Petition gegen Sommerzone – Händler schicken Brandbrief an Heilbronns OB Harry Mergel
Sommerzonen und Parkverbote in Heilbronn sorgen für herbe Umsatzeinbußen bei Einzelhändlern und Gastronomen in der Innenstadt. Einige Geschäfte fürchten gar drohende Insolvenzen.

Sommerzonen in der Lohtor- und Turmstraße, Fahrverbote und jetzt auch noch die Großbaustelle in der Kaiserstraße – für viele Heilbronner Einzelhändler und Gastronomiebetriebe im Stadtzentrum ist das Maß voll. Sie haben sich in einer Petition an Oberbürgermeister Harry Mergel gewandt.
"Die Händler in der Innenstadt teilen mit, dass die Kunden-Frequenz einen kritischen Zustand erreicht hat", heißt es in dem Schreiben vom 8. Juli, das der Stimme vorliegt und das 27 Händler unterschrieben haben. "Seit Installation der Sommerzone mit gleichzeitigem Baubeginn und Schließung der Kaiserstraße sind die Kundenströme abrupt abgebrochen. Die Kaiserstraße wirkt als Mauer mit Sichtschutz", klagt die "Solidargemeinschaft der Händler", die gleichzeitig den OB auffordert, "umgehend zu handeln". Sonst drohten Insolvenzen oder Geschäftsaufgaben sowie weiteres Ausbluten der Innenstadt.
Weniger Kunden in Heilbronner Innenstadt wegen fehlender Parkplätze
"Es wäre alles anders gekommen, wenn man die Sommerzone im Rathaus-Innenhof und auf dem Kiliansplatz eingerichtet hätte", ärgert sich Evelyne Imhof-Kulla, die in der Lohtorstraße das Ladengeschäft "Mode mit Stil" betreibt. Sie fühle sich inzwischen wie in einem Hinterhof.
"Unsere Stammkunden überlegen, ob sie noch kommen, weil es keine Parkplätze mehr gibt", klagt die Geschäftsinhaberin. Der Rückgang im Vergleich zum Jahresanfang sei deutlich spürbar. "Drei Corona-Jahre haben wir uns durchgekämpft, jetzt kommt die Stadt mit einer derart unsensiblen Politik", ärgert sich Imhoff-Kulla, die ihr Geschäft bereits seit 50 Jahren betreibt.
Sommerzone steigere tagsüber den Lärmpegel und werde abends nicht genutzt
Für Claus Böhm ergibt die Sommerzone an sich schon keinen Sinn. "Der Lärm ist nachmittags teilweise unerträglich, und abends wird die Zone von Bürgern gar nicht genutzt", stellt der Besitzer eines Reisebüros fest. Vielfach klagen Anwohner auch, dass sich dort teilweise die Szene vom Marktplatz niederlässt. Von schlafenden Obdachlosen um die Mittagszeit und masturbierenden Männern ist die Rede.

"Wir hatten auch eine Gruppe jüngerer Leute, die mit Lautsprechern die Lohtorstraße beschallten und junge Frauen mit obszönen Gesten belästigten", klagt Justin Rube, Fachverkäufer in der Vorwerk-Niederlassung. Er beziffert den Rückgang der Kundschaft auf rund 30 Prozent. Dafür macht er die fehlenden Parkplätze verantwortlich. "Wer will seinen Staubsauger schon durch die halbe Stadt schleppen", erklärt der 25-Jährige.
Juniorchef von Leder Glenk klagt: Umsatzeinbuße bis zu 60 Prozent
"Wir haben Umsatzeinbußen, die zwischen 40 und 60 Prozent liegen", stöhnt Oliver Jung. Der Juniorchef von Leder Glenk am Kieselmarkt versteht ebenfalls nicht, warum die Sommerzone nicht auf der "Steinwüste Kiliansplatz" eingerichtet wurde. "Wir wussten von Anfang an, dass die Pläne nicht gut sind, und so ist es auch gekommen", ergänzt Luisa Terzici. "Der schnelle Kaffee am Mittag oder das schnelle Frühstück am Morgen sind für viele nicht mehr möglich, weil es keine Parkplätze mehr gibt", klagt die Inhaberin des Café Schümli in der Sülmerstraße.
Stadt setzt auf bessere Aufenthaltsqualität
Die Stadt hatte sich von der Einrichtung der Sommerzonen dagegen "eine bessere Aufenthaltsqualität und ein besseres Stadtklima" gewünscht. Die Kosten für die Lohtorstraße beziffert sie mit 90.000 Euro. Hinzu kommen die 94.000 Euro für eine mobile Wanderausstellung "Greencity". 9000 Euro kostet die Zone in der Turmstraße. Ein Großteil der Möbel und Materialien soll in den kommenden Jahren wiederverwendet werden.
Für Michael Seher, der die Petition der Händler organisiert hat, ist das ganze Verhalten der Stadt unerklärlich. "Ich verstehe nicht, warum jetzt auch noch die Parkplätze in der Schul- und Lammgasse gesperrt wurden", ärgert sich der parteilose Stadtrat, der der AfD-Fraktion angehört. Seine offiziellen Anfragen seien bisher unbeantwortet geblieben. "Wenn die Kunden aus dem Speckgürtel rund um Heilbronn nicht mehr kommen, weil sie nicht parken können, ist die Stadt tot", ist sich Seher sicher, der als Handelsvertreter in der Lammgasse arbeitet.
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel verspricht Evaluierung
Inzwischen hat Harry Mergel auf die Petition reagiert. "In den Juniwochen der Sommerzonen waren keine signifikanten Frequenzrückgänge feststellbar", schreibt der Oberbürgermeister. Er benennt aber auch "das geänderte Kundenverhalten durch den Wegfall von Parkplätzen". Dies sei nach Abschluss der Sommerzone gemeinsam zu evaluieren, so Mergel.
Besonders angefressen ist Thomas Hellmich, seit neun Jahren Geschäftsführer von Lolo-Moden in der Hafenmarktpassage. "Die Frequenz ist inzwischen wie auf einem Friedhof", sagte der 63-Jährige vor wenigen Tagen gegenüber der Stimme. "Wenn sich nicht schnell etwas ändert, überleben wir das nicht", ist sich der Inhaber sicher. Inzwischen hat Hellmig aufgegeben. Am Montag beginnt der Räumungsverkauf.






Stimme.de