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Der fast perfekte (Leberwurst)-Mord

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Mit Gift im Lehnsessel und der Leberwurst versucht ein Sohn seinen Vater umzubringen. Doch der Mitwisser bekommt kalte Füße, verpfeifft ihn. Dr. Matthias Michel spricht darüber, dass Reue nur selten hilft, Verbrechen zu klären.

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Mit Gift in der Leberwurst versuchte ein damals 36 Jahre alter Mann, seinen Vater umzubringen. Fast hätte er es geschafft. Doch dann wurde er von einem Mitwisser verpfiffen, der es mit der Angst zu tun bekam,
Foto: Archiv/Tscherwitschke
Mit Gift in der Leberwurst versuchte ein damals 36 Jahre alter Mann, seinen Vater umzubringen. Fast hätte er es geschafft. Doch dann wurde er von einem Mitwisser verpfiffen, der es mit der Angst zu tun bekam, Foto: Archiv/Tscherwitschke  Foto: Tscherwitschke

Fast wäre es der perfekte Mord geworden - hätte nicht der Mitwisser Muffensausen bekommen und der Polizei Hinweise gegeben. Es war eine tatsächlich absurde Geschichte, die 2013 vor dem Landgericht Heilbronn aufgerollt wurde und die sich zuvor auf einem kleinen Weiler in Hohenlohe zugetragen hatte. Bekannt geworden ist der Fall als Leberwurst-Prozess.

Die Handelnden

Allein schon die handelnden Personen waren spannend: Da war der damals 36 Jahre alte Angeklagte, der extrem sauer war auf seinen Vater, der ihm nicht den Hof überschrieb und den er für den Tod der Mutter verantwortlich machte. Der Vater soll die landwirtschaftlichen Maschinen so schlecht gewartet haben, dass die Mutter bei einem Unfall auf dem Feld ums Leben kam.

Verheiratet war der Angeklagte mit einer osteuropäischen Gewichtheberin, mit der er auch ein Kind hatte. Auch der Auftritt der Ehefrau vor Gericht war denkwürdig.

Und dann war da noch als Zeuge der vermeintliche Mitwisser, ein extrem schmächtiges Männchen, das in der Pflege arbeitete und dem Angeklagten möglicherweise sogar den Tipp gegeben hatte, wie er den Vater umbringen könnte.

Die Methode

Denn die Methode war äußerst perfide: Der Angeklagte sammelte aus Thermometern Quecksilber und brachte das ins Kopfkissen des Vaters ein und in die Lehne seines Lieblingssessels. Auch soll er eine Schale mit Quecksilber in der Wohnung aufgestellt haben. Doch drei Jahre atmete der Vater die giftigen Dämpfe ein, ohne dass etwas passierte. Deshalb beschaffte sich der Angeklagte im Internet im April 2012 Narkotika und manipulierte damit eine bereits geöffnete Leberwurstbüchse. Tatsächlich verlor der Vater nun das Bewusstsein. Vier Tage lag er in seinem Bett und schwebte zwischen Leben und Tod.

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Der Hinweis

Hätte der Freund des Sohnes nun nicht kalte Füße bekommen und darauf gedrängt, einen Rettungswagen zu rufen, wäre der alte Mann gestorben und die Tat wäre nicht entdeckt worden. Denn selbst im Krankenhaus schöpften die Ärzte keinen Verdacht. Selbst dann nicht, als es einen anonymen Hinweis auf die Vergiftung gab. Erst, als der Mitwisser weitere Hinweise gab und die Polizei daraufhin ein ganzes Arsenal an Gewehren, Munition und Sprengstoff auf dem Hof fand, wurde der Vater toxikologisch untersucht, die Vergiftung diagnostiziert. Aussagen konnte der alte Mann vor Gericht nicht mehr. Damals dämmerte er in einem Pflegeheim vor sich hin.

Der Prozess

An einem Dutzend Verhandlungstagen beschäftige sich die Kammer unter Vorsitz von Norbert Winkelmann damals vor allem mit dem Motiv des Angeklagten - und mit dem des Verräters. Warum hatte er der darauf gedrängt, dass doch noch Rettungskräfte geholt wurden? Warum hat er seinen Freund verpfiffen? "Muffensausen ist eher selten", weiß Dr. Matthias Michel (60) der seit über 30 Jahren als psychiatrischer Gutachter in solchen Prozessen gehört wird. Er kann sich tatsächlich nur an einen Fall erinnern, wo sich ein unentdeckter Täter Jahre später selbst der Polizei stellte. Dabei ging es um zwei Raubüberfälle. "Die Justiz hat damals erst gedacht, der Mann ist nicht ganz dicht", erinnert sich Michel. "Doch der Mann war wirklich gesund und sagte, er wolle einen Neuanfang und könne mit der Belastung nicht leben." Dem Täter sei es wichtig gewesen, reinen Tisch zu machen.

Matthias Michel

Dr. Matthias Michel (60) ist Chefarzt und Ärztlicher Direktor. Er ist Geschäftsleiter der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Weißenhof. Seit mehr als 30 Jahren ist er immer wieder als psychiatrischer Gutachter vor Gericht.

Der Gutachter

Wie oft erlebt Michel ehrliche Reue? "Das ist gar nicht so häufig", sagt Michel. Gerichtsbeobachter wissen, dass Täter oft Reue bekunden in der Hoffnung, eine etwas mildere Strafe zu bekommen. "Aber so richtig tief empfundene Reue, das erlebt man vor allem da, wo Opfer deutlich geschädigt wurden und die Täter unter Einfluss von Alkohol oder Drogen handelten und nüchtern selbst nicht verstehen konnten, was sie da angerichtet haben." Auch bei im Affekt begangenen Taten sei Reue öfter zu beobachten. "Das hängt dann auch immer mit der Emotionalität des Motivs zusammen."

Die Reue

Dass Täter also aus Reue gestehen, ist eher selten. Was Michel aber bei den Explorationen immer wieder erlebt, das sind Täter, die erst einmal ins Reden gekommen, nicht mehr aufhören wollen. "Da ist mit dem Anwalt vereinbart, dass der Angeklagte Angaben zur Person macht, aber nicht zur Tat. Doch wenn wir dann so reden und zur Tat kommen, dann wollen die oft gar nicht mehr aufhören, weil es eben doch erleichtert. Da muss ich dann unterbrechen und daran erinnern, dass ich über alles, was mir bekannt wird, vor Gericht aussagen muss."

 

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