Hoffnung, Enttäuschung, Frust
„Es plagen einen Selbstzweifel“, sagt Brenner. Hat man etwas übersehen? Beamte des Landeskriminalamts in Stuttgart arbeiten die Unterlagen akribisch durch. Innenministerium und Staatsanwaltschaft begleiten die Polizeiarbeit. Ermittlungsfehler finden sie keine. Die alten Akten werden immer mal wieder im Polizeipräsidium Heilbronn hervorgeholt und überprüft. Zuletzt 2015. Vorhandene Spuren werden mit moderner Technik untersucht. Der Mord bleibt ungelöst.
„Wir haben Hinweise bearbeitet ohne Ende und immer gehofft, einer sei der Schlüssel zum Erfolg“, erzählt Kulka. Jedes Mal erfolgt eine Enttäuschung. „Das erzeugt Frust.“ Man entwickle eine Wut gegen den Täter, sagt Brenner.
Hier können sie unseren wöchentlichen Crime-Newsletter abonnieren. Abonnenten lesen darin exklusiv einen noch nicht veröffentlichten Artikel vorab.
Alle Augen richten sich auf die Hinterbliebenen
Was eine derartige Tat mit Hinterbliebenen macht, lässt sich nur erahnen. Piller ist nicht der einzige ungeklärte Mord in der Region. 1996 werden die Überreste der 16-jährigen Manuela K. aus Siegelsbach, einige Monate nach ihrem Verschwinden im Herbst 1995, in einem Wald in Sinsheim-Rohrbach entdeckt. Ungeklärt sind die Todesumstände der 45 Jahre alten Diana P. aus Weinsberg, die im Jahr 2008 tot auf einem Wanderparkplatz zwischen dem Klinikum Weissenhof und Grantschen liegt. Der Verlust des eigenen Kindes, des Ehepartners oder eines Elternteils, nicht zu wissen, wer für eine Gewalttat verantwortlich ist, belastet viele Angehörige ein Leben lang, wissen Brenner und Kulka aus ihrer Dienstzeit. Alle Augen richteten sich nach einem solchen Ereignis auf Hinterbliebene, gerade in einem kleinen Ort. Ihre Trauer und ihr Versuch, ins Leben zurückzufinden, werden beobachtet und bewertet.

Hugo Brenner überbringt Pillers Eltern die Todesnachricht. Der Kontakt besteht bis heute. Erst vor wenigen Tagen stattet er ihnen einen Besuch ab. Einige Nächte danach schläft er schlecht. „Angehörige brauchen Gewissheit“, sagt Brenner, „wer war es?“ Kulka spielt die Möglichkeiten durch: Ist der Täter verstorben und hat sein furchtbares Geheimnis mit ins Grab genommen? „Wenn er noch lebt: Hat er vor, sich zu offenbaren?“, fragt Kulka. „Hat er es irgendwo schriftlich fixiert? Hat er sich jemandem anvertraut?“ Die Hoffnung, dass die Tat aufgeklärt wird, lässt ihn nicht los.
Was geschah
Christine Piller arbeitet in einem Modehaus neben dem Mosbacher Rathaus. Am Donnerstag, 23. Januar 1986, macht sie sich in ihrem Ford Fiesta kurz nach 18 Uhr auf den Heimweg. In Aglasterhausen kommt sie nie an. Ihr Auto wird zwei Tage später in der Keltenstraße in Mosbach-Neckarelz gefunden. Am 22. März 1986 entdecken Passanten ihre Leiche in einem Waldstück bei Gundelsheim-Böttingen.
Tätern auf der Spur
-
Ungeklärter Mord bei Gundelsheim lässt Ex-Polizisten nicht los
-
Wie Betrüger durch vermeintliche Geldanlagen das Ersparte ergaunern
-
Warum die Verfolgung von Geldwäsche so schwierig ist
-
Wie ein Profiler half, den Mordfall Ole in Künzelsau zu lösen
-
Das Geiseldrama von Neuenstein - die Nacht in der jedes Wort zählte
-
Wie Experten Täter anhand ihrer Sprache erkennen